Die Elbe ist en vogue. Waren mir zunächst vor allem die Krimis von Romy Fölck bekannt, die in der Elbmarsch angesiedelt sind, ließ mich Katja Kewerisch in ihrem Roman "Agens geht" einen anderen Blick auf die Elbe gewinnen. Jüngst begeisterte mich die Flusslinien von Katharina Hagena und nun also sind es die Stromlinien von Rebekka Frank. Was ist da los an der Elbe? Wieso animiert sie nun endlich dazu, in der Literatur wahrgenommen zu werden? Vielleicht liegt es daran, dass dieser unspektakuläre Fluss bedroht ist. Frank beschreibt, wie übrigens auch Hagena, die dramatischen Auswirkungen der Elbvertiefung auf Flora und Fauna. Das ist übrigens nicht die einzige Parallele zwischen diesen beiden großartigen Romanen, die sich sogar im Titel ähneln. Die Elbe ist dort in der Elbmarsch kein romantischer Flusslauf; sie ist eine gefährliche Autobahn für vollkommen überdimensionierte Containerschiffe. Und doch, sie ist ein berührend verletzlicher Fluss, Lebensraum bedrohter Arten und offenbar zunehmend Inspiration für Autorinnen. Ich komme nicht umhin, Hagenas Flusslinien und Franks Stromlinien immer wieder zu vergleichen. Beide Romane sind generationsübergreifend. Es geht um Familienbindungen, um Frauenleben, um Feminismus. Sehr gut gefällt mir, dass in beiden Romanen auch junge Frauen eine Rolle spielen. Beide Bücher sind gesellschaftskritisch, politisch, feministisch, ohne dabei die große Moralkeule zu schwingen. Gerade Frank zeigt auf, dass auch Irrungen und Wirrungen zum Leben gehören. Eine ihrer Protagonistinnen war 38 Jahre lang in Haft. Alea, die Mutter der Zwillinge Enna und Jule. Wir erfahren lange nicht, wie es dazu gekommen ist. Flusslinien ist eben kein Kriminalroman, auch wenn das Motiv der Schuld, moralisch und juristisch, eine große Rolle spielt. Frank gelingt der große Wurf, eine komplexe Geschichte über mehrere Generationen zu spinnen, beginnend 1923 und endend im hier und jetzt. Sie weckt Emotionen, rührt ihre Leserschaft zutiefst an, und lässt doch genug Freiraum für eine eigene Bewertung.Ich möchte direkt sagen, dass ich durch Stromlinien großartig unterhalten wurde. Die Protagonistinnen wurden stimmig beschrieben, die Handlungsstränge genial verbunden und aufgelöst. Der Schreibstil hat mir gut gefallen, auch wenn Frank dabei aus meiner Sicht hinter Hagena zurückbleibt. Dafür ist das Cover für mich jetzt schon ein Highlight des Jahres. Optisch und haptisch passt dieses Cover so wunderbar zum Buch, dass es mich richtig glücklich macht.Voller Überzeugung vergebe ich auch hier fünf Sterne ¿¿¿¿¿ und spreche eine unbedingte Leseempfehlung aus!