Der um toxische Beziehungen, Lebenslügen und Manipulationen kreisende Psychothriller "Happy End" ist das literarische Debüt der Psychologin Sarah Bestgen, der ein sehr sensibles Thema in den Fokus rückt.
Das Cover ist minimalistisch gehalten. Auch wenn Grün an und für sich die Farbe der Hoffnung ist, fixiert man sich auf die scharfen Dornen einer unbekannten Kletterpflanze. Man spürt eine latente Gefahr von ihr ausgehen. Der Titel versprüht Zuversicht. Wird es ein Happy end für die Eltern des entführten Kindes geben?
Der Psychothriller spielt in der aktuellen Gegenwart, von Mai 2023 bis September 2024. Im Mittelpunkt steht die junge Familie Winterberg, der erfolgreiche Kinderarzt Mark, die ihre Elternzeit genießende Architektin Isa und das vier Monate alte Baby Ben, die in einem modernen Haus inmitten einer gepflegten Siedlung leben. Ihre kleine Welt scheint heil, alles wirkt harmonisch, bis zur Entführung ihres ersten Kindes, die alles in Scherben legt.
Wow! Selten hat mich ein Psychothriller so gefesselt. Sarah Bestgen gelingt es spielend, eine Achterbahn der Emotionen in Fahrt zu setzen und alle widerstreitenden Emotionen ihrer Protagonistin zu transportieren. Jede Mutter kann sich mit Isa identifizieren, ihre Gedanken und Gefühle von Isa nachvollziehen. Während man ihre Selbstvorwürfe, Angst, Ohnmacht, Wut und Verzweiflung hautnah miterlebt, wirkt Mark kühl und distanziert. Im Gegensatz zu seiner emotionalen Frau ist ihm Kontrolle wichtig, er weicht allen Gesprächen mit seiner Frau aus und rettet sich in seine Arbeit in der Kinderarztpraxis. Der Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei steht er kritisch gegenüber, man hat fast den Eindruck, als ob sie sich zu nahe an sich herankommen lassen möchte, was die Alarmglocken aufschrillen lässt. Weiß Mark mehr, als er zugibt? Kann Isa ihm trauen? Ist er womöglich in das Verbrechen verstrickt?
Spoilern möchte ich nicht, deshalb halte ich mich an dieser Stelle zurück. Auf jeden Fall bleibt der Psychothriller spannend bis zur letzten Seite. Geschickt spielt Sarah Bestgen mit den Erwartungen ihrer Leser*innen, sie treibt ein doppeltes Spiel, indem sie viele (falsche) Fährten legt, die sie gezielt in die Irre führen und an ihrer eigenen Wahrnehmung in Bezug auf die handelnden Personen zweifeln lassen sollen. Die finale Auflösung des komplexen Falles gipfelt in einem (unerwarteten) packenden Show-Down. Für mich war dieser mitreißend geschriebene Psychothriller Nervenkitzel pur. Das literarische Debüt von Sarah Bestgen hat mich überzeugt, und ich freue mich auf ihre weiteren Bücher.