Behaupten kann man viel. Hier aber scheitert die Grundbehauptung an einer einfachen Frage: Was bitte ist denn die Seele? Das kann niemand genau beantworten. Und damit erübrigt sich jede Frage nach einer fraktalen Geometrie dieser schwer fassbaren Seele.Fraktale hingegen stellen etwas dar, was bei Menschen eine gewisse Faszination erzeugt. Mit einer simplen, sich immer wiederholenden Verfahrensweise kann man aus einem ganz einfachen geometrischen Objekt eine scheinbar hochkomplizierte Struktur erzeugen. Nimmt man beispielsweise ein gleichseitiges Dreieck, wählt das mittlere Drittel jeder Seite, erzeugt darüber erneut ein gleichseitiges Dreieck und streicht dann die untere Seite, so erhält man ein vielzackiges Gebilde. Nun wendet man auf jede Seite dieses Gebildes dasselbe Verfahren an und erhält immer kompliziertere Gebilde. Dieser Prozess lässt sich bis in alle Ewigkeit fortsetzen. Das dadurch immer wieder neu entstehende Gebilde ist komplett selbstähnlich, schließlich ist es ja so entstanden.Wenn man Menschen lange genug beobachtet, dann stellt man fest, dass auch sie sich bereits im Kleinen zu erkennen geben. Es existieren sich wiederholende Muster. Dadurch verraten Menschen schon in Kleinigkeiten Teile ihres Wesens. Leider ist das alles schwer fassbar. Und man stößt auf gehörigen Widerstand, wenn man das anderen versucht zu erläutern. Man könne, so das Hauptargument, nicht auf diese Weise verallgemeinern. Dagegen kommt man nicht an, denn beweisen lässt sich die Beobachtung nicht. Wie auch?Ich war deshalb ziemlich verblüfft, dass der Autor ähnliche Erfahrungen bei der Beobachtung von Menschen gemacht hat und nun daraus eine Theorie entwickelt. Nun ist er Psychiater und verfügt schon allein deshalb über viel mehr und deutlich vielfältigere Erfahrungen bei solchen Beobachtungen. Schließlich gehört das zu seinem Beruf. Allerdings steht er vor genau demselben Problem wie ich es früher hatte. Er kann nichts wirklich beweisen. Deshalb greift er zu einem Standardtrick, der möglicherweise manchen verblüffen wird. Überzeugend ist er jedoch nicht. Es bleibt ein Trick. Und der besteht einfach darin, eine andere Autorität hinzuzuziehen, die über jeden Zweifel erhaben ist. Und das ist hier die Mathematik, speziell die Geometrie des Fraktalen.Natürlich bleibt er dabei jeden Beweis dafür schuldig, dass die "Seele" sich dieser Geometrie unterwirft. Ihn kann es aus dem oben erwähnten Grund nicht geben. Insofern ist der Inhalt dieses Buches auf beiden Seiten der Ufer sicher interessant. Zum einen erläutert der Autor die Geometrie der Fraktale auf einem übersichtlichen Niveau recht gut. Bei der Mandelbrot-Menge wird es dann allerdings bereits dünn, denn sie wird nicht richtig definiert. Vielleicht weil man so dann doch das Verständnisniveau des gewöhnlichen Lesers deutlich überschreiten würde.Das andere Ufer sind die Fallbeispiele aus dem Berufsleben des Autors. Eine standfeste Brücke zwischen diesen beiden Ufern existiert nicht. Alles, was sich der Autor dazu einfallen lässt, reicht keinesfalls aus, um einen Beweis für seine Behauptung anzutreten, die "Seele" würde sich der Geometrie des Fraktalen unterwerfen.Was also bleibt, sind seine Beobachtungen von einer scheinbar fraktalen, also selbstähnlichen Struktur der menschlichen Psyche. Damit ist er nicht alleine, wohl aber mit seinen weitgehenden Schlussfolgerungen.