Satoshi Yagisawa erzählt in seinem Bestseller schnörkellos, leichtfüßig und charmant von Menschen, die durch Bücher und einen wunderbaren Buchladen miteinander verbunden sind und sich gegenseitig durch schwere Zeiten begleiten.
Takako, die in Die Tage in der Buchhandlung Morisaki ihren Liebeskummer nach einer schlimmen Trennung überwunden hat, im Antiquariat ihres Onkels Satoru und ihrer Tante Momoko, umgeben von Büchern, ist nun frisch verliebt: Seit Kurzem ist sie mit Wada zusammen, der an einem Roman arbeitet, in dem es um die Buchhandlung Morisaki gehen soll. Und dort wird Takako nun wieder gebraucht, denn Momoko ist erneut schwer erkrankt. Takako unterstützt Satoru, wo sie kann, und packt wieder im Buchladen mit an. Mit ihrer Hilfe und der von Stammkunden und Freunden fasst Satoru neuen Mut . . .
Besprechung vom 18.12.2024
So viele Fluchten
Kurzes Leben, einzigartige Menschen: Satoshi Yagisawa kehrt in die "Buchhandlung Morisaki" zurück
Der Stadtteil Jinbocho in Tokio ist für Buchliebhaber eine Oase: ein Antiquariat neben dem anderen, Bücher, so weit das Auge reicht. Es ist ein Ort, der zum Verweilen einlädt. "Obwohl sich auf der anderen Seite der Hauptstraße Bürogebäude auftürmen, gelingt es diesem Viertel, mit seinen Reihen an hübschen Häusern, dem umliegenden Trubel zu entfliehen. Man wird von einer ruhigen Atmosphäre umschlossen und fühlt sich, als ob die Uhr hier anders ticken würde. Und bevor man sich versieht, hat man jede Menge Zeit verbummelt." So liest man im Roman "Die Abende in der Buchhandlung Morisaki".
Wie schon im ersten Band, "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki", taucht Takako-chan immer noch gerne ein in diese sehr spezielle Gegend Tokios, die eine perfekte Kulisse für die melancholisch-malerische Grundstimmung der Geschichte abgibt. Das Antiquariat Morisaki im Herzen Jinbochos, das ihrem Onkel Satoru gehört, ist auch drei Jahre später noch ihr Zufluchtsort. Früher hat sie dort eine Zeit lang gewohnt, als es ihr nicht gut ging. Mittlerweile lebt sie in einem anderen Teil der Stadt. Allerdings besucht sie gern den schrulligen Onkel und Tante Momoko, die nach längerer Zeit auf Reisen wieder bei Satoru lebt.
Während es im ersten Band hauptsächlich um Takako-chan ging, handelt der zweite Teil von ihren Freundschaften und Bekannten aus Jinbocho und deren Beziehungen untereinander. Auch ihren neuen Freund Wada-san hat Takako-chan im Antiquariat kennengelernt. Beide teilen die Liebe zum Lesen und zu Spaziergängen im Viertel. In ihrem Stammcafé treffen sie immer wieder auf dieselben Leute, die keine allzu große Rolle spielen, aber die Geschichte bereichern. Die Figuren sind jede für sich eigen, und das zeichnet sie aus. Was sie alle verbindet und gleichzeitig auch das Zentrum der Handlung darstellt, ist das Antiquariat, das Onkel Satoru von seinem Vater und der wiederum von dem seinen übernommen hat.
Der Onkel und seine sehr genauen Vorstellungen von einem perfekten Curry oder seinem Sitzkissen, ohne das er nicht leben könne, gehen Takako-chan manchmal auf die Nerven. "Schon vom Aussehen her wirkte mein Onkel Satoru etwas eigenartig. Er trug nur schäbige Klamotten und Sandalen, und seine Haare waren so struppig, als hätten sie noch nie einen Kamm aus der Nähe erlebt. Obendrein faselte er allerlei komisches Zeug und sagte wie ein Kind immer, was ihm gerade in den Sinn kam." Er erzählt aber Geschichten, die meistens fesseln.
Die Handlung ist fast nebensächlich, obwohl sie dazu beiträgt, dass man die Personen besser versteht. Wie schon im ersten Band sind einige Lebensweisheiten recht schnulzig und erinnern an Kalendersprüche: "Das Leben ist auf jeden Fall kurz. In deiner Geschichte solltest du dich nicht mit solchen Menschen abgeben, sondern die wählen, die sich auch für dich entscheiden und für die du einzigartig bist." Trotz so mancher oberflächlicher Weisheiten schafft Satoshi Yagisawa mit dieser Geschichte eine emotionale Tiefe und Verbundenheit mit den Personen, die einem nahegeht.
Bücher als Personifikationen sind oft Teil der Handlung und treiben sie voran. Es werden aber auch ernstere Themen wie Trauer und Tod besprochen, wobei auch hier wieder auf Bücher Bezug genommen wird. Denn das Eintauchen in die Erzählungen stellt für manche Figuren eine Flucht vor der Realität dar.
Ins Deutsche gebracht wurde das ursprünglich 2011 auf Japanisch veröffentlichte Buch von Charlotte Scheurer. Ihre Übersetzung liest sich flüssig leicht und glänzt besonders in den Dialogen, die ganz natürlich klingen. Das japanische Original schimmert nicht nur durch die Übersetzung durch, sondern auch durch die Erzählstruktur und die Art und Weise, wie die Themen Tod, Freundschaft und Familie besprochen werden. Satoshi Yagisawa schafft mit dieser Fortsetzung ein Wohlfühlbuch mit Tiefe, das man auch unabhängig vom ersten Band versteht. Es lädt durch sein japanisches Ambiente, ähnlich wie Jinbocho selbst, zum Verweilen ein. KAROLINE HEINZL
Satoshi Yagisawa:
"Die Abende in der Buchhandlung Morisaki".
Roman.
Aus dem Japanischen von Charlotte Scheurer.
Insel Verlag, Berlin 2024.
253 S., geb.
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