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Welten auseinander

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Das Mädchen wird in Ostberlin geboren. Julia ist acht, als ihre Mutter sie und die Schwestern in den Westen, erst ins Notaufnahmelager Marienfelde und dann nach Schleswig-Holstein mitnimmt. In dem chaotischen Bauernhaus kann die Dreizehnjährige nicht länger bleiben und zieht aus, nach Westberlin. Neben der Sozialhilfe verdient die Schülerin Geld mit Putzen, sie lernt ihren Vater kennen und verliert ihn unmittelbar, macht ihr Abitur und begegnet Stephan, ihrer großen Liebe. Wenn sie sich erinnert, ist es Gegenwart.

»Welten auseinander« ist Julia Francks bewegende Erzählung einer ungewöhnlichen Jugend voller Brüche und Unsicherheiten; ein schmerzhaft-schönes Buch der Selbstbehauptung, das von Scham und Trauer so genau erzählt wie von Tod und Liebe. Schreiben und Literatur erweisen sich als Instrumente des Bleibens, vorerst.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
13. Oktober 2021
Sprache
deutsch
Auflage
3. Auflage
Seitenanzahl
368
Autor/Autorin
Julia Franck
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
deutsch
Produktart
gebunden
Gewicht
474 g
Größe (L/B/H)
206/132/38 mm
ISBN
9783100024381

Portrait

Julia Franck

Julia Franck wurde 1970 in Berlin geboren. Sie studierte Altamerikanistik, Philosophie und Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin. 1997 erschien ihr Debüt Der neue Koch , danach Liebediener (1999), Bauchlandung. Geschichten zum Anfassen (2000) und Lagerfeuer (2003). Sie verbrachte das Jahr 2005 in der Villa Massimo in Rom. Für ihren Roman Die Mittagsfrau erhielt Julia Franck den Deutschen Buchpreis 2007. Der Roman wurde in 40 Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt (2023, Regie: Barbara Albert). Nach Rücken an Rücken (2011) erschien zuletzt Welten auseinander (Platz 1 der SWR-Bestenliste). Für ihr Werk wurde sie 2022 mit dem Schiller-Gedächtnis-Preis ausgezeichnet.


Literaturpreise:

1995 Siegerin beim Open Mike-Wettbewerb

1998 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste

1999 Stipendium der Stiftung Niedersachsen

2000 3sat-Preis in Klagenfurt

2004 Marie Luise Kaschnitz Preis

2005 " Roswitha Preis" der Stadt Bad Gandersheim

2007 Deutscher Buchpreis

2010 war die englische Ausgabe der Mittagsfrau auf der Shortlist des Independent Foreign Fiction Prize und auf der Shortlist des Jewish Quaterly sowie für den internationalen IMPAC nominiert.

2022 Schiller-Gedächtnis-Preis


Pressestimmen

Bewegende Frauenporträts! Karin Waldner-Petutschnig, Kleine Zeitung

Julia Franck zeichnet hier nicht nur eine ungeheuerliche und gleichzeitig packende Lebensgeschichte nach, sondern lässt auch ein bedeutendes Stück Zeitgeschichte aus der Innenperspektive entstehen. Maria Renhardt, Die Furche

Ein radikal ehrliches, radikal gutes Buch. EMMA

Ein Buch des Selbstbehauptung, das vor Scham und Trauer so genau erzählt wie von Tod und Liebe. Gour-med

[. . .] man gerät immer wieder so stark in den Sog des Erzählten, dass man fast vergisst, dass Welten auseinander ja gar kein Roman ist, sondern eine spannende und bisweilen tragische Lebensgeschichte. Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung

bewegend, berührend, emotional und faszinierend und großartig erzählt Wilfried Funke, Schongauer Nachrichten

ein faszinierender deutsch-deutscher Familienroman, in dessen Mittelpunkt vor allem starke Frauen stehen Goslarsche Zeitung

Die furiose Geschichte einer Selbstermächtigung, selbst über den Tod hinaus. Brigitte Woman

Die besondere Erzählung einer ungewöhnlichen Kindheit und Jugend, ein Buch der Selbstbehauptung, das von Scham und Trauer genauso erzählt wie von Tod und Liebe. ZDF aspekte

In «Welten auseinander» erzählt Julia Franck meisterlich von ihrer lebenslangen Unbehaustheit Michael Hametner, Der Freitag

