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Das Teemännchen

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Heinz Strunks Geschichten. Lange, kurze, ganz kurze. Zum Teil knüpfen sie an bekannte Strunk'sche Themenwelten an, Einsamkeit, Sexualnot, Körperverfall, Alkohol, Übergewicht. Sie sind aber anders geschrieben als Strunks vorherige Bücher: immer pointiert, aber oft nicht komisch, manchmal absonderlich, traumlogisch, düster, grotesk, so zum Beispiel die Geschichte von dem DDR-Bürger, der durch politische Verfolgung so gebrochen wird, dass er die Wende als perfides Zersetzungsmanöver des Regimes missversteht und seine graue Zonenwohnung nie mehr verlässt. In anderen Stücken verabreden sich Kleinwagen zum Aufstand gegen die Menschen, erlebt Axl Rose von Guns n' Roses auf dem Hamburger Kiez seine Höllenfahrt, verwandelt sich eine Schönheitskönigin durch Arbeit im Schnellimbiss in eine alte Vettel, wird ein Mann an der Autobahn auf einem Windrad gekreuzigt, gerät eine Wilhelm-Busch-Expertin im Radio komplett aus der Fassung. Vor einigen Jahren hat Heinz Strunk eine Sammlung mit Erzählungen von Botho Strauss herausgegeben; die kurze Form liegt ihm am Herzen. Dies ist mithin kein Nebenwerk, keine Sammlung von Gelegenheitstexten, sondern ein Buch, in dem Heinz Strunk als Autor wieder ein Stück weiter zu sich kommt.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
21. August 2018
Sprache
deutsch
Auflage
2. Auflage
Seitenanzahl
206
Autor/Autorin
Heinz Strunk
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
315 g
Größe (L/B/H)
211/135/22 mm
ISBN
9783498064495

Portrait

Heinz Strunk


Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler

Heinz Strunk

wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit seinem ersten Roman

Fleisch ist mein Gemüse

hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht.

Der goldene Handschuh

stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis geehrt. Seine Romane

Es ist immer so schön mit dir

und

Ein Sommer in Niendorf

waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.


Pressestimmen

Aus der Verbindung von bitterem Ernst und böser Komik ergibt sich die literarische Sprengkraft, die Strunks bessere Werke haben. Dieser Band gehört dazu. Wolfgang Schneider, SWR 2 "Lesenswert"

Die Texte sind böse, sie sind verjuxt, platt sind sie indes nicht. Stets entwickelt Strunk seine Fantasien aus der minutiösen Beobachtung. Alles ist knapp auf den Punkt gebracht. Stefan Michalzik, Frankfurter Rundschau

Anders als der schneidend gemeine Michel Houellebecq oder der höhnisch klarsichtige Thomas Bernhard scheint sich der Misanthrop Strunk allerdings nie über seine Figuren zu erheben. Wolfgang Höbel, LiteraturSPIEGEL

Heinz Strunk besitzt ein absolutes Gehör für die Ausdrucksweise einer Person und insbesondere für die Aneinanderreihung von Phrasen, die die Sprechweise seiner Figuren charakterisiert und seine Erzählungen so widerstandslos reinlaufen lässt wie eine mitgehörte Unterhaltung im Bus und so einprägsam macht wie die tausend Mal gehörten Redensarten von nahen Verwandten. Hanna Engelmeier, taz

Es gibt so viel Elend auf der Welt. Heinz Strunk schreibt es getreulich auf. Es wird immer unheimlicher. Edo Reents, FAZ.NET

Als literarischer Anwalt der Loser ist Strunk längst eine Klasse für sich, sein schmales Bändchen ist erneut ein Meisterwerk. Karin Cerny, Profil

Ein Trip wie ein düsterer Rausch. Juliane Bergmann, NDR

Heinz Strunk zeigt in seinem Erzählband "Das Teemännchen" wieder einmal, wie wundervoll das Böse funkeln und wie amüsant es unterhalten kann. Oliver Jungen, Die Zeit

Der momentan anregendste Erzähler der deutschen Gegenwartsliteratur. Björn Hayer, Spiegel Online

Ja, Humor: Der läuft auf einer Spur des Strunksounds immer mit....Allerdings sollte niemand den tiefen Ernst in diesen Vignetten des Vulgären ( Marcel kann das Wichsen nicht lassen ) übersehen. Er ist es, der die Strunkprosa nie zu purem Klamauk macht. Thomas Andre, Hamburger Abendblatt

