Besprechung vom 25.05.2022
Gastgeber, die nicht liebenswürdig sind
Wer eine Einladung ausspricht, zeigt sich den Gästen gern von seiner besten Seite. Das ist hier nicht der Fall. Diese grüne Insel ist nicht die der irischen Fremdenverkehrszentrale. Die Stimmen der Gastgeber kommen aus einem zerrissenen Land, "trostlos und nass", "interessant und ruchlos", aber auch still und subtil, auf das "in langen Strahlen, blass wie die Geister von Primeln das Sonnenlicht" fällt. Es sind - bis auf die Klassiker Frank O'Connor, Liam O'Flaherty und Seamus Heany - neue, unbekannte Texte junger Autorinnen und Autoren, denen nichts an Dideldum, vierzig Sorten Grün und keltischem Zwielicht liegt, das Irland in den Augen jener, die dafür schwärmen, zu einer Insel der Gastfreundlichkeit macht. In den vierzehn starken Erzählungen sind Mörder und Drogensüchtige, kranke Polizisten, giftige Frauen und Säufer, ungesellige und hoffnungslose Jugendliche unterwegs, denen man in Wirklichkeit nicht begegnen möchte, die aber literarisch höchst reizvoll und ergiebig sind. Ihre Geschichten spielen in Dublin und Cork, an der Westküste und im Norden, wo das Schicksal der Bewohner seit hundert Jahren von der Grenze bestimmt wird und die Leute glauben, ausländische Besucher "haben sie nicht mehr alle, weil sie ständig lächeln und sich freuen". Bei aller Härte, auch dafür gibt es Grund. letz
"Irland. Eine literarische Einladung", herausgegeben von Paul McVeigh. Wagenbach Verlag, Berlin 2022, 144 Seiten. Gebunden
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