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Fabelland

Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück

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Eine unverzichtbare Stimme zur Lage der Demokratie in Ost und West

Der 9. November 1989. In Berlin fällt die Mauer. Es ist einer der glücklichsten Momente der deutschen Geschichte. Ines Geipel ist bereits im Sommer in den Westen geflüchtet und erlebt den Zeitriss, die Hoffnungen und Aufbrüche als Studentin in Darmstadt. 35 Jahre danach erinnert sie sich: Wie fühlte er sich an, dieser historische Moment des Glücks? Wie erzählen wir uns Ost und West und die Wiedervereinigung? Woher kommt all der Zorn, woher die Verleugnung, wenn es um den aktuellen Zustand des Landes geht? Mit großer Klarheit und Offenheit geht Ines Geipel in ihrem Buch »Fabelland« noch einmal zurück. Zurück in die politische Umbruchslandschaft nach 1989, in die eigene Familie, zurück in all die verstellten, besetzten Räume der Erinnerung, zurück zu den Verharmlosungen und Legenden, die die Gegenwart so vergiften. Ein fesselndes, nein, ein befreiendes Buch, das auf die Frage zuläuft: Können die Deutschen ihr Glück auch verspielen?

Produktdetails

Erscheinungsdatum
14. August 2024
Sprache
deutsch
Auflage
3. Auflage
Seitenanzahl
320
Autor/Autorin
Ines Geipel
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
412 g
Größe (L/B/H)
208/129/30 mm
ISBN
9783103975680

Portrait

Ines Geipel

Ines Geipel, geboren 1960, ist Schriftstellerin und Professorin für Verskunst an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. 1989 floh sie nach ihrem Germanistik-Studium von Jena aus nach Darmstadt und studierte dort Philosophie und Soziologie. Das zentrale Thema ihrer Arbeit als Autorin und Herausgeberin ist die deutsche Gewaltgeschichte sowohl des Nationalsozialismus als auch der DDR-Diktatur. 2011 erhielt Ines Geipel das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2020 den Lessingpreis für Kritik, 2021 den Marieluise-Fleißer-Preis und 2023 den Erich-Loest-Preis, 2024 wurde sie für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert. »Fabelland« ist ihr erstes Buch bei S. FISCHER.


Pressestimmen

In Fabelland verbindet Ines Geipel persönliche Erinnerung und Familiengeschichte mit historischer Forschung und politischer Analyse und eröffnet einen profunden Blick auf deutsche Geschichte. Martina Läubli, NZZ Geschichte

Klug, gedanklich präzise, stilistisch so anspruchsvoll wie wunderbar und sehr persönlich. Fabelland gehört zu den besten Büchern, die bisher über deutsche, speziell ostdeutsche Identität und Befindlichkeiten geschrieben wurden. Joachim Käppner, Süddeutsche Zeitung

Die Autorin verbindet erlebte Zeitgeschichte mit historischen und soziologischen Studien Martina Läubli, NZZ Geschichte

Eine einfache Lektüre hat die Publizistin (. . .) wahrlich nicht vorgelegt. Trotzdem ist "Fabelland" - eine Melange aus Privatem, Dokumentation und politischer Analyse - viele Leser zu wünschen. Aschot Manutscharjan, Das Parlament

Spannend erzählt. P. M. History

Das Besondere dabei: Geipel schafft es, keiner der gängigen Erzählungen auf den Leim zu gehen. Dresdner Morgenpost

Ines Geipels "Fabelland" hebt sich wohltuend ab von den vielen Sachbüchern mit kraftvollen Thesen. Jörg Phil Friedrich, Der Freitag

Ein in Stil und Sprache ganz außergewöhnliches Buch, das tiefer in die Mentalitätsgeschichte dringt und so auch für die Lage der Bundesrepublik instruktiver ist als der übliche Ost-Klamauk. taz FUTURZWEI

Wertvoller Debattenbeitrag. Hörzu

Da hat jemand mit kühlem Kopf einen versöhnlichen Text geschrieben, der einen schwindelig machen kann, aber er hält viele Denkanstöße bereit. Corinne Orlowski, rbb - Radio 3 am Morgen

Es ist keine schöne Diagnose, eher ein schmerzhafter Innenblick, der Ost wie West kritisch in die Pflicht nimmt. Christian Tilmann, Märkische Oderzeitung

Ihr Buch weitet den Blick und bietet die Chance, aus Vergangenheit zu lernen. Welf Grombacher, Freie Presse

Es entlarvt die Erzählungen, die sowohl ein deutsch-deutsches Zusammenwachsen behindern, als auch eine Bewältigung des Diktaturtraumas. Catrin Stövesand, Deutschlandfunk (Andruck)

Ein wichtiger Beitrag im derzeit eifrig betriebenen Diskurs um das Selbstverständnis der Ostdeutschen Bettina Baltschev, MDR Kultur

Es ist eine aufregende Reise durch das verminte Gelände der Schuldverdrängung, die die Autorin unternimmt. Auf jeden Fall lesenswert. Conrad Ley, Südwestrundfunk/Lesenswert

Besprechung vom 30.08.2024

Am Boden klebt der Zorn

Ines Geipel räumt Geschichten vom Osten als Verlierer der deutschen Wiedervereinigung ab.

