Der Roman "La Louisiane" von Julia Malye behandelt eine historische Epoche, die im allgemeinen Bewusstsein wahrscheinlich nicht so präsent ist. Es geht um die französische Kolonialzeit in Nordamerika. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ließen sich im Mississippi-Delta französische Kolonialisten nieder und gründeten hier eine Stadt, die sie Nouvelle-Orléans nannten. Um die Kolonie zu vergrößern, wurden Frauen aus Frankreich in die neue Welt gebracht, um dort mit den neuen Siedlern Familien zu gründen.
Der Roman beginnt genau mit der Ankunft der Frauen in der neuen Welt. Nach dreimonatiger Überfahrt setzen sie erstmals ihren Fuß auf amerikanischen Boden. Wir erfahren dann in einer Rückblende, wer die Frauen sind und warum sie sich auf die beschwerliche Reise gemacht haben. Es handelt sich um Frauen unterschiedlichen Alters, die in der berüchtigten Salpetriere in Paris eingesperrt gewesen sind. Die Salpetriere war Besserungsanstalt, Gefängnis und Waisenhaus in einem. Die Lebensbedingungen waren äußerst schlecht. Die Aussicht auf Freiheit war deswegen für die Frauen mehr als verlockend, auch wenn sie nicht wussten, wer und was sie in der neuen Welt erwartet.
Die Hauptfiguren in dem Roman sind vier junge Frauen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen. Da ist die 12 jährige Charlotte, die als Waisenkind ihr ganzes Leben in der Salpetriere verbracht hat und nichts anderes kennt. Ihr zur Seite steht Étiennette, die so etwas wie eine Schwester für Charlotte ist. Geneviève hingegen ist eine Insassin des Gefängnisses. Mit ihrer Familie musste sie einen harten sozialen Abstieg ertragen. Sie kennt sich gut mit Pflanzen aus und ist in der Anstalt gelandet, weil sie Frauen geholfen hat, ungewollte Schwangerschaften zu beenden. Und dann ist da noch die schweigsame Petronille mit einem seltsamen Mal im Gesicht, die sehr gepflegte Umgangsformen beherrscht und zu den anderen eher auf Distanz bleibt.
Diese vier Frauen begleiten wir auf ihrem Weg in ihr neues Leben. Wer auf eine romantische Geschichte mit Happy End hofft, der wird auf jeden Fall enttäuscht. Das Leben in der Kolonie ist hart, die Männer teilweise brutal. Die Frauen haben schon vorher gelernt, dass sie sich vom Leben nichts erwarten sollen. Sie schlagen sich jede auf ihre Weise durch. Während wir sie begleiten, bekommen wir noch einige Hinweise auf verschiedene historische Ereignisse. Indianeraufstände kommen dabei ebenso vor wie die Ausbeutung der Sklaven.
Ich habe den Roman mit gemischten Gefühlen beendet. Einerseits fand ich es spannend, etwas über die französische Kolonialzeit zu erfahren. Eindrucksvoll schildert die Autorin die miserablen Wohnverhältnisse, das feuchte, schwüle Wetter und die Schwierigkeiten, mit denen die Menschen zu kämpfen hatten. Andererseits hat sie sehr viel in diesen Roman hineingepackt, sodass manche Figuren platt bleiben. Étiennette verschwindet z.B. völlig von der Bildfläche. Es entwickelt sich auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei der Freundinnen, was es meines Erachtens auch nicht gebraucht hätte. Schließlich bekommen auch die Ureinwohner ihren Platz, werden für meinen Geschmack aber zu klischeehaft dargestellt.
Im Nachhinein muss ich gestehen, dass das Lesen sich stellenweise gezogen hat. Dennoch sind manche Bilder sehr eingängig gewesen. Außerdem hat sich bei genauerer Recherche herausgestellt, dass viele Ereignisse, die im Roman geschildert werden, historisch belegbar sind. Das macht für mich einige Schwächen wett.