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Spiegel und Licht

Roman

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"Hilary Mantel ist die Königin des historischen Romans."

Süddeutsche Zeitung
Regungslos verfolgt Cromwell die Hinrichtung der Königin, um dann mit den Siegern zu frühstücken. Der Sohn des Schmieds aus Putney taucht aus dem Blutbad des vergangenen Frühlings auf, um seinen Aufstieg zu Macht und Reichtum fortzusetzen. Zur selben Zeit gibt sich Henry VIII. , der mehr und mehr zum unberechenbaren Gebieter wird, dem kurzlebigen Glück mit seiner dritten Königin hin, die schon bald bei der Geburt des lang ersehnten männlichen Thronfolgers sterben wird. Cromwell kann sich nur auf seinen Verstand verlassen, denn er hat weder eine starke adlige Familie noch eine private Armee hinter sich. Der Kampf mit dem Papst und der katholischen Welt Europas droht England zu zerreißen. Da sind die religiösen Rebellen im eigenen Land und die Verräter aus den eigenen Reihen, die sich im Ausland mit den Feinden verbünden. Und da ist der König, den nichts so sehr interessiert wie die Sicherung der Thronfolge. Trotz alldem sieht der weitsichtige Cromwell ein neues England im Spiegel der Zukunft - und ist für diese Vision zu jedem Opfer bereit. Doch kann eine Nation oder eine Einzelperson ihre Vergangenheit abwerfen wie eine Schlange ihre Haut? Was wird er tun, wenn die Toten sich nicht abschütteln lassen, wenn der König ihm sein Vertrauen entzieht? In 'Spiegel und Licht' zeichnet Hilary Mantel die letzten Lebensjahre des Thomas Cromwell nach und entwirft ein eindrucksvolles Porträt von Jäger und Gejagtem, von dem erbitterten Wettstreit zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen königlichem Willen und der Vision eines einfachen Mannes: der Vision einer modernen Nation, die sich durch Konflikt, Leidenschaft und Tapferkeit selbst erschafft. Der lang erwartete dritte Band der Tudor-Trilogie! Für 'Wölfe' (2009) und 'Falken' (2012) wurde Hilary Mantel jeweils mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet. Das Hörbuch erscheint bei Audiobuch.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
20. März 2020
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
1097
Reihe
Tudor / Thomas Cromwell, 3
Autor/Autorin
Hilary Mantel
Übersetzung
Werner Löcher-Lawrence
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
1067 g
Größe (L/B/H)
144/216/51 mm
ISBN
9783832197247

Portrait

Hilary Mantel

Hilary Mantel, geboren 1952 in Glossop, England, war nach dem Jurastudium in London als Sozialarbeiterin tätig. Für den Roman Wölfe (DuMont 2010) wurde sie 2009 mit dem Booker-Preis, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit Falken , dem zweiten Band der Tudor-Trilogie, gewann Hilary Mantel 2012 den Booker erneut. Bei DuMont erschienen zuletzt die Romane Der Hilfsprediger (2017) und Spiegel und Licht (2020, dritter Band der Tudor-Trilogie).

Pressestimmen

»Eine Geschichte von Macht, Politik und menschlichen Abgründen so lebendig und präsent, wie man es in historischen Romanen noch nicht gelesen hat. Hilary Mantel hat nicht nur ein Geschichtsepos geschrieben, sie hat ein ganzes Genre erneuert. «
Denis Scheck, ARD DRUCKFRISCH

»Es gibt kein vergleichbares literarisches Werk. «
Claudia Voigt, SPIEGEL BESTSELLER

»Es hat sich wirklich gelohnt, auf den dritten Teil der brillianten Tudor-Trilogie zu warten. «
Camilla, Duchess of Cornwal, FRAU IM SPIEGEL ROYAL

»Unwiderstehlich«
Eleonore Büning, FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG

»Hilary Mantel ist für mich der Inbegriff des historischen Romanciers«
Denis Scheck, SWR LESENSWERT QUARTETT

