Spätestens seit der Allianz von Donald Trump und Elon Musk ist klar: Die Tech-Milliardäre sind nicht nur die reichsten Männer der Welt, es geht ihnen auch um politische Macht und um die radikale Umgestaltung von Gesellschaft und Natur.
Als Douglas Rushkoff eine Einladung in ein exklusives Wüstenresort erhält, nimmt er an, dass er dort über Zukunftstechnologien sprechen soll. Stattdessen sieht er sich Milliardären gegenüber, die ihn zu Luxusbunkern und Marskolonien befragen. Während die Welt mit der Klimakatastrophe und sozialen Krisen ringt, zerbrechen sich diese Männer den Kopf, wie sie im Fall eines Systemkollapses ihre Privatarmeen in Schach halten können.
Der Medientheoretiker Rushkoff verfolgt die Internetrevolution seit Jahrzehnten, ist Erfinder der Begriffe »viral gehen« und »Digital Natives«, bewegte sich lange im Kreis von Vordenkern und kreativen Zerstörern. In einer Zeit, in der Elon Musk und Peter Thiel sich immer stärker in die Politik einmischen, rekonstruiert er, wie aus der Aufbruchsstimmung der 1990er ein Programm aus Angst und Größenwahn werden konnte. Viele Tech-Unternehmer wollen uns Normalsterbliche einfach nur hinter sich lassen, werden aber als Visionäre gefeiert. Angesichts der Zerrüttungen, die ihre Geschäftsmodelle produzieren, müssen wir uns von ihrem Mindset befreien - denn mitnehmen werden sie uns auf ihrem Exodus sicher nicht.
Ein flammendes Plädoyer gegen Egomanie und für die Wiederentdeckung kooperativen Handelns
Besprechung vom 16.02.2025
Das Mindset der Milliardäre
Douglas Rushkoff ergründet das Weltbild der Tech-Oligarchen - und ihre Flucht vor den Schäden, die sie selbst anrichten.
Von Harald Staun
Als der amerikanische Medientheoretiker Douglas Rushkoff, seit den 1990er-Jahren ein kluger und kritischer Begleiter der digitalen Entwicklung, im Jahr 2018 einen Artikel über seine Begegnung mit ein paar abgehobenen Tech-Unternehmern veröffentlichte, hatte er eine klare Vorstellung von der Wirkung, die er sich damit erhoffte: "Ich wollte uns über diese Leute zum Lachen bringen." Im Jahr zuvor war er zu einem Vortrag über die "Zukunft der Technologie" eingeflogen worden, in ein Luxushotel irgendwo in der amerikanischen Wüste, wo er, statt zu einem größeren Publikum zu sprechen, wie er das erwartet hatte, auf einer Art Privataudienz fünf Superreichen sehr spezielle Fragen beantworten sollte: Wo könnte man dem Klimawandel am besten entkommen, in Neuseeland oder in Alaska? Wie lange müsste man ohne Hilfe von außen überleben können? Und wie nur sollte man sicherstellen, dass sich nicht das eigene Sicherheitspersonal gegen einen verschwört, nach "dem Ereignis"?
Noch bis vor Kurzem konnten die eskapistischen Tendenzen der Internetmilliardäre womöglich wirklich noch als kurioser Spleen durchgehen, als schräges Hobby für Leute, die sich statt einer Villa oder eines Fußballclubs lieber einen Bunker kaufen, eine Rakete oder einen Platz im Kryonik-Tank. Wie sie ihr postapokalyptisches Heil in Neuseeland suchen, wie Peter Thiel, im All, wie Elon Musk und Jeff Bezos, oder noch zwischen Hawaii und dem Metaverse schwanken, wie Mark Zuckerberg, all das konnte man lange mit einem gewissen Amüsement betrachten. Und solange es sich bei der Obsession mit solchen Exit-Szenarien nur um private Hirngespinste handelte, lag zumindest eine leicht tröstende Ironie in der Tatsache, dass sich solche sozial distanzierten Nerds sogar für die historischen Gewinner hielten, wenn sie darauf hofften, sich rechtzeitig in ein Luxus-Loch zurückzuziehen oder ihre Gehirne auf irgendeine posthumane Substanz hochzuladen. Und dass sie lieber für viel Geld einen Experten engagieren, um sich Ratschläge gegen eine postapokalyptische Meuterei geben zu lassen, statt selbst darauf zu kommen, es mal mit fairen Löhnen oder solidarischem Verhalten zu probieren.
