Wofür hat man denn Freundinnen? Eine Geschichte über weibliche Solidarität von der Autorin von Der Report der Magd
Ein schwüler Tag in Toronto bei Crackern und reichlich Gin Tonic. Drei reizende alte Damen wissen, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, eine Freundin zu rächen. Deren erfolgreiche Romane wurden von einer neidischen Männer-Clique einst derart verrissen, dass sie unter einer Schreibblockade litt. Die Übeltäter sollen nun alle sterben - aber wie ermordet man den ersten so, dass die anderen ahnen, bald der Nächste zu sein? Dass sie es mit der Angst bekommen, während einer nach dem anderen stirbt? Die Polizei aber ahnungslos bleibt, wer hinter dieser Mordserie steckt? - Margaret Atwood in Hochform!
Besprechung vom 07.04.2025
Frauen, die gären, sind gefährlich
Literatur mit Todesfolge: Margaret Atwood lässt drei Professorinnen auf Rache für eine Rufmordkampagne sinnen
Rache, so wird gern behauptet, solle man am besten kalt servieren. Margaret Atwood empfiehlt dazu kühle Drinks und Käsecracker: "Leonie trinkt Gin Tonics. Chrissy hat eine Weißweinschorle, Myrna eine Cola Light, weil sie sich während dieser Treffen keinen Gehirnnebel leisten kann, sie würde sich bequatschen lassen, zum Beispiel dazu, acht Männer zu ermorden, oder waren's neun?"
Unterm Sonnenschirm im Garten arbeiten diese drei ehemaligen Professorinnen darauf hin, eine offene Rechnung ihrer kranken Freundin Fern zu begleichen. Fern hatte Romane geschrieben, die das Publikum liebte. Ihr Erfolg aber kränkte einen Schriftstellerkollegen so sehr, dass er mit seinen Jüngern über mehrere Monate eine Rufmordkampagne initiierte. Fern nahm sich die Schmähkritiken, die ihr mangelndes Talent unterstellten, so sehr zu Herzen, dass sie nicht mehr schreiben wollte. Sogar ihre Gesundheit litt darunter; zumindest legen ihre Freundinnen die schlechte körperliche Verfassung der früheren Autorin dem eitlen Kollegen und seiner Entourage zur Last und sinnen auf Vergeltung.
Myrna ist dabei noch die Rationalste. Dass aber nicht einmal ihr mehr ganz klar ist, wie viele Typen nun an dem Komplott beteiligt waren (die Formulierung "acht, oder waren es neun?" zieht sich durch die Geschichte), zeigt auch, wie lange der Fall mittlerweile zurückliegt. Dem Eifer der drei tut das keinen Abbruch. Wie die drei Hexen in "Macbeth" schmieden sie Pläne, um die Herren ins Unglück zu stürzen. "Von außen muss es nach einem Unfall aussehen, aber denen muss es klar sein!", fasst Myrna den Plan zusammen. Aber wie begeht man einen solchen Mord, ohne dabei selbst in Verdacht zu geraten?
Die kanadische Autorin Margaret Atwood nimmt in diesem schmalen Bändchen drei Charaktere wieder auf, denen man bereits in der Kurzgeschichtensammlung "Hier kommen wir nicht lebend raus" begegnen konnte, die im Herbst 2024 ebenfalls im Berlin Verlag auf Deutsch erschien. Darin spannte sich der Themenbogen vom Älterwerden bis zum Abschiednehmen; die drei Akademikerinnen befassten sich dort mit Intrigen und Liebe. Atwood, die in ihrem feministischen Romanklassiker "Der Report der Magd" 1985 eine düstere Zukunft unter christlich-fundamentalistischer Führung für die USA gezeichnet hatte, ist seit jeher eine fleißige Kurzgeschichtenautorin. In "Hieb und Strich" behält sie den lockereren Ton bei, der bereits in der letzten Sammlung anklang, und mischt ihn mit bitterbösem Humor zu einer Kriminalerzählung.
Dabei spielt sie ein Thema durch, das nicht nur Autorinnen ihrer Generation umtreibt - die Anerkennung ihres Schaffens im Literaturbetrieb. Die amerikanische Schriftstellerin Joana Russ thematisierte die Schwierigkeiten von Autorinnen bereits zwei Jahre vor Erscheinen von Atwoods Klassiker 1983 in scharfem Ton in der Form des sarkastischen Handbuchs "How To Suppress Women's Writing". Atwood zeigt nun, dass die Wut über Dünkel und ungleiche Behandlung sich auch im Alter nicht legt, etwa wenn sie ihre Myrna sagen lässt: "Kein Wunder, dass die Leute, früher, zu Zeiten des großen Hexen-Grillens, Angst vor alten Frauen hatten. Sie haben ein Leben lang vor sich hin gegärt."
Dieser Gärungsprozess setzt nun giftige Gase frei. Und so bekommt bei den Gartengesprächen nicht nur der Literaturbetrieb seine Breitseite weg. Auch über die Generationenkonflikte am Universitätscampus lassen sich die Freundinnen aus, während sie Yak-Käsewürfel gustieren: "Gott sei Dank haben sie drei gerade noch rechtzeitig das Rentenalter erreicht! Wer will heutzutage noch an einer Uni lehren? Werden Professoren nicht beim kleinsten verbalen Vergehen von den Studierenden angeschwärzt?" Beim Palaver über Lektüredebatten im Seminar kommen die drei zur alten Frage, ob man nun gute oder erbauliche Kunst vermitteln wolle.
Derlei grundsätzliche Überlegungen zu Kulturfragen flicht Atwood ganz nebenbei ins Gespräch ihrer Damen. Das Ergebnis ist unterhaltsam, so, als würde man den amerikanischen Cousinen von Miss Marples Nachbarinnen dabei zuhören, wie sie sich erst über soziale Missstände auslassen, um dann über die beste Methode zu beratschlagen, mit der sie die Herren endgültig um die Ecke bringen können: "Ein Radio in die Badewanne zu schmeißen, klingt nach einer simplen Idee, bis man sich klar macht, dass man dazu erstmal in die Wohnung und das Badezimmer gelangen müsste." Herkömmliches wird schnell verworfen: "Waffen kommen auch nicht infrage: Es fehlt ihnen an Schießerfahrung, zudem haben alle inzwischen Augenprobleme, hier grauer Star, dort Astigmatismus." Wofür sie sich dann entscheiden, zeigt, dass sie ihre Rache doch nicht so kalt serviert sehen wollen wie ihre Gin Tonics. MARIA WIESNER
Margaret Atwood:
"Hieb und Strich". Story.
Aus dem Englischen von Monika Baark. Berlin Verlag, Berlin 2025.
64 S., geb.
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