Grotesk und großartig. Knut Cordsen, BR

Auch wir sind nur Hauch vom Hauche. Davon hat man schon gehört. Aber ich kenne keinen, der so wie Strunk davon erzählen kann. Ergreifend, mysteriös, komisch. Deutschlandfunk

Bliebe bloß noch eine Kleinigkeit zu erklären. Wie ist es möglich, dass man nach ein paar Seiten trotzdem beinahe süchtig wird nach diesem Schepper-Sirenengesang? Walter van Rossum, Deutschlandfunk

Besprechung vom 04.09.2018

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Heinz Strunk debütiert mit Erzählungen. Wen schon sein "goldener Handschuh" erschreckte, sollte vorsichtig sein.

Unaufhaltsam geht Heinz Strunk weiter. In seiner literarischen Entwicklung, die mit dem Kassenschlager "Fleisch ist mein Gemüse" (2004) begann und mit dem Schocker "Der goldene Handschuh" (2016), für den er den Raabe-Preis bekam, ihre bisher spektakulärste Wendung nahm, ist er inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem sein Überdruss am realistisch-genauen, wenn man so will: bürgerlichen Erzählen an die Oberfläche kommt. Spürbar war er von Anfang an - allenthalben eingestreute, manchmal fast wie eine Manie wirkende Wendungen wie "undundund", "oderoderoder" und "zu dick, zu träge, zu alles mögliche" verdankten sich keiner Verlegenheit, wofür mancher sie halten mochte; sie waren immer schon Ausdruck der Ungeduld, die Strunk an den Tag legte, wenn es darum ging, Eigenschaften und Möglichkeiten des Erzählten in ihrer Länge und Breite zu Papier zu bringen.

Dieser Unwille schlägt jetzt direkt auf die Form durch. "Das Teemännchen" ist Strunks erster Band mit Erzählungen, wenn man darunter auch sogenannte Miniaturen von wenigen Zeilen Länge verstehen mag, mit denen Strunk dann allerdings vollends das realistische Terrain verlässt und sich dem Surreal-Phantastischen, gelegentlich auch Gleichnishaften zuwendet. Fünfzig Stücke auf zweihundert Seiten - einen Hang zur ausufernden Epik hat Strunk schon von Haus aus, als Musiker und Mitglied des unkonventionellen Gag-Trios Studio Braun, nicht; aber der Wille zu solcher Kürze überrascht nun doch. Verharmlosend und in Analogie zu seiner Bühnenkunst ließe sich von "Nummernrevuen" sprechen. Sie haben es in sich.

Natürlich war "Der goldene Handschuh" der Gipfel der Trostlosigkeit; aber das neue Format verlangt, im Gegensatz zur gleichsam monographischen Ausbreitung, nach einer größeren Fülle und Variationsbreite der Figuren und Schicksale, die in ihrer Summe den Leser noch mehr erschrecken - und beeindrucken. "Böser", so war schon zu hören, war Strunk nie. Das trifft zweifellos zu. In den Mini-Erzählungen gibt, wie einst bei Heinrich von Kleist, manchmal nur eine Nachricht über eine unerhörte Begebenheit, die Strunk sich oft auch einfach nur ausdenkt, den Anlass: ein arm- und beinloser Mann, der als Sexualstraftäter verurteilt wird; ein Schuhmacher, der die drei größten Männer der Welt als Kunden hat; Menschen, die entweder so klein sind, dass sie ins Klo fallen und sich aus Versehen wegspülen, oder die tagsüber rapide wachsen und nachts auf Däumelingsgröße schrumpfen; Lothar Späth, dessen Ableben in den Medien nur noch unter ferner liefen vorkommt; ein Mann, der plötzlich keinen Grundumsatz hat und, wenn er nichts unternimmt, im Jahr 150 Kilo zunimmt; und jener Rainer-Peter Pohl, "der einzige Mensch, bei dem der Arsch vorn und der Schwanz hinten ist". Diese Skizzen, die keine überflüssigen Informationen enthalten, sind bevölkert von Menschen, für welche die Gesellschaft keine Verwendung (mehr) hat. Strunk verzichtet auf jede Handlung, in der sich so etwas wie ein Charakter zeigen oder entfalten könnte. F. Scott Fitzgeralds Maxime "Action is character" läuft ins Leere. Mit ungerührtem Fatalismus dokumentiert Strunk das Unabänderliche, das mit der körperlichen Behausung für die unschönen Seelen gegeben ist. Diesem Determinismus sind auch seine Romane unterworfen; was in ihnen vor sich geht, geschieht im Zeichen unabänderlicher Benachteiligungen und trägt schon deswegen meistens den Stempel des Vergeblichen oder des Katastrophalen. Erträglich gemacht wird das durch Komik, die sich in die Kürzesterzählungen allerdings kaum einmal einschleicht. Die Trostlosigkeit wird nur durch das Grotesk-Unwahrscheinliche etwas heruntergedimmt. Für Mitleid oder auch nur Mitgefühl ist kein Raum, auch nicht bei dem namen- und alterslosen Mann, der an den sich drehenden Rotorblättern einer Windkraftanlage hängt; man erfährt nicht, warum, ein Sinnbild dafür, dass in einer immer weiter technisierten Welt archaische Strafen ihren Schrecken keineswegs eingebüßt haben.

