Was für eine Reise! Von den Donauschwaben habe ich schon etwas gehört, aber das war es dann auch. Wo diese gelebt haben, war so ziemlich alles was ich an Input hatte. Ich kann dazu dann nur wieder sagen, man lernt alles Mögliche in der Schule über die Nazis, Nachkriegsdeutschland, Flüchtlinge etc. aber irgendwie fällt dann doch immer etwas hinten runter und man hat es mal gehört, weiß aber nicht wirklich etwas. Ich denke, es geht mir nicht alleine so, sondern es geht vielen Menschen in Deutschland ähnlich.
Jetzt nimmt mich Andreas Wunn mit auf eine Reise. Er besucht zusammen mit seiner Mutter die Orte, die sie auf der Flucht auch durchwandert hat, und zwar von Hauenstein, wo seine Mutter zusammen mit ihrer Mutter und Oma und ihrem Bruder nach der Flucht gelebt hat, bis zu ihrem Geburtsort Setschan im heutigen Serbien in der Region Banat, in der viele Donauschwaben gelebt haben, bevor sie vertrieben und in Lagern interniert wurden.
Es ist immer wieder interessant, wie die Menschen entlang dieser Route gelebt haben und wo es überall Flüchtlingslager gegeben hat. Nehme ich z.B. mal Allach bei München, wo 1500 Menschen untergebracht waren und heute nur noch ein Stein steht, mit einer Tafel daran, wo aber die Donauschwaben noch nicht einmal erwähnt werden. Oder das Purtschellerhaus auf der Grenze von Österreich zu Deutschland -einer Berghütte, mit einer so interessanten Geschichte. Ein Treffpunkt und Fluchtmöglichkeit, wo es keine andere Möglichkeit gegeben hat. Es war mehr oder weniger ein Nadelöhr, durch das man fliehen konnte. Es war kein einfacher Weg, erst recht nicht für Menschen, die keinen Rucksack hatten, sondern einen Koffer und dabei noch Kinder im Schlepptau.
Ganze Dörfer hatte man zu Lagern umfunktioniert, in denen man Menschen gehalten hat wie Vieh und auch verhungern lies. Es gab aber auch Dörfer, die komplett verschwunden sind und eine Grenze, die aufgerüstet wurde, so dass eine Einreise nun noch schwieriger wurde als früher, als Andreas Wunns Mutter geflüchtet ist.
Es wird aber auch dargestellt, wie es in einem Flüchtlingskind aussehen kann und ich meine noch nicht einmal alleine die Mutter von Andreas Wunn, sondern auch in ihm, obwohl er dies alles nicht miterlebt hat. Ich hatte immer wieder das Gefühl, auch er wäre entwurzelt und es zeigte mir, wie schwerwiegend die Entscheidung zu fliehen ist.
Auf den 256 Seiten sind so viele Eindrücke versammelt, dass mir gelegentlich die Tränen in den Augen standen, oder ich einen Kloß im Hals hatte. Es ist die Geschichte einer Flucht und einer Volksgruppe, die so packende ist, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Ein Teil unserer Geschichte, den ich nie so richtig kennengelernt habe.
Die Mutter hat vieles verdrängt und ich habe das Gefühl, es schwelt unter der Oberfläche, aber wird nicht nach außen gelassen. Es ist wie ein Tresor, in dem die Mutter ihre Erinnerungen und Gefühle einsperrt.
Für mich ist es nicht nur eine Biografie der Mutter, sondern man lernt vieles über Flucht, was es in einem bewirkt und warum man flieht. Man hat das Gefühl, es ist auch eine Flucht in sich hinein, in dem man alles verdrängt. Ich wünsche mir für dieses Buch, dass es viele Leser bekommt, die es auf sich wirken lassen, und dass es möglichst viele Menschen, so wie mich, innerlich berührt. Es bewegt einen emotional ohne schmalzig zu sein, sondern es ist einfach mit viel Feingefühl geschrieben. Auch wünsche ich mir, noch viel mehr über die Donauschwaben und ihr Leben und Wirken zu erfahren, denn ich denke sie haben es sich mehr als verdient.