Theodor Storm erzählte einmal seiner Tochter Gertrud: »Mehrere Jahre habe ich meine ganze Freizeit außer der Schule mit der Direktion meines Puppentheaters ausgefüllt. Eine alte Jungfrau half uns die Puppen, die freilich nur von Papier waren, auszuschneiden und Drähte daran zu befestigen. Aber bald genügten mir die Papierpuppen nicht mehr. Ich nähte mit Baumwolle ausgestopfte Puppen von Batist mit kleinen Puppengesichtern. Mutter und Schwester Helene mussten für die Kleider sorgen. U ber die Frauenhaare wurden Mützen genäht und Schnurrbärte ins Gesicht gemalt, wenn s ein Mann sein sollte. So ging die Aufführung mit großem Beifall vor sich.«
Als wir in der Schule »Pole Poppenspäler« lasen, war ich so begeistert, dass ich wie Theodor Storm begann, mein eigenes Marionettentheater zu bauen, das im Lauf der Jahre auf über 20 Marionetten anwuchs. In der Aula des Gymnasiums hatten wir bereits die Aufführung der Augsburger Puppenkiste von der »Höllenfahrt des Dr. Faust« gesehen, die in Theodor Storms Novelle vorkommt. Ich formte Pappmascheeköpfe aus Zeitungspapier mit Mehlkleister, ich sägte aus Holz die Puppenskelette und Fadenkreuze, verband die Kugel- und Klappgelenke mit Ringschrauben und Stoffbändern und lernte die Singer-Nähmaschine meiner Oma zu bedienen, um die Puppen maßgeschneidert einzukleiden. Nur der Tod blieb nackt, damit man das mit Phosphorfarbe bestrichene Skelett mit Katzenaugen auch im Dunkeln sehen konnte ... Meine ganze Kindheit ersteht bei der Lektüre dieser rührenden Liebesgeschichte wieder auf. Jan Müller. Mit ausführlichem Glossar für den Schuluntericht.