Sonderlich harmlos war Heinz Strunk von Anfang an nicht. Sein Hang zum Bösen, den er jetzt an den Tag legt, verblüfft in dieser Hülle und Fülle nun aber doch. Und wie sich das für guten Horror gehört, ist das Böse einfach gesetzt, ohne jede Erklärung. Dass ein Heroin-Junkie plötzlich hinter einer Frau mit Kinderwagen auftaucht, das Baby anspuckt, beide zu Tode erschreckt und dann aber einfach wieder verschwindet, das kommt vor. Und warum? "Irgendetwas hat ihn aktuell aus dem Gleichgewicht gebracht. Unterstützung gekürzt, Fahrrad geklaut, Fernseher oder Gebiss kaputt, irgend so was." Es gibt Menschen, in der Regel Männer, die nur noch dem dumpfesten Trieb nachgehen, wie ein gefährliches Raubtier: "Er ist flink, schlau; mit fischartiger Geschmeidigkeit und rammeliger Wut bahnt er sich seinen Weg . . . Sein Schwanz ein stinkender, nasser, fettiger Pilz, mit dem er in alles eindringt, alles wegräumt, was ihm im Wege steht." Und um die Studentenkneipe "Madhaus", in der zwei geradezu vertierte junge Wirte nur darauf warten, dass eines dieser "süßen Erstsemester-Girls" so besoffen wird, dass sie sie abschleppen und zu Hause ihre abartigen Schweinereien mit ihnen veranstalten können, macht man lieber einen Bogen.

Das ist schon alles sehr drastisch, eigentlich unerhört. Einmal wird es sogar für Strunk-Verhältnisse so peinlich, dass man sich als Leser gar nicht mehr schadlos halten kann am Geschilderten, froh darüber, von so etwas verschont zu bleiben; vielmehr bekommt man herzliches Mitleid mit dem Halbwüchsigen, den seine verzweifelte Onaniesucht in eine Situation bringt, wie man sie sich schon gar nicht mehr vorstellen mag. Bei diesem Thema ist Strunk bekanntlich in seinem Element. Das will richtig verstanden sein: Gerade, weil ihm nichts Menschliches fremd zu sein scheint, ist Strunk ein großer Humanist. Er greift seinen Figuren an die verwundbarsten Stellen, und das sind nun einmal die Triebe: Hunger und Sexualität, beide hoffnungslos unstillbar. Daher die ganzen Dicken, die manchmal allerdings einen Lebenswillen an den Tag legen, der ihr Schicksal noch erbarmungswürdiger macht: die Frau, die sich als "Bloggerin" ausgibt ("irgendwas zwischen 120 und 140 Kilo") und die sozialen Kanäle mit kriminell dummen Sprüchen verstopft; der Automatenspieler, der, seine korpulente Freundin im Schlepptau, Autobahnraststätten abklappert, immer auf der Suche nach dem letzten Kick; die ehemalige "Sexbombe", die als Imbissverkäuferin versauert und aus dem Leim geht. Daher auch die, wie sagt man?, Notgeilen, die von Blamage zu Demütigung zu Blamage torkeln und deren buchstäblich brennende Sehnsucht in diesem Leben einfach nicht zu stillen ist.