Die deutsche Einheit wird 35, also erwachsen. Da ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, und die fällt zunehmend mies aus: Auf eine fröhliche Kindheit folgte eine schwierige Jugend und nun eine zerknirschte Erwachsenenexistenz. Die Wiedervereinigung, so sagen immer mehr Politiker, Kommentatoren und Umfragen, ist schiefgegangen. Durchgesetzt hat sich die Erzählung vom unterworfenen, kolonisierten und kleingehaltenen Osten, der in die Fänge des Westens geraten ist.

Ines Geipel ist damit überhaupt nicht einverstanden und dreht die These um: Nicht der Westen, der Osten hat gewonnen. Es ist ihm gelungen, seine schlecht gelaunte Opfererzählung dem ganzen Land aufzudrücken, sodass inzwischen selbst Westdeutsche reumütig von den Versäumnissen der Wiedervereinigung sprechen. Dabei war das Ganze doch eine Erfolgsstory: Ein Land befreit sich von einer Diktatur und entschließt sich, zur "Welt" zu "gehören".

Geipel fragt, warum man davon nichts mehr wissen will, und reist noch einmal an den Anfang zurück: Sie erzählt von der Euphorie der ersten Wochen, dem "Ende der Befehle" und einem herrlichen "Interregnumsgefühl", das schnell einer Ernüchterung weicht, in die sich die ersten Misstöne schleichen: Arrogante Wessis, die im Osten einrücken und Ansprüche auf Alteigentum geltend machen. Betriebe, die reihenweise pleitegehen. Die Treuhand, der Bergarbeiterstreik von Bischofferode und lauter verzweifelte Ossis, die in sterbenden Städten statt blühenden Landschaften leben.

Für Geipel sind das alles Mythen. Die Eigentumsfrage? Größtenteils zugunsten der Ossis entschieden. Die Treuhand? Konnte auch nichts mehr retten. Bischofferode? Von Westlinken und DDR-Stalinisten unterwandert. Überhaupt die "Altkader", überall sieht Geipel sie am Werk und liefert damit eine Cliquentheorie ostdeutscher Kulturmacht. Nach dem Mauerfall kamen zunächst die Stasi-"Schredderer" und vernichteten Beweise für DDR-Verbrechen. Anschließend formierte sich ein "Verleugnungskartell", das die Diktatur verharmloste. Das gelang durch Infiltration von Parlamenten, Behörden, Polizei, Universitäten, Medien und Kulturmilieus. Flankiert wurden es von Intellektuellen, die den Ossi zum Opfer stilisierten: von Heiner Müller über Hans-Joachim Maaz und Wolfgang Engler bis zu heutigen Vertretern der Ostcolonial Studies wie Dirk Oschmann.

So entstand eine "Wut", ein "Ressentiment", das allmählich "tatkräftig" wurde. Um es zu verstehen, müsste man, so Geipel, "die ganze Gegend erzählen". Hier erweist sie sich als Anhängerin der Gefühlsraumtheorien von Hermann Schmitz und von Gernot Böhme, bei dem sie in Darmstadt studierte, als die Mauer fiel. Das Gedächtnis, so Böhme, befindet sich "zur Hälfte draußen". Der Zorn klebt am Boden. Gräbt man ein bisschen, dann findet man Rohstoffe, Sprengstoffe, die sich für politisches Unternehmertum eignen. Das haben anfangs Linke für sich zu nutzen gewusst, inzwischen jedoch überwiegend Rechte. Geipel findet das nur konsequent, denn im Inneren habe die Diktatur die ganze Zeit weitergelebt. Die blockierte Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der DDR, "Gefühlsstau" und Verpanzerung durch einen Mangel an Therapie sowie die Erzählung von den Ossis als Opfer zunächst der Nazis und dann der Wessis seien genau das, worauf die AfD zurückgreifen könne. Maximilian Krah wäre demzufolge nicht, wie er behauptet, der deutsche Trump, sondern der deutsche Putin, der aus postkolonial zurechtgebogenem Ressentiment Kapital schlägt. Vielleicht ist er aber auch der deutsche Modi.