» Spiegel und Licht ist ein Triumph des historischen Erzählens [ ] Die Geschichte Englands leuchtete nie heller als in Hilary Mantels Erzählung. «
Richard Kämmerlings, DIE LITERARISCHE WELT

»Eines der größten literarischen Projekte seit der Jahrtausendwende. [Der Roman] fordert und beschenkt seine Leser. «
Claudia Voigt, DER SPIEGEL

»Ich bin ein totaler Bewunderer von Hilary Mantel«
Ijoma Mangold, SWR LESENSWERT QUARTETT

»Schon die erste Szene von Hilary Mantels lang erwartetem Abschluss ihrer Trilogie über Thomas Cromwell ist meisterlich gewoben. «
Judith Luig, DIE ZEIT

»Ein Buch kann die Welt verändern. Oder zumindest unseren Blick auf sie. Eben das ist Hilary Mantel mit ihren Romanen über Thomas Cromwell gelungen. «
Andreas Kilb, FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG

»Derzeit ist [Hilary Mantel] die vielleicht spannendste Frau im Königreich. «
Cathrin Kahlweit, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

»Das ist hochanspruchsvolle, große Literatur«
Sandra Kegel, 3SAT KULTURZEIT

»Ein Erlebnis, dass man sonst nur bei Patricia Highsmith` Ripley Romanen hat, dass man nämlich absolut auf der Seite des Bösewichts ist«
Julia Schröder, SWR LESENSWERT QUARTETT

»Die Trilogie setzt Maßstäbe für den historischen Roman. «
Dr. Christiane Schlüter, G. GESCHICHTE

»Staubig und trocken wirken Historien häufig. Nicht so, wenn sie die englische Bestsellerautorin Hilary Mantel erzählt, dann wird Geschichte zu DER Geschichte. «
Daniel Arnet, SONNTAGSBLICK

»[Ein] beispielloses Romanwerk«
Meike Schnitzler, BRIGITTE WIR

»Ganz großartig«
Insa Wilke, SWR LESENSWERT QUARTETT

»Vielschichtig horizontal erzählt und ungemein spannend«
SWR BESTENLISTE

»So schließt [ ] ein großes Werk, dessen Schöpferin die literarische Potenz des vielstrapazierten historischen Genres glanzvoll vorführt. «
Julia Schröder, DEUTSCHLANDFUNK

»Hilary Mantel sitzt, denn nur so kann es gewesen sein, mit Block und Bleistift im 16. Jahrhundert bei den Tudors. «
Peter Pisa, KURIER

»Mantels Bücher bestechen durch ungeheuren Figuren- und Detailreichtum, ein geradezu enzyklopädisches Wissen durch raffinierte Erzählperspektiven und psychologische Tiefenschärfe«
RBB RADIO EINS

»Man [wird] beim Lesen Zeitzeuge einer vergangenen Epoche, die aber wie aus der Erfahrung eines Moments heraus erzählt zu sein scheint. «
Thomas David, DLF ZEITFRAGEN

»Spiegel und Licht zeig [die Autorin] auf der Höhe ihres Schaffens«
Gina Thomas, FAZ Die Woche

»Mantel ist eine grandiose Erzählerin komplexester historischer Ereignisse«
Marlen Hobrack, TAZ

»In gewohnter Manier sensationell. [ ] der dritte Booker-Preis könnte demnächst kommen. «
Meike Schnitzler, BRIGITTE

»Für die beiden ersten Bände hat sie zweimal den Booker Preis bekommen. Dieser dritte Band steht den Vorläufern in nichts nach. «
Katharina Döbler, RBB KULTUR

»[Hilary Mantel] ist die große Geschichte-Erzählerin der europäischen Literatur [. . .] Selten wurde eine vergangene Epoche so lebendig gezeichnet, wie es Hilary Mantel in diesem im doppelten Wortsinn gewaltigen Epos gelingt«
FOCUS

»Ebenso spannend und detailversessen wie die ersten beiden Bände [ ]. Wenn Sie Zeit haben: Am besten alle drei hintereinander weglesen! «
Nina Berendonk, DONNA