Trotz aller Skepsis der eigenen Erinnerung gegenüber sind ihre Menschenbeschreibungenso anrührend wie aufwühlend. Andrea Hanna Hünniger, Cicero

»Welten auseinander« ist ein faszinierendes Prosastück und die furiose Geschichte einer Selbstermächtigung, selbst über den Tod hinaus. Meike Schnitzler, Brigitte

Die große Liebe ist kein Mythos, sondern die Quelle wahrer Schmerzen. Auch von dieser neuen Verlusterfahrung handelt dieses fesselnde Buch. Thomas Andre, Hamburger Abendblatt

Ein ganz großartiges Buch! Elvira Hanemann, radioeins/Schöner Lesen

eine[. . .] der besten Schriftstellerinnen deutscher Sprache [. . .], die [. . .] diese Verhältnisse in klarsichtige, scharfsinnige und völlig unlarmoyante Worte zu fassen imstande ist. Martin Ebel, Tages-Anzeiger

Welten auseinander , ein Buch über das, was Geschichte und Geschichten ausmachen. Denis Scheck, SWR 2

ein hoch komplexes erzählerisches Wechselspiel zwischen intimer Nähe und kommentierender Distanz. [. . .] Viel Schmerz, aber auch jede Menge Energie steckt zwischen den Buchdeckeln Peter Mohr, Lokalkompass

Dieses schmerzhafte, manchmal wilde und auch schamhafte Leben erzählt Julia Franck in berührender Art. Frank Hajasch, NDR Kultur

Dabei entwickelt er [der Roman] eine Wärme und Uneingeschränktheit, die [. . .] ehrlich und geerdet erscheint. Anke Dörsam, taz

eindringlich, detailfreudig und mit viel Sinn für Atmosphäre schildert die Autorin die Irrungen und Wirrungen einer besonderen Kindheit und Jugend. Hörzu

Dieses Buch (in dem die Figuren auch genauso heißen wie im realen Leben) hat sich die Wahrheit zur Pflicht und die Schönheit zur Kür gemacht [. . .]. Burkhard Müller, Die Zeit

Nie laut, nie grell [. . .], sondern immer poetisch und berührend. msn. com

Ein Buch über Entbehrungen, Verwundungen, Abschiede, aber auch über die Kraft des Schreibens, der Freundschaft, der Liebe. Freundin

»Welten auseinander« ist ein mutiges Buch, das aus gelebtem Leben Literatur macht. Claudia Voigt, Der Spiegel

Das größte Kunststück, das Julia Franck in Welten auseinander gelingt, ist der von Selbstmitleid und Bitterkeit vollkommen freie Ton der Ich-Erzählerin. Melanie Mühl, Frankfurter Allgemeine Zeitung

die lesenswerte Autobiografie einer schwierigen Jugend Meike Feßmann, Deutschlandfunk Kultur

Ihre eigene Familiengeschichte enthält eine Fülle von Erzählenswertem. Claudia Ingenhoven, NDR

Mit jedem ihrer Romane setzt sich die Buchpreis-Trägerin von 2007 intensiver mit ihrer eigenen Geschichte auseinander und die Fragen gehen ihr nicht aus. Stern

eine sehr persönliche Geschichte über die Fremdheit im eigenen Lebensumkreis, die über den individuellen Fall weit hinausreicht. Eberhard Falke, Deutschlandfunk Büchermarkt

Lesenswert. Britta Helmbold, Ruhr Nachrichten

eine ganz wilde und verblüffende Geschichte [. . .], ganz spannend zu lesen. [. . .] Ambivalenzen sind hier absolut erlaubt in diesem großen Familienroman. Anne-Dore Krohn, RBB

radikal persönlich [. . .]. ein aufwühlendes Buch in berückender, zu Teilnahme zwingender Sprache. Cornelia Geißler, Berliner Zeitung

beeindruckend, manchmal atemberaubend Anja Brockert, SWR2

Besprechung vom 16.10.2021

Schreiben ist das einzig Verlässliche

Familienaufstellung II: Julia Franck erzählt "Welten auseinander" von sich selbst und doch über das, worin wir alle verstrickt sind.

Von Melanie Mühl

Unsere Erinnerung ist trügerisch. Sie führt uns hinters Licht und legt Verklärungsschleier über die Vergangenheit. Sie täuscht uns, ein ums andere Mal. Zu gern tappen wir in ihre Falle. Doch was wären wir ohne sie? Nichts.

