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Reichskanzlerplatz

Roman | Ein intensives Porträt der Frau, die Magda Goebbels wurde | Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024

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»Ein furchtloser Roman über Mittäterschaft und darüber, wie aus dem kleinen Bösen das große Böse wächst. Kann man denn über das 'Dritte Reich' erzählen? Die Frage wird oft gestellt, nicht zu Unrecht. Nora Bossong beantwortet sie mit diesem großartigen Buch, indem sie es tut - vielschichtig, besonnen und erbarmungslos.« Daniel Kehlmann

Als Hans die junge und schöne Stiefmutter seines Schulfreunds Hellmut Quandt kennenlernt, ahnt er noch nicht, welche Rolle Magda in seinem Leben spielen wird, für ihn persönlich, aber auch Jahre später als fanatische Nationalsozialistin und Vorzeigemutter des »Dritten Reichs«. Noch ist die Weimarer Republik im Aufbruch und Hans so heftig wie hoffnungslos in Hellmut verliebt. Doch nach einem Unglücksfall beginnen Hans und Magda eine Affäre, von der sie sich Trost und Vorteile versprechen: Sie will aus ihrer Ehe ausbrechen, er seine Homosexualität verbergen. Erst als Magda Joseph Goebbels kennenlernt und der NSDAP beitritt, kommt es zwischen Hans und ihr zum Bruch. Während Magda mit ihren Kindern bald in der Wochenschau auftritt, gerät Hans zunehmend in Gefahr. Ein Roman, der über zwanzig Jahre den Weg zweier Menschen und eines Landes erzählt, der nicht unausweichlich war.

Nora Bossong zeichnet in ihrem neuen Roman das intensive Porträt der Frau, die Magda Goebbels wurde, und ihres jungen Liebhabers. Zwei Menschen in der Maschinerie der historischen Ereignisse, unterschiedlich verstrickt, unterschiedlich schuldig geworden. Auch an sich selbst.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
12. August 2024
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
296
Autor/Autorin
Nora Bossong
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
406 g
Größe (L/B/H)
209/130/30 mm
ISBN
9783518431900

Portrait

Nora Bossong

Nora Bossong, 1982 in Bremen geboren, schreibt Lyrik, Romane und Essays, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde, zuletzt mit dem Joseph-Breitbach-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis. Nora Bossong lebt in Berlin.

Pressestimmen

»Nora Bossong traut sich was.« Tilman Krause, DIE WELT

»... schon deshalb lesenswert, weil er packende Einblicke in eine ebenso rätselhafte wie spannende Epoche zu geben weiß.« Philip Aubreville, Berliner Zeitung

»Wie Leuchtraketen platziert sie Sätze.« Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau

»[Das] Porträt der deutschen Gesellschaft in prekärer Zeit, [die] Studie eines autonom scheinenden Charakters, der sich den Autoritäten beugt. Und der das weiß, weshalb der Zweifel auch ihm selbst gelten muss.« Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Nora Bossong hat mit Reichskanzlerplatz einen preiswürdigen Roman geschrieben ...« Carsten Otte, taz. die tageszeitung

»Unbeschadet der beeindruckenden Sensibilität, mit der Bossong immer wieder die menschliche Fähigkeit zu verletzen und verletzt zu werden, literarisch herausgearbeitet hat: Ihr Werk ist eben auch von einer trotzigen Hoffnung durchzogen.« Karl Tetzlaff, Zeitzeichen

» Reichskanzlerplatz ist deshalb nicht nur eine literarische Aufarbeitung des Nationalsozialismus, sondern mehr noch ein bedeutsamer Beitrag zu aktuellen politischen Debatten in Deutschland und Europa.« Dr. Thorsten Stegemann, Kulturabdruck

Besprechung vom 10.08.2024

Gebannt vom Meisterspiel der Täuschung

Namen werden getragen wie Masken: Nora Bossongs "Reichskanzlerplatz" erzählt von noch viel mehr als Magda Goebbels.

Das Buch ist 126 Seiten alt, da taucht er doch noch auf: "Seine Miene ist nicht so düster wie auf den Plakaten, er lauscht aufmerksam der Musik, tritt einen Schritt näher und blickt mir über die Schultern auf die Finger. Schubert, sage ich. Es geht zu Herzen, antwortet Hitler."