»Und wieder gelingt es Mantel, diese Epoche, die Spiele mit Intrigen und Macht auf unnachahmliche Weise einzufangen. «
Franziska Trost, KRONEN ZEITUNG

»1. 104 Seiten hat der Roman und dennoch kommt nie Langeweile auf. «
ÖSTERREICH/Ö24

»Mit gewohnter sprachlicher Eleganz lässt Mantel die ferne Welt des 16. Jahrhunderts auferstehen. «
Meredith Haaf, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

»Mit ihrer grossen Trilogie über den britischen Staatsmann Thomas Cromwell hat Hilary Mantel im Genre des historischen Romans einen Meilenstein gesetzt. «
Thomas David, NZZ

»So schließt ein großes Werk, dessen Schöpferin zeigt, welche literarische Potenz im vielstrapazierten Genre des historischen Romans steckt und wie lebendig die Toten sind. «
Julia Schröder, SWR2 Lesenswert

»Hilary Mantels Cromwell-Trilogie ist eines der grossen Romanprojekte unserer Zeit. «
Sieglinde Geisel, SRF. CH

»Dieses Buch ist eine Sensation! «
Denis Scheck, WDR2 Lesen

»Der beste historische Roman seit Umberto Ecos Der Namen der Rose «
Esther Schneider, SRF

»Ein extrem aufregender, sehr literarischer historischer Roman«
Katharina Kluin, STERN

»Ein Meisterwerk des neuen Jahrhunderts, das hoffentlich mehr als eine Generation überdauern wird. «
Johannes Kaiser, HR2 KULTUR

»die Neuerscheinung dieses Bücherfrühlings«
Kristina Pfoser, ORF Ö1 Mittagsjournal

»Der dritte Booker-Preis könnte demnächst kommen. «
Meike Schnitzler, BRIGITTE BÜCHER-PODCAST

»Hilary Mantels 1108-Seiten-Roman ist brillant aufgebaut, ein kompliziertes Geflecht aus Macht und Politik. [ ] Packend! «
Saskia Aaro, FREUNDIN

»Ein ganz großes Lesevergnügen«
Sigrid Löffler, ORF Ö1 Ex Libris

»Letzte Etappe der famosen Reise in den Renaissance-Kopf von Thomas Cromwell. Wenn er am Ende rollt, stirbt man ein bisschen mit. «
Christian Seidl, BERLINER ZEITUNG

»Es ist erneut ein Meisterwerk geworden. «
DIE PRESSE

»Spannend bis zur letzten Seite. «
Burgit Hörttricht, WESTFALEN-BLATT

»Sprachlich großartig ausgestaltet«
Iris Hetscher, WESER KURIER

»Eine starke Geschichte, ein großer Roman«
Petra Pluwatsch, KÖLNER STADT-ANZEIGER

»Mit diesen Büchern hat Mantel Geschichte geschrieben und geht selber in die Geschichtsbücher ein«
Dr. Daniel Arnet, SONNTAGSBLICK

»Mantel respektiert die Historie, aber sie nimmt sich alle Freiheiten, die dann den großen Roman ausmachen. «
Sylvia Staude, BERLINER ZEITUNG

»Auch das Finale ist ein großer Wurf: ein historischer Roman von hoher literarischer Qualität. «
Julia Schröder, STUTTGARTER ZEITUNG

»Hilary Mantel hebt das Genre auf ein neues Niveau. «
Ralf Stiftel, WESTFÄLISCHER ANZEIGER

»Ein starkes Stück über die Frage, wie man in Krisen zusammenhält. Aktueller denn je. . . «
Katja Kraft, TZ

»[Mantels] Thomas Cromwell ist eine der großartigsten Schöpfungen der jüngeren Literatur. [ ] [Die Tudor-Trilogie ist der] bislang größte [ ] Romanzyklus des einundzwanzigsten Jahrhunderts. «
Andreas Platthaus, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

»Eine Offenbarung«
Patrick Singer, KLASSIK RADIO

»Mantel schreibt [ ] großartig. «
Andreas Platthaus, FAZ Bücher-Podcast

»Ein meisterhaftes historisches Epos. «
Gabriella Lorenz, MÜNCHNER FEUILLETON

Besprechung vom 20.03.2020

Ein Roman macht Geschichte

Hilary Mantel schließt mit "Spiegel und Licht" ihre Trilogie über die Tudor-Zeit ab. Ihr Thomas Cromwell ist eine der großartigsten Schöpfungen der jüngeren Literatur.