Die Knappheit, mit der Strunk inzwischen zu Werke geht, ist bewunderungswürdig. Aber die ausgewachsenen Erzählungen sind es genauso. Hier, im treffend genauen Sozialreport aus den unteren Etagen der Gesellschaft, läuft Strunk zu vertrauter Form auf, etwa bei der sich verheißungsvoll anlassenden Ost-West-Liebschaft, die quasi an zu vielen Schlachtplatten jämmerlich, still und leise scheitert; oder den Reisen in Vergangenheiten, an denen noch gegenwärtige Beziehungen zuschanden werden (mit am stärksten: "Klaus und Klaus"); die (wahrscheinlich ausgedachte) Begebenheit mit Axl Rose von Guns N' Roses, der nach einem Konzert einsam und allein auf dem Hamburger Kiez mitleiderregend abstürzt; schließlich ein junger, hypernervöser Schauspieler, der im Flieger aus dem Munde seines vitalen, robusten Sitznachbarn eine Bemerkung zu hören kommt, mit der früher auf dem norddeutschen Flachland den Untergewichtigen, Lebensunfähigen zugeredet wurde (vergeblich natürlich): "mehr Speck essen". Diese Erzählung ist grundiert vom Geist-Leben-Antagonismus des frühen Thomas Mann und erinnert besonders an die Erzählung "Tristan" (1902).

Strunk, auch das macht seine Meisterschaft aus, nimmt keineswegs einseitig Partei für die Empfindlichen, Zukurzgekommenen, sondern lässt immer wieder seinen Respekt vor dem Tatendrang, der Energie und der insgesamten, nervenstarken Vitalität der Stärkeren durchblicken. Mit einer Konsequenz, an die allenfalls noch Michel Houellebecq herankommt, schickt er all die armen Leute in den darwinistischen Wettbewerb der Körper, aufs Wesentliche reduzierte Kreaturen, die nur noch innerlich aufheulen können. Wir hören sie nicht, aber wir sind erschüttert. Strunks Phantasie kennt dabei keine Grenzen mehr: "Es gibt ja bekanntlich nichts, was sich nicht vorstellen lässt." Es gibt so viel Elend auf der Welt. Heinz Strunk schreibt es getreulich auf. Es wird immer unheimlicher.

EDO REENTS

Heinz Strunk: "Das Teemännchen".

Rowohlt Verlag, Reinbek 2018.

208 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Himmelfarb am 03.06.2023
In Roman- Form mag ich Strunks teils drastisch- abstoßende Prosa, in Kurzformaten ermüdet sie leider.
LovelyBooks-BewertungVon Johann_Baier am 22.09.2022
Widerlich Heinz Strunks Geschichten sind das Widerlichste, was ich seit langem gelesen habe. Es ist nicht nur die Häufung von ekligen, abstoßenden Details (Pisse, Scheiße, Kotze, Sperma, Speichelfäden, Rülpser, Gestank, Dreck, körperliche Behinderungen, körperlicher Verfall), die ich von seinen Figuren erfahre. Alle seine Figuren sind Loser der Gesellschaft, aber er hat keinen anteilnehmenden oder gar sozialkritischen Blick auf die Figuren, sondern er verachtet sie, er verspottet sie, er ergötzt sich an ihrer Hässlichkeit, Dummheit, Einfältigkeit, Unfähigkeit, Ekligkeit, er beleidigt sie. Die Loser der Gesellschaft sind an ihrem Schicksal selber schuld, weil sie einfach Abschaum sind und immer bleiben werden.Heinz Strunks Phantasie erinnert mich an die eines 13-jährigen Jungen, es geht nur ums Saufen, Fressen, Ficken. Andere Gedanken und Wünsche haben die Figuren nicht. Es ist der Humor eines 13-jährigen, der sich daran erfreut, die Erwachsenen zu provozieren mit Worten, die man eigentlich nicht sagen darf. Das erhebt ihn auch über die Weicheier und Loser, die sich das nicht trauen. Tabus brechen aus Prinzip, als pubertäre Mutprobe. Sein Humor besteht nur aus Schadenfreude an dem Versagen, an der Dummheit, an der Wertlosigkeit anderer. Seine Obsession mit ekligen Details hat fast etwas Zwanghaftes, Krankes. Er sollte mal ein psychiatrisches Gutachten anfertigen lassen. Die Leser, die Strunk toll finden, auch.Die Figuren der Geschichten wandeln sich nicht. Viele Geschichten haben gar keine Handlung, sondern es bleibt bei der Beschreibung der Hauptfiguren.Warum soll man so etwas lesen? Ich verstehe es nicht.