Möglich wurde das - und hier hat der Westen eben doch eine Mitschuld - durch ein eingeübtes Rollenspiel in NS-Fragen: der Osten als Opferkollektiv, der Westen als Gemeinschaft reuiger Täterkinder. Beide konnten ihre Haltung nach 1989 beibehalten und aufeinander beziehen. Sie harmonieren so gut miteinander, dass sie aus ihren Disharmonien nicht mehr herauskommen.

Doch so erfolgreich der Osten mit seiner Erzählung auch ist, er ist natürlich trotzdem ein Verlierer. Er hat sich ums "Glück" gebracht, so Geipel, die eine neue Erzählung fordert. Worin die bestehen kann, wird nur angedeutet: Abschüttelung einer Diktatur und Orientierung in neuer Umgebung. Das ist schon allerhand. Wer so beharrlich Mythen dekonstruiert, arbeitet allerdings meist selbst an einem - dem von der glücklichen Zusammenführung, die nur durch Fehleinschätzungen getrübt wird. Ist an der Kolonisierungsthese wirklich nichts dran? Was ist mit den Posten und den Eigentumsverhältnissen im Osten, die größtenteils Westangelegenheiten sind? Weiterhin wäre zu prüfen, ob nicht auch besonders tragische Verwicklungen vorliegen. Zum Beispiel hat der Mauerfall, wie die Psychologin Maike Salazar Kämpf schreibt, zu Problemen für Ostfrauen geführt. Ihre alte Rolle als Arbeitsbiene traf auf das westliche Bild vom Hausmütterchen. Das Schlechte aus beiden Welten kam zusammen - und war nicht zusammenzubringen. Hier liegt der sonderbare Fall eines Misslingens der Einheit durch Gelingen vor, vermutlich gibt es noch weitere. Vielleicht ist daher die Gefühlsraum-Theorie noch triftiger, als Geipel es wahrhaben will: Die Deutschen sind von einer Unfähigkeit zur Einheit befallen. Sie ersehnen sie, erkämpfen sie und werfen sie dann wieder über den Haufen. Deutschland ist verhext. Da kann man vermutlich nicht viel machen. MORITZ RUDOLPH

Ines Geipel: "Fabelland". Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024. 320 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Schelmuffsky am 05.11.2024
Formal anspruchsvoll, ist dies eines der erhellendsten Bücher der letzten Jahre. Unbedingt lesen!
Von Lustaufbuch am 02.09.2024

"Wann fängt man an, jemanden in die Vergangenheitsform zu setzen?"

»Wann fängt man an, jemanden in die Vergangenheitsform zu setzen? Wenn die Geschichte vorbei ist? Wenn der andere einen nicht mehr interessiert? Wenn es noch einmal losgeht?« Ines Geipel, kurz vor dem Fall der Mauer, im August 1989 nach Darmstadt geflohen, schildert in diesem Buch überwiegend subjektive Erinnerungen an ihre Zeit während und nach der DDR sowie zur Zeit des Mauerfalls. Dabei reist die Autorin zurück in die Zeit des Umbruchs und geht verschiedenen Fragen auf die Spur: Wie wirkte sich der Fall der Mauer auf die Menschen aus und wie nahmen diese ihn wahr? Wie vollzog sich die Einheit und wie lassen sich heutige rechtsextreme Tendenzen erklären? Besonders der Bezug zu ihrer eigenen Familie bleibt in Erinnerung, schließlich stieß Geipel selbst erst 2003, bei Akteneinsicht, auf diese Tatsachen. So erfuhr sie, dass ihr Vater unter acht verschiedenen Namen für die Staatssicherheit der DDR im Westen spionierte. Ihre Mutter wusste dabei über alles Bescheid. Das Schweigen darüber, dass niemand darüber jemals redete, belastet noch heute. Auch sonst bietet ihr Buch Abrisse über bestimmte Ereignisse, Erlebnisse und Personen. Beim Lesen bemerkt man ihre poetische Sprache. Kein Wunder, schließlich ist sie Professorin für Verskunst an der wohl renommiertesten Schauspielschule Deutschlands: Ernst Busch in Berlin. Gegen Ende wendet sie den Blick auf die (Erfolgs-)Geschichte der AfD, deren Radikalisierung und kritisiert die zunehmende Auferlegung von zuschreibenden Identitäten, seitens der rechtsextremistisch eingestuften Partei, wie sie auch aktuell im Wahlkampf zu bemerken sind. Trotz der spannenden Einblicke, welche das Buch bietet, konnte es mich jedoch nicht wirklich überzeugen. Vielmehr hätte ich mir eine etwas geordnetere Struktur gewünscht, da diese meines Erachtens teils chaotisch und immer wieder sprunghaft war. Auch wurde ich aus manchen geschilderten Ereignissen nicht wirklich schlau, einerseits weil der Zusammenhang nicht klar ersichtlich war und andererseits erschienen mir diese teils als belanglos.