Mit dem Amtsantritt von Donald Trump aber wurde die Rolle der prominenten Milliardäre als Teil der amtierenden Tech-Oligarchie unübersehbar - und spätestens damit deutlich, dass ihre Phantasien über die "Flucht in die individuelle Souveränität", wie Rushkoff es nennt, nicht ganz so lächerlich sind, sondern ein Problem für die Allgemeinheit. An den Hebeln des Staates stehen nun Menschen, die das Gemeinwesen ablehnen und deren technologische Macht nun auch noch mit politischer Herrschaft verschmilzt. Und so erscheint "Survival of the Richest" jetzt wie eines jener Bücher, die Verlage so gerne als "Buch der Stunde" anpreisen; und gleichzeitig in einer Zeit, in der man sich kaum retten kann vor Versuchen, die Motive und Hintergründe von Denken und Handeln von Musk und Co. zu erklären.
Rushkoff hat sein befremdliches Treffen damals zum Anlass genommen, ein wenig weiter auszuholen, um zu ergründen, was er als das "Mindset" jener Elite beschreibt, die so eifrig daran arbeitet, sich auch physisch vom Rest der Menschheit zu lösen, von dem sie sich geistig schon immer abgekoppelt haben. Für ihn beruht diese Gesinnung "auf einem blinden Vertrauen in das Lösen der Probleme durch Technologie, auf der Befolgung der Schranken des digitalen Codes, auf einem Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen als Marktphänomene, auf der Furcht vor der Natur und den Frauen, auf dem Bedürfnis, die eigenen Beiträge als einzigartige und beispiellose Neuerungen zu betrachten, und auf dem Bemühen, das Unbekannte zu neutralisieren, indem man es beherrscht und entseelt".
So weit entspricht auch diese Liste im Wesentlichen den mittlerweile gängigen Diagnosen. Rushkoffs Pointe ist, dass er die Protagonisten dieses Mindsets mindestens so sehr als Symptom einer grundsätzlichen Dynamik begreift wie als deren Ursache, als Personifikation eines "westlichen, linearen Fortschrittstrebens", das seit jeher vom Mythos des ständigen Wachstums und Aufstiegs lebt, von einem Geschichtsverständnis nach dem Modell der Heldenreise. Sobald dieses Wachstum auf einer Ebene an seine Grenzen stieß, wenn eine Ressource erschöpft oder die maximale Ausbeutung erreicht war, sei es, so Rushkoffs Befund, den Profiteuren dieses ewigen Pyramidensystems bisher noch immer gelungen, sich auf die nächste Abstraktionsebene zu retten: "Jeder technologische Fortschritt - von der sesshaften Landwirtschaft über Arithmetik und Schrift bis hin zu Dampfmaschinen, Fernsehern und Satelliten - versetzte die Eliten in die Lage, sich den negativen Auswirkungen zu entziehen oder unsere Reaktion darauf zu steuern", schreibt er. "Es wird alles getan, damit der Kreis sich nicht schließt und die Abrechnung nicht stattfindet. Kein Blick zurück. Exponentiell wachsen. Weiter auf die nächste Ebene."
