Nachdem ich das erste Kapitel gelesen hatte, in dem eine Allgemeinmedizinerin mittleren Alters die sehr unappetitliche Untersuchung eines Hämorrhoiden-Patienten en detail beschrieb wollte ich das Buch eigentlich mit spitzen Fingern direkt in die Bücherbox entsorgen. Zum Glück habe ich das nicht getan.Mit der Zeit und nach einigen Kapiteln begann mich die ungeschönte Art, wie die Hauptfigur Elin alles und jeden in ihrer Umgebung - einschließlich sich selbst - beobachtet, analysiert und beschreibt, zu fesseln. Normalerweise bewege ich mich ausschließlich im Krimi- und Thriller-Genre - und dieses Buch schien durch seinen Titel und das Cover zunächst eher etwas Kitschiges zu versprechen, was normalerweise nicht mein Fall ist. Doch letztendlich hätte ich wirklich etwas verpasst, wenn ich es nicht zu Ende gelesen hätte.Kurz zum Inhalt: Elin ist verheiratet und arbeitet als Allgemeinmedizinerin in einer Art Poliklinik in Oslo. Ihr Ehemann ist nicht so verkehrt, aber außer für seinen Skilanglauf, den er exzessiv betreibt, interessiert er sich für nichts. Da auch die Patienten nicht immer sehr beglückend auf Elin wirken, erträgt sie ihren Alltag in der Lebensmitte nur noch mit viel Alkohol.Aus Langeweile sendet sie eines Abends ohne große Überlegung eine Freundschaftsanfrage an Björn, ihre Jugendliebe. Björn, ebenfalls verheiratet, jedoch deutlich unglücklicher als Elin, nimmt die Anfrage begeistert an. Bald darauf gibt es ein Treffen - und aus dem Treffen wird eine Affäre...Elin ersetzt eine Sucht durch eine andere - Björn statt Alkohol - aber es geht ihr jedenfalls entschieden besser, und sie kann sich auch von ihren Patienten besser abgrenzen. Ihr Mann merkt lange nichts, da er sich ja eh für nichts interessiert.Als dann die Bombe platzt und Elin vor Verzweiflung in ihrer Praxis schläft, mit ihrem Skelett Tore mehr oder weniger Selbstgespräche führt und sich selbst wie ein Mantra immer wieder vorsagt "Alles wird gut" beginnt das Buch. Dieses erzählt in Ich-Form in Rückblicken die gesamte Geschichte.Die Schreibweise der Autorin ist sehr lakonisch, bisweilen sarkastisch. Viele Passagen könnte man sich notieren und zustimmend bemerken: Sie trifft den Nagel auf den Kopf! Auch wenn der Vergleich mit Jane Austen, der oft kritisiert wird, auf dem Buchumschlag nicht ganz zutreffend sein mag, so teilen beide Autorinnen doch eine Gemeinsamkeit : Als eine "zeitgenössische Studie" wird Jane Austens Roman "Stolz und Vorurteil" oft bezeichnet. Nun, das könnte man von "Alles wird gut" auch behaupten.Viele Frauen könnten sich in Elin wiederfinden, wenn sie es zulassen würden und ihre eigene Situation so reflektieren, wie es die Autorin hier stellvertretend durch die Protagonistin macht.Ich fühlte mich gut unterhalten von diesem Genre der "Frauenliteratur", das mir über die Jahre etwas fremd geworden ist, und vergebe daher gerne 5 Sterne.Unbedingte Leseempfehlung für Frauen in der Mitte ihres Lebens, die sich manchmal fragen "soll das nun alles gewesen ein?"