In Julia Francks neuem Buch "Welten auseinander", das kein Roman ist, sondern eine Art Familienbiographie und - das sei an dieser Stelle bereits gesagt - ein Ereignis, heißt es einmal: "Wir können nicht wählen, woran wir uns erinnern und was wir vergessen. Die Gnade des Vergessens erscheint mir, je älter ich werde, umso geheimnisvoller und göttlicher. Das Warten, die Zweifel, die Nachricht. Im Nichts. Vergessen als Tugend."

Der Ich-Erzählerin aber geht es ums Erinnern ohne Schonung, an ihr prekäres Aufwachsen in einer Künstlerfamilie, die dem Kind, der Jugendlichen und Erwachsenen alles an seelischer Kraft abverlangt. An eine Großmutter, die Blöcke aus Stein künstlerisch bearbeitet, Literatur und Theater liebt, nicht Großmutter sein möchte und keine Liebe zu verschenken hat. Darin ähnelt sie der um sich selbst kreisenden Mutter der Ich-Erzählerin: Anna. Die ist eine Frau, die ihre Kinder deren eigenem Schicksal überlässt, in Rage mit Gegenständen um sich wirft, sich beim Essen mit der Innenseite einer Avocadoschale das Gesicht einreibt, nackt durchs Haus läuft, die Sozialhilfe in Zigaretten investiert und bisweilen erst aufsteht, wenn ihre Töchter bereits aus der Schule nach Hause kommen, was die Ich-Erzählerin mit dem nüchternen Satz kommentiert: "Jeder hatte seinen Rhythmus."

Ende der Siebzigerjahre wird Annas Ausreiseantrag genehmigt, und sie verlässt die damalige DDR mit ihren vier Töchtern, die unterschiedliche Väter haben. Die erste Unterkunft ist für knapp neun Monate das Flüchtlingslager Berlin-Marienfelde, fünf Menschen auf wenigen Quadratmetern, bevor es weiter nach Schleswig-Holstein geht, wo die Heimatsuchenden in einem heruntergekommenen Bauernhaus in einem Dorf am Nord-Ostsee-Kanal eine Bleibe finden. Mitte dreißig ist Anna damals, eine Schauspielerin, auf die niemand im Westen gewartet hat. Die Ich-Erzählerin, die eine Zwillingsschwester hat, ist acht. Sie kommt sich falsch vor, überflüssig, würde am liebsten verschwinden. Nur wohin? Die Kinder im Dorf hänseln sie, fragen, ob die hexenähnliche Mutter eine Nutte sei und sie selbst eine Zigeunerin. Woher all der "Tüdelkram" komme, der im Haus rumfliege. Kinderworte, unschlagbar in ihrer Brutalität.

Von Seite zu Seite wartet, ja hofft man als Leser inständig, dass sich doch noch alles irgendwie zum Guten wendet, als ließe sich die Liebe in einer Familie oder einer anderen Beziehung einfach anknipsen. Doch die Liebe folgt "keiner Erwartung, keinem Zwang oder Entschluss".

Die Ich-Erzählerin beginnt mit dem Tagebuchschreiben, es ist Flucht und Rettung zugleich. Zu Papier bringen, was man ertragen muss, über das Sterben nachdenken, ohne es zu tun. "Die einzige verlässliche Beziehung, die ich in meiner Kindheit entwickelte, war die zu meinem Tagebuch."

Julia Franck hat 2019 dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach ihr Archiv überlassen, mit Ende vierzig: Romanmanuskripte, Essays, Briefwechsel, Übersetzungen. Für Marbach war dieser Schritt der Berliner Schriftstellerin ein Grund zur Freude, für die Leserschaft nicht. Bedeutete diese Entscheidung nicht, dass Franck, die für ihren monatelang auf der Bestsellerliste stehenden, in vierzig Sprachen übersetzten Roman "Die Mittagsfrau" 2007 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, sich vom Schreiben verabschiedete? Ihr letzter Roman war 2011 unter dem Titel "Rücken an Rücken" erschienen.

Dass sie dem Schreiben die Treue gehalten hat, ist ein großes Glück. Dass sie sich dieses Mal für eine stark autobiographisch geprägte Geschichte entschieden hat, eine Überraschung.