Natürlich war er zuvor schon immer präsent, denn wer einen Roman über eine der prominentesten Frauen der NS-Zeit schreibt, setzt dessen Handlung unvermeidlich in den Schatten Hitlers. Aber als er dann persönlich auftritt, lang erwartet, doch zuvor nie erwähnt, ist das ein kleines Virtuosenstück, weil es eben so beiläufig geschieht. Wobei Nora Bossong um die Wirkung nur zu genau weiß, platziert sie den zitierten Auftritt doch am Ende eines Kapitels, sodass der Name nachhallt in die Zäsur der Lektüre.

"Reichskanzlerplatz" heißt ihr Roman, und schon der Titel könnte die Erwartung wecken, es ginge um Hitler. Aber das ist eine der vielen geschickten Täuschungen in Bossongs literarischem Spiel, denn der Reichskanzlerplatz in Berlin hatte mit der NS-Regierung gar nichts zu tun - die benannte ihn sofort 1933 um in Adolf-Hitler-Platz, weil der alte Name auch die Regierungschefs aus den von den Nazis als "Systemzeit" geschmähten anderthalb Jahrzehnten der Republik ehrte. Nach dem Krieg bekam der Platz seine alte Bezeichnung zurück, ehe er 1963 dann jenen Namen erhielt, unter dem er sich zum Verkehrsknotenpunkt von Westberlin entwickelte: Theodor-Heuss-Platz. Aber dass diese neuralgische Adresse nun einen Romantitel abgibt, verdankt sich allein einer Anwohnerin, die dort 1931 einzog. Und so ist der von Nora Bossong für ihre Geschichte gewählte Titel genauso ein reines Stimmungsphänomen wie der Auftritt Hitlers.

Der Name der Anwohnerin am Reichskanzlerplatz? Sie trug viele. Als sie einzog, hieß sie Magda Quandt, bald danach Magda Goebbels, geboren wurde sie 1901 unter dem Familiennamen ihrer damals unverheirateten Mutter, Behrend, nach deren Eheschließung wurde daraus Friedländer und 1920 Ritschel (der Name des biologischen Vaters von Magda, denn einen jüdisch klingenden wollte sie nicht mehr). Diese Frau wechselte ihren Namen noch häufiger als der Reichskanzlerplatz. Und doch ist auch sie nicht die Hauptfigur dieses Romans.

Das scheint Hans Kesselbach zu sein, ihr sieben Jahre jüngerer Geliebter und der Icherzähler von "Reichskanzlerplatz". Magda Quandt lernte er als Gymnasiast kennen, weil sie die Stiefmutter eines Klassenkameraden war, in den er sich verliebte, und die gleichzeitige Faszination des homosexuell affizierten Halbwüchsigen für die noch junge Frau macht Bossong mehr durch dessen Irritation als durch juvenile Schwärmereien deutlich. Er beobachtet diese Dame der Gesellschaft, reich verheiratet und von den beiden Freunden mit der erotisch konnotierten Bezeichnung "Madame Quandt" bedacht, die wie auf einer Bühne agiert - der geliebte Freund sagt über seine Stiefmutter, "dass Madame Quandt auch unseren Namen nur wie eine Maske trägt". Das ist schon auf Seite 17 des Romans zu lesen, auch an einem Kapitelende. Und so ist früh der Ton gesetzt für das, was von Hans Kesselbach über Magda Quandt/Goebbels erzählt wird. Und über sich selbst.

Nora Bossong war mit ihrem Vorgängerroman "Schutzzone" vor fünf Jahren die literarische Aufsteigerin in Deutschland: Kranichsteiner Literaturpreis, Wilhelm-Lehmann-Preis, Thomas-Mann-Preis, Joseph-Breitbach-Preis - alles innerhalb nur eines Jahres. "Schutzzone" erzählte aus der Perspektive einer Mitarbeiterin der Vereinten Nationen über das Dilemma, Politik, Moral und Privates in Übereinstimmung zu bringen. Das hätte auch das Grundthema von "Reichskanzlerplatz" werden können (und der Klappentext behauptet so etwas Ähnliches), aber Bossong ist an anderem interessiert: der allmählichen Verfertigung einer Persönlichkeit beim Leben. Und einem Sittenbild (im buchstäblichen Sinne) aus nachtschwarzer Epoche. Die eigentliche Hauptfigur dieses Romans ist eine imaginäre: das Fremdbild einer Frau, das nichts zu tun hat mit deren Realität. Und deshalb vom Urheber auch immer wieder selbst in Zweifel gezogen wird. "Weniges wollen wir so sehr wie betrogen werden", sagt sich der Icherzähler, "und Meisterschaft bedeutet ja nichts anderes, als zu wissen, wie man täuscht."

