¿Der Bahnhof war einer der hässlichsten der Stadt, trotzdem mochte sie ihn; wenn sie Berlin verließ oder zurückkehrte, war es fast immer der Bahnhof Zoologischer Garten, in dem sie ein- oder ausstieg. Und die Gedächtniskirche sagte ihr jedesmal: Du bist wieder da, bist wieder in Berlin, mein Kind.' (Seite 29)September 1938: Gereon Rath ist mit einem gefälschten US-amerikanischen Pass wieder nach Deutschland gereist, da sein Vater im Sterben liegt. Er und Charly sind wieder vereint - zumindest alle vier Wochen, wenn sie sich heimlich und unter falscher Identität in einem Hotel treffen. Gereon gilt nach wie vor als tot, muss sich verstecken, am besten so schnell wie möglich das Land wieder verlassen, fühlt sich aber wegen seines Vaters, der doch nicht so schnell stirbt wie gedacht, noch gebunden an Deutschland. Charly möchte lieber früher als später in die USA ausreisen, solange das noch möglich ist und bevor es zum Krieg kommt.Während das Paar diesen Konflikt austrägt, überschlagen sich in Berlin die Ereignisse: Hannah Singer wird für eine Ovarektomie ins Krankenhaus gebracht und stirbt auf dem OP-Tisch. Fritze Thormann läuft wieder von seiner Pflegefamilie weg und taucht unter. Charly wird von Herrmann Göring persönlich eine Stelle als Oberkommissarin bei der Weiblichen Kriminalpolizei angeboten. Und dann werden zwei tote Hitlerjungen in der Stadt gefunden.Ich liebe die Reihe um Gereon und Charly Rath sehr, habe sie mehrmals gelesen und gehört, kenne und mag auch die Serie ¿Babylon Berlin', obwohl diese ganz anders als die Buchreihe ist. Vor ein paar Wochen habe ich nochmals den neunten Band als Hörbuch gehört, um meine Erinnerungen aufzufrischen.Der zehnte Band ist ein würdiger und grandioser Abschluss der Reihe, in dem Volker Kutscher noch einmal zeigt, was er kann: die Stimmung im Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg perfekt einfangen, eine ebenso fesselnde wie berührende Geschichte erzählen, Realität und Fiktion so gekonnt miteinander verweben, dass man sich beim Lesen/Hören vor Ort fühlt und seinen Roman beinahe als wahre Geschichte erlebt, die Reichspogromnacht 1938 so lebendig und überzeugend schildern, dass man beim Lesen und Hören Gänsehaut bekommt, die Reihe ebenso virtuos wie ergreifend abschließen.Kutscher thematisiert historische Ereignisse wie die Annexion des tschechoslowakischen Sudetenlandes durch das Deutsche Reich und die Reichspogromnacht, markiert den immer stärker ausgeprägten und salonfähigen Antisemitismus, schreibt über Euthanasie, über Bedrohungserleben und die politische Durchsetzung sämtlicher Lebensbereiche.Ich wollte gar nicht, dass das Buch (und damit die Reihe) endet und habe deshalb nach dem Lesen noch das Hörbuch gehört. David Nathan liest gewohnt anspruchsvoll und ist meiner Meinung nach der beste Hörbuchsprecher überhaupt. Seine sehr eindringliche Stimme passt wirklich perfekt zu Kutschers Romanen, und er fängt die Stimmung in den Romanen perfekt ein.Ich freue mich schon darauf, die Reihe in einer Weile nochmals zu lesen oder zu hören. Dies ist mit Abstand meine liebste Buchreihe, und jeder, der sich für das Berlin zwischen den beiden Weltkriegen interessiert, muss unbedingt Kutschers Reihe lesen!