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Eingesperrt!?

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Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt? Ansichtssache! Wer unbedingt in den Alpen klettern, Paris, oder gar New York sehen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer stattdessen die Berge der Hohen Tatra besteigen, im Moskauer Bolschoi-Theater Schwanensee erleben oder am Balaton und am Schwarzen Meer seinen Badeurlaub verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Urlaubserlebnisse. Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser mag selbst entscheiden.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
20. Mai 2019
Auflage
Neuerscheinung
Seitenanzahl
180
Autor/Autorin
Waltraud Seidel
Verlag/Hersteller
Produktart
kartoniert
Abbildungen
1 Farbabb.
Gewicht
209 g
Größe (L/B/H)
204/142/10 mm
ISBN
9783966610483

Portrait

Waltraud Seidel

1942 in Breslau geboren, musste sie als Zweijährige infolge des Krieges aus der schlesischen Heimat flüchten. Im ostthüringischen Altenburg fand die Familie nach monatelangem Umherirren eine zweite Heimat. Hier verlebte sie Kindheit und Schulzeit, die 1960 mit dem Abitur abschloss. An der Universität Leipzig studierte sie Germanistik und Slawistik und schloss 1965 mit dem Staatsexamen als Oberstufenlehrerin für Deutsch und Russisch ab. Nach Eheschließung und Geburt ihrer Tochter folgten wissenschaftliche Aspirantur und Lehrtätigkeit an der Leipziger Universität. 1977 schließlich die Promotion zum Dr. paed. im Bereich des Literaturunterrichts. Bis 1990 Lehrtätigkeit als Dozentin für Literatur am Institut für Lehrerbildung in Altenburg, danach an der dortigen Fachschule für Sozialpädagogik. Schließlich Schulbuchautorin für den Verlag Volk und Wissen/Cornelsen. Als freie Schriftstellerin veröffentlicht sie seit 2014 sowohl Au-tobiografisches als auch Kinderbücher.

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Von TINA am 18.01.2020

Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser soll entscheiden!

Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon - Mit diesen Worten von Augustinus Aurelius leitet Waltraud Seidel ihre Reiseerzählungen ein. Leseratten aber genügt so eine einzige Seite nicht. Und die DDR hatte viele Leseratten. Und kann so eine Leseratten die oberen Regalteile nicht erreichen, so greift sie eben in erreichbare Höhen. Und genau so machten es die Reiselustigen der DDR. Sie bereisten die für sie erreichbaren Weltteile. Wer jedoch für seine Bergtouren unbedingt in die Alpen fahren wollte, Paris, London oder gar New York besuchen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer statt dessen die Berge der Hohen Tatra oder des Riesengebirges besteigen, Prag statt Paris, Krakau statt London besuchen und seinen Badeurlaub am Balaton oder am Schwarzen Meer verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Reiseziele. Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser selbst soll entscheiden. Immer wieder hörte die Autorin im nun vereinten Deutschland, wenn sie von ihren alljährlichen Auslandsreisen erzählte: Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt? Konntet ihr denn so reisen? War reisen denn kein Privileg? Dann war es vielleicht ein Privileg ,einen so engagierten Klassenlehrer zu haben, der für seine Abschlussklasse 1960 eine zweiwöchige Jugendtourist-Reise nach Prag und der Hohen Tatra gebucht zu haben. Fleißig sparen dafür mussten die Schüler selbst durch fleißige Ferienarbeit. Und etwas legten sicher die Eltern dazu, vor Freude über gute Abiturergebnisse ihrer Kinder. Soetwas prägt und die Sehnsucht nach der Ferne bestimmte auch spätere Urlaubsziele. Schließlich die Aufforderung : Schreib das auf! Du bist doch ein Zeitzeuge. Die Reiseerlebnisse erweisen sich als geeigneter Rahmen, in dem die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des DDR-Alltags sowie die Bedürfnise, Freuden und Frustrationen vieler Menschen nacherlebbar werden. Dazu trägt auch der lebhafte, kurzweilige Erzählstil der Autorin bei. Auf einzigartige Weise vermittelt sie ein Stimmungsbild des Alltags in der DDR . Informativ und abwechslungsreich auch die Schilderungen über sehenswerte Landschaften, attraktive Architektur, historisch Bemerkenswertes. Selbst Interessantes aus der Sagenwelt der bereisten Städte und Länder wird nicht vergessen, oft von Fotos unterstützt. Einfach lesenswert für Ost und West, einerseits zum Auffrischen von Erinnerungen, andererseits als Korrektur eines Lebensbildes, entstanden aus einseitigen Informationen, aus Nichtwissen, vielleicht auch aus Desinteresse. Waltraud Seidel zu mir: Ja, unser Leben war problemreich, das alles soll auch nicht vergessen werden. Aber wir lebten auch richtig aktiv, voller Einfallsreichtum, Spaß und Lebensfreude. Und ich möchte nicht, dass all das im Schmutzwasser einseitiger Geschichtsschreibung versinkt. Nun ist der Leser gefragt. Viel Spaß dabei!
Von Sebald am 26.09.2019

