Christina Henriquez liefert mit ihrem Buch "Der große Riss" eine solide Leistung ab. Wer historisch interessiert ist und sich schon mal mit der Stimmung rund um den Kanalbau auseinandersetzen wollte, liegt hier genau richtig. Die Geschichte entwickelt sofort ihren Sog und hat mich so in den Bann gezogen, dass ich sie praktisch in einem Rutsch durchgelesen habe. Das spricht sehr für die Autorin.Was mir bei Henriquez auffällt, ist die Einfachheit der Sprache, das gute Einfühlungsvermögen in die Charaktere und deren Beweggründe. Sie reduziert Eigenschaften und Absichten in ihre Quintessenz und liefert somit mehr als eine wunderschöne allgemeingültige Wahrheit. Das ist eine Gabe, die ich mir von einem guten Schriftsteller unbedingt erwarte!Zwischen den Charakteren wird laufend gewechselt und so bekommen wir Einsicht in eine Vielzahl von Protagonisten. Den Lesefluss stört das nicht - im Gegenteil, es macht das Buch spannender. Doch Henriquez macht hier so viele Töpfe auf, dass am Ende nicht alle geschlossen werden können. Tatsächlich würde es die Seiten des Buches sprengen, wenn alle Geschichten ausführlich auserzählt werden würden. So bleibt das Ende oberflächlich und wird den Figuren nicht gerecht. Eine Geschichte, die episch sein könnte, bleibt flach und klein.Themen wie Separation, Diskriminierung, Widerstand der Bevölkerung und der politische Umgang damit werden lediglich angerissen. Die Wut über die Ausgrenzung der eigentlichen Eigentümer des Landes - der Panamaer - spürt der Leser sehr deutlich. Mehr als ein Ansprechen findet allerdings im Buch nicht statt. Damit und mit der Fülle der Charaktere, die zu Wort kommen, bleibt das Buch oberflächlicher, als es das meinem Empfinden nach verdient hätte - wenn auch explizit lesenswert.Das Unterfangen zwei Ozeane miteinander zu verbinden, wird hier in seiner Irrsinnigkeit klar und glaubhaft dargestellt. Die überhebliche Attitude der Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Unternehmen spiegelt sich gerade in der heutigen Politik mit der Umbenennung des Golfes von Mexiko deutlich wider. Alles in allem erinnert mich der Schreibstil der Autorin stark an Laetitia Colombani, deren Bücher für mich auch wie ein Entwurf großer Werke sind, für deren ordentliche Ausführung sich die Autorin nicht die Zeit genommen hat.