Zitat: Die Geschichte vergisst nichts, nur die Menschen Seite 561!
Was für ein grandioses, intensives und unter die Haut gehendes Leseerlebnis! Wieder einmal hat Bettina Storks mit ihrem Roman Die Schwestern von Krakau ein wahres Meisterwerk erschaffen und mich mit ihrer Schreibkunst tief beeindruckt! Auf den Leser wartet eine hervorragend aufgebaute, durchdachte und exzellent recherchierte Geschichte, die unglaublich atmosphärisch ist, voller emotionaler Szenen steckt und mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann gezogen hat. Ein Roman gegen das Vergessen, der einem betroffen und sprachlos macht, zu Tränen bewegt und berührt, zum Nachdenken und Reflektieren anregt und einen dankbar macht im Jetzt leben zu können. Die faszinierenden und authentisch dargestellten Charaktere, die die Autorin so facettenreich mit all ihren Ecken und Kanten erschaffen hat, haben es mir leicht gemacht ihre Gedanken, Emotionen und Handlungen 1 zu 1 auf mich zu übertragen und das Erlebte hautnah mit ihnen zu teilen. Bettina Storks versteht es einfach mit ihrer unglaublich feinfühligen und sensiblen Art zwischenmenschliche Gefühle zu beschreiben.
Die Hauptschauplätze des Romans sind Krakau und Paris, an denen die Geschichte auf zwei verschiedenen Zeitebenen im Jahr 2017 und der Zeit von 1941-1946 stattfindet und aus der Sicht von Èdith , Tatjana, Lilo, der Widerstandskämpferin Gusta und Simon erzählt wird. Als Simon Mercier 2017 in Paris stirbt, entdeckt seine Tochter Èdith, das ihr Vater ihr einen Teil seines Lebens vorenthalten hat. Auf der Suche nach den deutsch-polnischen Wurzeln ihrer Familie lernt sie ihre Großcousine Tatjana aus Fellbach kennen und beide spüren direkt ein unsichtbares und vertrautes Band zwischen sich. Èdith nimmt ihre Recherche in Paris und Tatjana in Krakau auf und das, was sie auf ihren Reisen dabei Erfahrung bringen, hat mir die besondere Geschichte von Krakau in der Zeit des Nationalsozialismus auf eine neue und ganz andere Weise näher gebracht. Es hat mich beeindruckt, wie intensiv und eindringlich Bettina Storks in Lilos und Gustas Erzählpart das Zusammenleben der damaligen Bevölkerung, zu denen die polnischen und volksdeutschen Bewohner, die Verfolgten, die Widerstandskämpfer und die deutschen Besatzer gehörten, beschrieben hat und dabei deren Angst, Ungewissheit, Entsetzen, Verzweiflung, Leid, Hoffnung, Mut, Kampf um Gerechtigkeit, Identität und Freiheit, die Suche nach Liebe in unheilvollen Zeiten und die Willfährigkeit der Besatzer, zum Ausdruck bringen konnte. Anhand schriftlicher Hinterlassenschaften von historischen Persönlichkeiten hat die Autorin ungeschönt die Ereignisse in Krakau mit der fiktiven Familiengeschichte verknüpft und bei mir so viel Gänsehautmomente ausgelöst und mich sprachlos gemacht. Wie unterschiedlich Menschen mit dem Erlebten umgehen kommt im Buch auch zu Sprache, einige verbannen es aus ihren Gedanken und ihrem Gedächtnis, andere teilen ihre Erfahrungen und Erinnerungen damit sie nicht vergessen werden. Das auch heute noch Spuren, Sünden und Wunden der Vergangenheit in den Köpfen einzelner Menschen und sichtbar im Stadtbild von Krakau sind, fasst die Autorin durch Tatjanas Reisen nach Krakau ebenfalls sehr feinfühlig in Worte.
Sehr ergreifend fand ich die Geschehnisse zum Ende hin, als alle losen Enden langsam zusammengeführt werden und auch die letzten Familiengeheimnisse aufgedeckt wurden.
Mein Fazit:
Ich habe gespürt, wieviel Herzblut, Zeit und Liebe Bettina Storks in diesen Roman hineingesteckt hat. Unendliche Sterne und eine absolute Leseempfehlung gibt es von mir für diesen ganz besonderen Buchschatz, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird!