Grimmig-schwarzhumoriger-lustig-tragischer-heiter-tiefsinniger Roman
Worum geht es?Henry Preston Standish ist in seinen 30ern, er ist verheiratet, hat Kinder, ist von Beruf Börsenmakler in New York, aber irgendwie nicht so ganz glücklich. Aus diesem Grund beschließt er eine Schiffsreise anzutreten. Von Hawaii nach Panama. Eines Morgens, am 13. Tag seiner Reise, rutscht er an Deck auf einem Ölfleck aus und fällt - von den anderen Passagieren unbemerkt - in den Pazifik. KritikWenn ich eine Schiffsreise mit Personen unternehmen würde, die ich nicht vorher kannte, wann würde den Mitpassagieren auffallen, dass ich nicht mehr da bin? Schwierig zu sagen.Leseprobe: "Als Henry Preston Standish kopfüber in den Pazifischen Ozean fiel, ging am östlichen Horizont gerade die Sonne auf. Das Meer war so still wie eine Lagune, das Wetter so mild und die Brise so sanft, dass man nicht umhinkam, sich auf wunderbare Art traurig zu fühlen. In diesem Teil des Pazifiks vollzog sich der Sonnenaufgang ohne großes Tamtam: Die Sonne setzte lediglich ihre orangefarbene Kuppel auf den fernen Saum des großen Kreises und schob sich langsam, aber beständig nach oben, bis die matten Sterne mehr als genug Zeit hatten, mit der Nacht zu verblassen. Tatsächlich dachte Standish gerade über den gewaltigen Unterschied zwischen dem Sonnenaufgang und dem Sonnenuntergang nach, als er den unglücklichen Schritt machte, der ihn in die See beförderte."Nun, während Standish die ersten Minuten im Wasser verbringt und froh ist, dass ihn nicht die Schiffsschraube erledigt hat, vertraut er darauf, dass sein Verschwinden sehr bald bemerkt wird, das Schiff umdreht und er gerettet wird. Lange glaubt er daran, während das Schiff ungerührt Richtung Horizont unterwegs ist. Dann wird die Erzählung zweigeteilt. Wir erleben die Gedanken und Gefühle von Henry Standish und gleichzeitig schwenkt die Kamera immer wieder auf die Passagiere und die Mannschaft. Das ist durchaus heiter, ich musste an vielen Stellen schmunzeln. Auch ist Standish zunächst - denn er ist zu fein, um laut um Hilfe zu brüllen - eine eher komische Figur. Doch irgendwann packte mich auch als Leser die Angst.Lewis war ein amerikanischer Journalist und Drehbuchautor, der zwischen 1937 und 1940 drei Romane veröffentlichte. Einer davon ist Gentleman über Bord. Dieses Buch ist vor einiger Zeit "wiederentdeckt" und ins Deutsche übersetzt worden und wurde schnell von Lesern als Klassiker bezeichnet. Zu Recht wie ich finde, es ist ungewöhnlich, nicht in dem Sinne, dass es große moralphilosophische Weisheiten enthüllt, sondern es ist zutiefst menschlich. Eben tragikomisch. Aber man sollte das Leben zu schätzen wissen. Man weiß ja nie, wann man einen falschen Schritt macht.Für wen ist dieses Buch etwas?Sicher nicht für jemanden, der entweder ein existentialistisches Meisterwerk oder einen realistischen Roman über das drohende Ertrinken erwartet. Wer gleich googelt, wie lange jemand tatsächlich im Wasser überleben kann, wie das auf Schiffen so geregelt ist oder was konkret beim Ertrinken passiert, sollte nicht zu diesem Buch greifen. Ich denke, dass alle diejenigen, die Oscar Wilde's Gespenst von Canterville oder Mark Twain's Kannibalismus in der Bahn mochten, die sich an den zutiefst menschlichen Merkwürdigkeiten von Charakteren freuen, denen könnte ich dieses Buch empfehlen. Der einzige Nachteil ist für mich der Preis, denn es kostet neu 28,00€.