Ihren Roman "Falken" hatte Hilary Mantel 2012 mit dieser Nachbemerkung beendet: "In diesem Buch geht es natürlich nicht um Anne Boleyn oder Henry VIII., sondern um die Laufbahn Thomas Cromwells, über den es immer noch keine umfassende, verlässliche Biografie gibt. Bis dahin bleibt der Master Sekretär geschmeidig, wohlgerundet und kaum zugänglich, wie eine erlesene Pflaume in einem Christmas Pie - aber ich hoffe, mit meinen Bemühungen fortfahren und ihn ans Licht holen zu können."

Zum Glück der Autorin ist auch in den acht Jahren seither keine Cromwell-Biographie erschienen, aber wie hätte die auch aussehen sollen, nachdem sich die ganze Welt bereits ihr Bild von diesem englischen Renaissance-Politiker machte - dank "Falken" und seinem Vorgängerroman "Wölfe" (2009)? Es gibt in der jüngeren Literatur keinen vergleichbaren Fall fiktionaler Rekonstruktion einer historischen Gestalt, die einen solchen Erfolg erlebt hätte. Oder über solche literarischen Qualitäten verfügt.

Jetzt wird dieser Zyklus, Mantels gefeierte "Tudor-Trilogie", mit einem Abschlussband vollendet, von dem weder sicher war, ob er überhaupt erscheinen würde (angesichts des prekären Gesundheitszustands seiner Autorin), noch, ob er den gefeierten Vorgängern würde standhalten können. Sowohl "Wölfe" (im Original "Wolf Hall") als auch "Falken" ("Bring Up the Bodies") gewann die wichtigste englische Literaturauszeichnung, den Booker Prize, und die lange Pause zwischen zweitem und drittem Band ließ Schwierigkeiten vermuten. Doch dann kam im vergangenen Jahr in Großbritannien die Ankündigung, dass "The Mirror and the Light" fertig sei. Bis zum Erscheinen des Buchs vor zwei Wochen lief die Vermarktungsmaschinerie warm, und seitdem steht das englischsprachige literarische Leben ganz in seinem Zeichen (F.A.Z. vom 9. März).

Bei uns dürfte es in den nächsten Wochen kaum anders sein, zumal nun unfreiwillig die nötige Lesezeit für die fast 1100 Seiten bereitsteht - beinahe so viel wie die ersten beiden Bände zusammen. Von heute an ist der dritte Teil erhältlich, und gestern war er bei Amazon als gebundenes Buch schon nicht mehr lieferbar. Hatte sich DuMont als deutscher Verlag mit den Vorgängerbänden noch jeweils ein Jahr Zeit für die Übersetzung gelassen, ist der neue diesmal also mit nur zwei Wochen Abstand gefolgt. "Spiegel und Licht" ist er überschrieben, und wie beim zweiten Band hat Werner Löcher-Lawrence hervorragende Arbeit geleistet (der erste war noch von Christiane Trabant übersetzt worden), und das will angesichts der knappen Zeitspanne und des Buchumfangs einiges heißen. Die Bildhaftigkeit der mantelschen Prosa ist wieder meisterhaft übertragen worden.

Worin besteht deren Reiz? Erst einmal in der Gegenwärtigkeit, die sie heraufbeschwört. Mantel erzählt im Präsens und radikal aus der Perspektive Thomas Cromwells. Keine Szene im Buch, die ohne ihn auskäme - ein ganz anderes Erzählprinzip als im ersten großen historischen Roman dieser Schriftstellerin, dem multiperspektivischen "Brüder" von 1992. Und doch ist die Tudor-Trilogie keine Ich-, sondern eine Er-Erzählung, aber eine, in der dieses "Er" mindestens so persönlich auftritt, wie es ein "Ich" täte.