Eingesperrt oder eingeschränkt? - Der Leser selbst soll entscheiden

Eingesperrt!? - Reiselust und Reisefrust in der DDR Waltraud Seidel erzählt über Reiseerlebnisse zu DDR-Zeiten. "Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht mur eine Seite davon." Mit diesen Worten des Augustinus Aurelius leitet Waltraud Seidel ihre Reiseerzählungen ein. Wirklichen Leseratten aber genügt diese eine Buch-Seite nicht. Und die DDR hatte viele Leseratten, die das WELT-Buch erkunden wollten und auch erkundet haben. Und kann so eine Leseratte die obersten Regalteile nicht erreichen, dann wählt sie ihren Lesestoff eben aus erreichbarer Höhe. Aber sie liest und liest und liest. Und genau so hatten es die Reiselustigen der DDR gemacht. Sie bereisten die Weltteile, die sie erreichen konnten. "Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt?!" Wie oft wurde das gefragt, wenn sie von ihren vielen Auslandsreisen erzählte. Eingesperrt? Wer unbedingt in den Alpen klettern, wer Paris, oder gar New York sehen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer stattdessen die Berge der Hohen Tatra besteigen, im Moskauer Bolschoi-Theater "Schwanensee" erleben. am Balaton oder am Schwarzen Meer seinen Badeurlaub verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Reiseziele und herrliche Urlaubserlebnisse. Eingesperrt oder eingeschränkt? Ansichtssache! Was musste Walter Janka erdulden, was Wolfgang Harich, Erich Loest, auch Peter Sodann und so viele andere, die wegen sogenannter "staatsgefährdender Hetzte" jahrelang im Zuchthaus, zumeist in Bautzen, tatsächlich eingesperrt waren. Oft vergessen auch, damals gab es in der DDR noch die Todesstrafe. Geboren im Grundübel des Stalinismus wurden derartige Exempel statuiert. Sie gehören zu den schrecklichsten Seiten des DDR-Regimes. Und das erfährt der Leser im ersten Kapitel des Buches. Dem Normalverbraucher in relativ gesicherter Lebensposition wurde das von der Tagespresse als gelungener Sieg gegen gefährliche Feinde des Staates offeriert. Erfolgreich offensichtlich, könnte sonst das Sprachbild vom "DDR-Gefängnis", vom Eingesperrt-Sein so unüberlegt geschwätzig in Diskussionen geworfen werden? Es war in einer Wiener Gesprächsrunde, als Waltraud Seidel von ihren Auslandsreisen erzählt hatte. Von dort die Aufforderung: Das musst du aufschreiben. Wer könne das besser als eine Zeitzeugin, noch dazu eine bewährte Autorin? So ein Mitarbeiter des Wiener Karina-Verlages. Jetzt liegt das Buch vor, erschienen in jenem Wiener Verlag. Spannend und unterhaltsam geschrieben, erlebt der Leser einen beeindruckenden Abschnitt ostdeutscher, ja osteuropäischer Reise-Geschichte. Die Autorin beginnt mit dem Sommer 1960. Achtzehnjährig ging es mit ihrer Schulklasse nach bestandenem Abitur über Prag in die Hohe Tatra ins Internationale Studentenlager. Organisiert von einem großartigen Klassenlehrer, jung, aktiv, reiselustig. "Wie ist die Welt so groß und schön ...", wie oft hatten sie dieses Lied begeistert gesungen. Und es begleitete sie ein Leben lang durch das tschechisch-polnische Riesengebirge, durchs bulgarische Piringebirge, durch ihre einstige schlesische Heimat. Auch durch Warschau, Krakau, Torun, durch Moskau und Leningrad, durch Ungarn, Rumänien bis nach Bulgarien. Endlich dann im Jahre 1990 erfüllte sich ihre jahrzehntelange Sehnsucht: Einmal Wien, einmal vom Stephansdom hineinschauen in das weite Wiener Land. Lebhaft und kurzweilig erzählt, gelingt es, dabei ein diffiziles Stimmungsbild des Lebens in der DDR zu vermitteln. Informativ und abwechslungsreich auch die Naturschilderungen, der Blick in bereiste sehenswerte Städte, in bemerkenswerte Architektur und historisch Wichtiges, interessante Sagenwelten der bereisten Länder. Definitiv gab es sie. die Reisedefizite, darauf verweisen die letzte Worte dieses interessanten, lesenswerten Buches über eine bisher literarisch eher vernachlässigte Seite des DDR-Lebens : Auch wir sind durch die Welt gereist, dazu will ich ergänzen: Unsere Reiselust, sie war grenzenlos, die Reisefreiheit, die hielt sich in Grenzen.