Das gilt auch für Nora Bossong. Ihr Hans Kesselbach sieht die charakterlichen Schwächen von Magda Quandt schon, bevor sie Magda Goebbels wird. Aber es rettet ihn nicht: Bossong beschreibt die charakterlichen Schwächen ihres Icherzählers. Denn der ist zwar ein Außenseiter, passt sich aber doch ins Gefüge seiner jeweiligen Umgebungen ein und gibt eigene Überzeugungen auf, wenn es die Umstände erfordern. So wird "Reichskanzlerplatz" zum Porträt der deutschen Gesellschaft in prekärer Zeit, zur Studie eines autonom scheinenden Charakters, der sich den Autoritäten beugt. Und der das weiß, weshalb der Zweifel auch ihm selbst gelten muss.

In gewisser Weise ist Hans Kesselbach als literarische Figur dadurch ein Erbe Adrian Leverkühns. Man kann sagen, dass Nora Bossong als seit Langem in Berlin lebende Autorin über große Kenntnisse der Hauptstadt verfügt, die ihrem Buch zugutekommen, die Sprache aber aus Lübeck hat - in ihrer Dankesrede zum Thomas-Mann-Preis gab sie eine Liebeserklärung ans literarische Vorbild des Namensgebers der Auszeichnung ab (F.A.Z. vom 14. Juni 2021). Der Tonfall ihrer Prosa in "Reichskanzlerplatz" ist erkennbar daran geschult - was sich ja auch stilistisch angesichts der Handlungszeit auch anbietet. Wobei die Prosa allerdings auch bisweilen in ein Thomas Mann fremdes hohles Pathos abgleitet: "Ich spürte jenen dunklen Sog, den Schwindel beim Blick in den Abgrund, der uns entsetzt und dem wir uns deshalb umso hemmungsloser hingeben, und im Fallen stoßen wir an die grausamen Mächte in uns."

Zum Zeitpunkt der Handlung, als dieser Satz fällt, ist Magda Quandt mit Joseph Goebbels verheiratet. Diese durch die hohe Zahl der gemeinsamen Kinder (fünf Töchter, ein Sohn) und deren schreckliche Schicksale (vor dem Suizid ihrer Eltern wurden sie alle im Berliner Führerbunker vergiftet) seinerzeit wie heute prominenteste Familie des "Dritten Reichs" spielte vor fast dreißig Jahren schon einmal eine Rolle in einem herausragenden deutschen Roman: Marcel Beyers "Flughunde" aus dem Jahr 1996. Bossong nun nimmt nicht nur eine Fokussierung auf Magda Goebbels vor, sondern sie spart auch das Ende der Familie aus; die erzählte Geschichte endet 1944. Das ist mutig, denn die erwartbare Katharsis des Untergangs entfällt. Auch darin erliegen wir einer meisterhaften Täuschung.

Nora Bossong hat ihren Erzähler an einer realen Person orientiert: Fritz Gerber, einem Liebhaber Magda Goebbels, über den wenig bekannt ist. Wie auch so ziemlich alles, was im Roman von Magda Goebbels berichtet wird, jene Lücken füllen muss, die dieses Leben hinterlassen hat - es gibt außer ihrem Abschiedsbrief keine schriftlichen Selbstzeugnisse.

Diesen Brief schrieb sie ihrem an der Front stehenden Sohn aus erster Ehe. Harald Quandt sollte nach 1945 einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftskapitäne werden, aber darüber verliert "Reichskanzlerplatz" nur zwei Sätze, allerdings seine beiden letzten. Was Nora Bossong an den Schluss ihrer Abschnitte setzt, verdient Beachtung. Denn dort eröffnet sie weitere Erzählungen, die über den eigentlichen Inhalt ihrer Geschichte hinausgehen. ANDREAS PLATTHAUS

Nora Bossong:

"Reichskanzlerplatz".

Roman.

Suhrkamp Verlag,

Berlin 2024.