Dadurch sind die wiederkehrenden Passagen, in denen Cromwells Gedanken oder nahtlos in den Fluss der aktuellen Ereignisse eingebettete Erinnerungen an seine Vergangenheit geschildert werden und er dabei über sich selbst "ich" sagt, noch eindrucksvoller, weil der kühle Analytiker seiner Zeit, als den ihn Mantel vorführt, aus der Rolle zu fallen scheint. Das Porträt des Thomas Cromwell ist ein kaleidoskopisches insofern, als sich durch ein ineinandergreifendes Beobachten seiner selbst und seiner Welt ständig das Handlungsmuster verändert: Cromwell agiert weniger, als dass er reagiert, seine persönlichen Überzeugungen (in religiöser, ökonomischer, psychologischer, politischer, auch amouröser Sicht) stellt er ständig hintan. Neben ihm lebten im Europa der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts Überzeugungstäter wie Luther, Zwingli, Calvin - alle Reformatoren genannt, obwohl sie Revolutionäre waren. Cromwell steht ihnen darin nicht nach; er sorgte politisch wie juristisch dafür, dass Heinrichs erste beide Ehen für ungültig erklärt werden konnten, was die Befreiung Englands vom Einfluss des Papstes und schließlich die Etablierung der Church of England zur Folge hatte.

Cromwells eigene religiöse Überzeugungen waren aber vielmehr kontinental-protestantischer Natur, worauf in Heinrichs Staat der Tod stand. Also verleugnete er sie, um über die Beeinflussung des Königs einen evolutionären Weg zum neuen Verständnis des christlichen Glaubens zu ebnen. Cromwell war ein Realpolitiker, und das heutige Großbritannien beruht auf seinem Wirken. Das macht diesen Mann der Renaissance zu einer so ungemein modernen Figur.

Und Hilary Mantel zieht alle Register modernen Erzählens. Ihr Roman weist keinen historisierenden Ton auf, aber sie streut Archaismen ein, stellt über Dialoge intellektuelle Positionen jener Epoche vor, und sie macht die Zeit der Handlung anschaulich über eine Liebe zum Detail, die beispiellos dasteht. Natürlich sind ihr dabei die Relikte aus der Herrschaftszeit Heinrichs VIII. willkommene Inspiration: all die Holbein-Gemälde, Gebäude, Schmuckstücke, Tapisserien. In dem berührenden Text "Tudor Places", der nur in einer Sonderausgabe des neuen Romans für die britische Buchhandelskette Waterstones enthalten ist, gibt sie Auskunft über ihre Suche danach. So etwa am Grab Heinrichs in Windsor Castle: "Als ich auf seinen Überresten stehe, empfinde ich Schwindel und Übelkeit, und in meinem linken Arm tritt ein starkes Gefühl auf, das mir signalisiert: tote Leute um mich herum. Aber ich bin gerne bereit einzuräumen, dass es sich nur um meine Einbildung handelt."

Es ist aber eben Hilary Mantels Einbildungskraft, die etwas sichtbar zu machen vermag, von dem es keine Zeugnisse gibt, und nicht selten verfällt die Erzählstimme dann in ein "wir", das Thomas Cromwell aufhebt in eine kollektive Stimme des englischen Volks. So anlässlich der ersten Wiederbegegnung von Heinrich mit seiner ungeliebter Tochter Mary aus erster Ehe, nachdem er gerade seine dritte Frau, Jane Seymour, geheiratet hat: "Wenn unsere Enkel oder die in einem anderen Land, fern von diesen im Glühwürmchenlicht verbleichenden Feldern, einst die Chroniken dieser Regentschaft zusammenstellen, werden sie sich das Treffen zwischen dem König und seiner Tochter vorzustellen versuchen - die Reden, die sie füreinander gehalten haben, die gegenseitigen Aufmerksamkeiten, die Versprechen und Segenswünsche. Was sie nicht gesehen haben, nicht aufschreiben können, war Lady Marys wackliger Knicks und wie das Gesicht des Königs rot anlief, als er durch den Raum lief und sie in den Arm nahm, ihr Schniefen und Wimmern, als sie den weißgoldenen Stoff seiner Jacke ergreift, sein Keuchen, sein Schluchzen, seine bebenden Koseworte und die heißen Tränen, die ihm aus den Augen quellen." Wo die Chroniken schweigen müssen, fängt Hilary Mantel erst richtig an.