Die Qual eines dreizehnjährigen Kindes muss unvorstellbar sein, wenn es freiwillig seine Zwillingsschwester verlässt, die Mutter, das als Zuhause gedachte Haus. In Berlin ansässige Freunde der Familie, Steffi und Martin, erklären sich bereit, die Ich-Erzählerin aufzunehmen. Sie darf in einer Dachkammer wohnen, deren Tür sie am liebsten verschließt. Ab und zu wechselt Franck jetzt die Perspektive und ersetzt das Ich durch "das Mädchen". Einmal überlegt das Mädchen, "ob es den Mitschülerinnen jetzt endlich sagen soll, dass seine Urgroßmutter und Großmutter Jüdinnen sind, die Mütter seiner Mutter, so dass es selbst nach der Halacha ebenfalls Jüdin ist. Wenn auch nicht fromm. Und was heißt das dann? Das Mädchen kann nicht selbstverständlich sagen, ich bin Jüdin. Das Mädchen ist nichts. Es schweigt."

Vor allem aber kämpft es, putzt, hütet Kinder und Katzen, verdient Geld, wird älter, probiert Drogen. Die Ich-Erzählerin erobert neue Räume. Mit achtzehn lernt sie den aus bürgerlichem Hause kommenden Stephan kennen. Ihre Sehnsucht, nach den vielen Jahren des Chaos zur Ruhe zu kommen, ist groß. Und trotzdem: "Es geschah unwillkürlich und vielleicht ohne Grund und Ziel, weder weil Stephan es wollte noch ich selbst. Liebe ist ein ähnliches Wunder wie Seele und Leben." Es wird eine schöne, eine tragische Liebesgeschichte.

Das größte Kunststück, dass Julia Franck in "Welten auseinander" gelingt, ist der von Selbstmitleid und Bitterkeit vollkommen freie Ton der Ich-Erzählerin. Fast protokollarisch berichtet sie bisweilen von ihren Erlebnissen im Irrenhaus Familie. Sie ist ihr entwachsen und bleibt ihr doch auf ewig verbunden, wie jeder von uns mit seiner Vergangenheit auf eine Weise verstrickt ist, die sich manchmal nur erahnen lässt.

Julia Franck: "Welten auseinander".

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021.