296 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Von Linda Nicklisch am 09.09.2024

Interessant aber distanziert

"Die Deutschen haben die Demokratie so schnell vergessen, wie eine Vokabel aus ihrer Schulzeit. Das hier hat sich besser durchgesetzt, gefressen werden muss immer." (S. 261) Dies ist ein Buch über Magda Göbbels aber es ist auch kein Buch über Magda Göbbels. Und um eins vorwegzunehmen, es ist keine Biographie. Was wusste ich zuvor über diese Frau. Das sie die Frau an der Seite Josef Göbbels war. Dass sie Hitlers deutsche Vorzeigefrau und -Mutter war. Dass sie ihre Kinder umgebracht hat. Über die Zeit vor Josef Göbbels und vor dem Nationalsozialismus wusste ich wenig. Das Buch setzt früh an, wir erfahren von dem jüdischen Stiefvater, von ihrer Ehe mit Industriellen Quandt, von ihren Liebeleien außerhalb der Ehe. Dennoch bleibt Magda in diesem Buch eine Randfigur, die mal mehr, mal weniger Raum einnimmt. Erzählt wird aus Sicht von Hans. Hans, der die Quandts bereits als Kind kennenlernt und sich in Hellmuth verliebt, seinen Schulkameraden und Stiefsohn Magda Göbbels, damals noch Quandt. Hans ist auch von der Stiefmutter fasziniert, die zwar den Prestige der reichen Ehe genießt aber sonst in ihr nicht glücklich zu sein scheint. Von Anfang an ist da eine fehlende Wärme von dieser Frau zu spüren. Wobei es vermutlich auch gar nicht möglich ist, etwas über sie zu lesen und dabei unbelastet zu sein. Hans unerwiderte Verliebtheit zu Hellmuth nimmt ein vorzeitiges Ende, als Hellmuth einer verschleppten Krankheit erliegt. Hans und Magda entwickeln ein Verhältnis miteinander, bis Josef Göbbels in Magdas Leben tritt. Der Kontakt zu Magda bleibt dennoch über die Jahre bestehen. Die Beziehung, die die beiden miteinander haben, lässt sich nur schwer definieren. Und auch Hans bleibt mir als Leserin distanziert. Man erahnt, dass seine Homosexualität zur Gefahr werden könnte, aber diese wird selten greifbar. Zu sehr scheint es, dass er doch ein recht privilegierten Leben führen kann. Für mich bleibt es unverständlich, wie trotz des Wissen was um ihn herum geschieht, weiter als Beamter für das System arbeiten kann. Hans hat es so nicht unbedingt gegeben. Die dichterische Freiheit dieser Person ist passend. Der Schreibstil ist literarisch aber dennoch flüssig. Ich fand es interessant zu lesen und habe viel erfahren. Für mich ein gutes Buch etwas über Magda Göbbels zu erfahren, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Für mich an Wissen tatsächlich auch ausreichend, für andere schließt sich vielleicht besser eine Biographie ein. Ob es für sie Shortlist reicht, kann ich nicht sagen. Mir fehlen (noch) die Vergleiche.
Von Tschy am 05.09.2024

Magda und Hans

Magda Goebbels, eine junge Frau, ist mit dem Großindustriellen Günther Quandt, der sehr viel älter ist als sie, verheiratet. Helmut Quandt, der Sohn von Günther Quandt aus erster Ehe, hat eine sehr innige Beziehung zu seiner Stiefmutter. Sein bester Freund. Hans hat eigentlich homosexuelle Neigungen, fängt aber nach dem Tod seines Freundes Helmut eine Affäre mit Magda Goebbels an. Das Buch begleitet Hans und Magda ungefähr 20 Jahre durch ihr Leben und ist geprägt vom Verfall der Weimarer Republik und dem Aufstieg der Nationalsozialisten. Es ist toll zu sehen, welche Rollen, Magda und Hans dann im Gebilde von Hitlers Größenwahn einnehmen. Später im Buch wird Magda Mitglied der NSDAP und lernt ihren späteren Ehemann Josef Goebbels kennen. Dadurch kommt es zum Bruch zwischen Hans und ihr. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es stellt die historischen Ereignisse auf sehr interessante Weise dar Man sieht auch, wie schwer die einzelnen Rollen sind. Magda möchte aus ihrer Ehe ausbrechen, Hans möchte seine Homosexualität verbergen und beide machen sich schuldig auch an sich selbst. In welchem Ausmaß dies geschieht, bleibt dem Leser selber überlassen dies zu beurteilen. Das Buch regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und ist für jeden geeignet, der sich gerne mit historischen Romanen beschäftigt.