Nur ein Bespiel: Der Titel ihres neuen Romans verdankt sich einer - erfundenen - Bemerkung Thomas Cromwells gegenüber Heinrich VIII.: "Ihre Majestät ist der einzige Fürst. Der Spiegel und das Licht anderer Könige." Gesprochen wird sie im Roman unter vier Augen, aber nun wird sie in Millionen Gedächtnissen verankert sein. In der Allegorie schwingen Begriffe wie "Fürstenspiegel" und "Aufklärung" mit. Sie ist perfekt gewählt. Aber sie fließt Hilary Mantels Cromwell ganz selbstverständlich aus dem Mund.

Und genauso selbstverständlich erzählt Mantel uns durchs Dickicht der englischen Innenpolitik jener Zeit, stellt die wechselnden Bündnisse und die beständigen Feindschaften vor, deckt Intrigen und Dummheiten einer runden Hundertschaft gesellschaftlicher Akteure auf, und in keinem Moment ist das undurchsichtig oder gar langweilig. Im Gegenteil: Als Leser fiebert man mit Thomas Cromwell, der im zweiten Band doch so unsympathisch geworden war in seinem kalten Machtkalkül, bekommt ihn nun noch intensiver als in den ersten beiden Teilen der Trilogie als Mann mit Vergangenheit vorgeführt, als Getriebenen alter Phantome, der mit Toten ebenso im Zwiegespräch ist wie mit Lebenden, und man wünscht wider besseres (historisches) Wissen, er möge überleben. Aber wie jeder der bisherigen Bände bietet auch dieser am Schluss eine Enthauptung: Thomas More wurde am Ende von "Wölfe" hingerichtet, Anne Boleyn am Ende von "Falken", Thomas Cromwell nun am Ende des Ganzen.

Kann unser historisches Wissen wirklich besser genannt werden als das, was Literatur zu vermitteln versteht? Hilary Mantel macht mit ihren drei Romanen ein Interpretationsangebot auf der Grundlage allgemein recherchierbarer Fakten und der nur ihr zugänglichen eigenen Phantasie. Das Tudor-England auf der Grundlage Ersterer ist weniger lebendig als das Tudor-England von Mantel. Das ist keine Frage der Wahrheit, es ist eine der Wahrhaftigkeit: Wo wir Menschen besser verstehen lernen, ist mehr fürs historische Verständnis getan als mit bloßer Datenkenntnis und Namenslisten. Geschichtsschreibung erfolgt über Geschichtenschreiben, und Hilary Mantel ist eine Virtuosin des Letzteren. Ziemlich genau in der Mitte ihres neuen Romans seht ein Fazit dessen, was sie uns erzählt hat mit ihrer Tudor-Trilogie: "Irgendwo, vielleicht auch nirgends, gibt es eine Gesellschaft, die von Philosophen regiert wird. Sie haben saubere Hände und reine Herzen. Aber selbst in der Hauptstadt des Lichts gibt es Müllgruben und Misthaufen voller Schmeißfliegen. Selbst in der Republik der Tugend brauchst du einen Mann, der die Scheiße wegschaufelt, und irgendwo steht geschrieben, dass er Cromwell heißt."

Nein, nicht irgendwo. Im bislang größten Romanzyklus des einundzwanzigsten Jahrhunderts. In dem die Cromwells weiterschaufeln.

ANDREAS PLATTHAUS

Hilary Mantel: "Spiegel und Licht". Roman.

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. Dumont Verlag, Köln 2020. 1098 S., geb., 32,- [Euro].

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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