369 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Elenchen_h am 13.05.2023
Julia wird in Ostberlin geboren. Von Anfang an sind sie und ihre Zwillingsschwester auf sich allein gestellt, werden kurz nach der Geburt in eine Pflegefamilie gegeben, in der sie geliebt und umsorgt werden, nur um kurze Zeit später wieder aus dieser vertrauten Umgebung herausgerissen zu werden. Was folgt sind 8 Jahre zwischen Tagesmüttern und Kinderheimen, bis ihre Mutter beschließt, in den Westen zu fliehen. Julia, ihre drei Schwestern und ihre Mutter landen zunächst im Notaufnahmelager Marienfelde, kurze Zeit später zieht die Familie auf einen alten Bauernhof in Schleswig-Holstein um. Julia fehlt so vieles: Allem voran Liebe und Geborgenheit, aber auch ein Rückzugsort, Stille, Stabilität. Mit 13 Jahren gelingt es ihr, sich aus dem Chaos des Bauernhofs zu befreien, sie zieht nach Westberlin - doch die Scham über ihre Herkunft und die Sehnsucht nach Ruhe bleiben. Bis sie Stephan trifft, in dem sie endlich Leben und Liebe findet.In "Welten auseinander" schreibt Julia Franck autofiktional über die ersten rund 20 Jahre ihres Lebens, sie verarbeitet eine turbulente, schmerzhafte Kindheit und große Verluste. Diese bewegten Jahre skizziert sie nicht chronologisch, vielmehr nimmt sie aus der Rahmenhandlung ihrer Beziehung mit Stephan immer wieder Abzweigungen in die Vergangenheit, stellt ihre verschiedenen Familienmitglieder vor, erzählt anhand von Tagebucheinträgen von ihren Gedanken aus dieser Zeit. Das Schreiben war Julias Anker, die Flucht in Fantasiewelten ihr Ausweg aus der Kälte und dem erzieherischen Versagen der Erwachsenen um sie herum. Durch diese Erzählweise ist es mir manchmal schwer gefallen, am Geschriebenen dran zu bleiben, gerade weil ich die Rahmenhandlung um Julia und Stephan lange Zeit nicht mochte, der Kreis schließt sich erst am Ende des Buches. Auch die Fülle an Figuren hat mir nicht gefallen, viele von Julias Verwandten, gerade aus älteren Generationen, blieben doch sehr blass. Nichts desto trotz bin ich beeindruckt, sowohl von der jungen Julia, als auch von der Autorin, die so mutig ihre Geschichte erzählt. Kein leichtes Buch, aber eins, das man so schnell nicht vergisst.
LovelyBooks-BewertungVon leselea am 01.04.2023
"Die Zusammenballung des Tragischen und wie es sich von einer Generation in die nächste ausbreitete, uns prägte, jeden für sich, in mir und meinem Gedächtnis Raum griff, schien mir für Literatur zu viel, eine Zumutung." (S. 254) - So sinniert die Protagonistin in Julia Francks autobiografischen RomanWelten auseinanderüber den Vorschlag einer mütterlichen Freundin, die eigene Kindheit und die Familiengeschichte zum Thema eines literarischen Textes zu machen und entscheidet sich gegen eineerzählerische Verarbeitung des eigenen Lebens.Vorerst. Denn Jahre später, genauer gesagt im Jahr Herbst 2021, "beglückt" Frau Franck die Leserschaft dann doch mit einem neuenWerk, das zwar als Fiktion gekennzeichnet ist, dessen Inhalt aber auffällig viel mit dem Leben von Julia Franck gemeinsam hat, wie ein rasches Überfliegen des Wikipedia-Artikels deutlich macht.Und so erzählt sie nun vom Aufwachsen als Tochter einer Mutter, die zwar insgesamt über die Jahre 5 Kinder gebärt, sich aber der Mutterrolle gänzlich entzieht. Beinahe verwahrlost, vor allem aber auf sich selber gestellt wächst Protagonistin Julia mit ihren vier Schwestern auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein auf, nachdem die Familie zuvor offiziell aus der DDR ausgereist ist. Armut, Dreck, Lärm und Gleichgültigkeit prägen die frühe Kindheit genauso wie die Zerrissenheit zwischen Ost und West. Im Osten befindet sich immer noch die Großmutter, eine kämpferische Kommunistin, die tief von der deutschen Geschichte geprägt ist; im Westen - genauer West-Berlin - baut sich der Teenager ein Leben unabhängig ihrer Kernfamilie auf, macht Abitur, studiert, verliebt sich und hält sich dabei mit Gelegenheitsjobs über Wasser.Sicherlich Julia Francks Leben, aber auch das ihrer Vorfahren, bietet einen guten Stoff für eine Erzählung - einenStoff, wie ihn eben nur das Leben schreibt.Doch leider kam von der Tragik, den emotionalen Verletzungen, aber auch den politisch-historischen Dimensionen, die dieser besonderen Familie zugrunde liegen, nur wenig bei mir an. Francks Stils, der vermutlich als analytisch-sezierend angelegt ist, istdistanziert und unnahbar, die Geschichte der Familie wird immer wieder auf Kurzbiografien und reines Namedropping reduziert,die Darstellungen der kindlichen Lebenswelt wiederholen sich und nutzen dabei ab.Zudem verwendet Franck eine Sprache, die zwar poetisch wirkt, in Verbindung mit des Inhalts aber gespreizt daherkommt: Kunstvoll soll die eigene Vergangenheit geborgen werden, dabei vergrößert die Erzählstimme aber kontinuierlich die Distanz zwischen literarischem Bericht und Erlebniswelt.Vielleicht ist mein Problem, dass ich bis aufDie Mittagsfraunie etwas von Frau Franck gelesen habe und meine Neugier auf die Person hinter diesem Erfolgsroman gering war.Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, was es mich eigentlich angeht, was ist dieser Familie passiert ist.Zwar verzichtet Julia Franck auf einen anklagenden Ton, inhaltlich wäscht sich dennoch die dreckige Wäsche ihrer Familie vor einem Millionenpublikum - und dies in ermüdender Wiederholung. Interessant wird der Roman nur n den Stellen, wenn die Erzählerin reflektiert, wie dieses besondere Aufwachsen sie zum Schreiben gebracht hat: Hier liegt die Stärke der Geschichte und der vielversprechendeAnsatz für eine besondere Coming-of-Age-Story, der jedoch nicht genutzt wurde.Welten auseinanderist ein persönliches Buch, in dem Frau Franck sicherlich vieles verarbeiten konnte. Ich persönlich hatte von diesem erzählten Leben jedoch nichts, für mich bleibt esein über 350 Seiten langes Um-sich-selber-Kreisen.