"Meta gehen" nennt Rushkoff diesen Schritt, der auch in der digitalen Ökonomie zum Erfolgsmodell wurde: vom Web 1.0 zum Web 3.0, vom Onlineshop zur Plattform, vom Handel mit einer symbolischen Repräsentation von Werten zur nächsten, Grundstücke, Anleihen, Hypotheken, Derivate. Im Eskapismus der Milliardäre, die wissen, dass ihr Tun die Erde irgendwann unbewohnbar machen wird, findet er nun seine finale Form. Nur noch mit einer Flucht auf ein neues Level können sie sich vor den Schäden retten, die sie selbst angerichtet haben. Insofern müsste man das berühmte Facebook-Motto "Move fast and break things" eher umdrehen: Kaputt machen und davonlaufen ist die Devise.
Wie in diesem Kontext Idealismus in Egoismus umschlagen kann - oder ob das eine schon immer im anderen seine Wurzeln hat, lässt sich am konkreten Fall der Sith-Lords des Silicon Valley ausgiebig diskutieren. Rushkoff hat den Vorteil, dass er diesen Teil der Kulturgeschichte als Zeitzeuge erzählen kann: In den frühen Neunzigern war er Teil der Cyberpunk-Bewegung, die noch voller Enthusiasmus daran glaubte, mithilfe des einst zu militärischen Zwecken entwickelten Internets eine freie und kollektive Gegenwelt aufzubauen.
Im Buch macht Rushkoff vor allem die Investoren des frühen Dotcom-Booms für das Ende dieser Utopie verantwortlich. Dabei waren auch die Computerhippies von damals nie weit von den libertären und eskapistischen Überzeugungen entfernt, die sie und ihre Erben heute vertreten: Sie wollten nicht die Welt verändern, sondern eine alternative Wirklichkeit erschaffen. Sie sagten sich von Regierungen los, wie John Perry Barlow, der Songschreiber von Grateful Dead (und Redenschreiber von Dick Cheney), in seiner berühmten "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace". "Viele Leute wie ich sahen damals nicht den Schaden, den das anrichten könnte", sagt Rushkoff im Gespräch. "Es war kein wirkliches ethisches Problem, zu sagen: 'Scheiß auf diese Mainstream-Gesellschaft. Ich will kein Teil von ihr sein. Ich werde mit meinen Freunden nach Vermont ziehen und eine Farm haben.' Heute kann man sagen, na ja, wenn Sie das tun, dann findet der Klimawandel immer noch statt. Soziale Ungerechtigkeit gibt es immer noch. Man ist es also nicht nur sich selbst und seiner Gemeinschaft schuldig, auf eine gute Art und Weise zu leben. Sicher, darin war ein gewisser Eskapismus enthalten. Aber es sollte ein Eskapismus sein, bei dem man die Hände in der Erde hat, bei dem man lernt, wie man mit anderen Menschen kooperiert und zusammenarbeitet. Das war nicht ganz so eskapistisch wie der Wunsch, eine Virtual-Reality-Brille aufzusetzen und in einer Raumstation zu leben."
So beängstigend heute die konkrete Macht der Tech-Milliardäre ist, geht es Rushkoff doch weniger darum, mit dem Finger auf eine Handvoll transhumanistischer Phantasten zu zeigen. Auch wenn deren antisoziales Verhalten im Einzelfall auch eine individuelle Disposition ist, Ausdruck einer Art Asperger-Syndrom: "Menschen mit Asperger haben bekanntlich Probleme damit, Augenkontakt zu halten und sozial mit anderen Menschen zu interagieren", erklärt Rushkoff im Gespräch. "Ich denke, viele der Leute, die die Plattformen konstruiert haben, auf denen wir uns austauschen, halten Menschen für eine Art unberechenbarer Maschinen. Deshalb versuchen sie, sie so zu programmieren, dass sie sich so verhalten, dass sie mit ihnen klarkommen, statt an ihren eigenen Problemen zu arbeiten." In seinem Buch "Program or be programmed" hat Rushkoff schon vor fünfzehn Jahren die manipulativen Elemente beschrieben, die oft verborgenen oder übersehenen Regeln, Maximen und Ideologien, die in technische Systeme eingehen und ihrerseits das gesellschaftliche Betriebssystem immer stärker prägen. In diesem Weltbild ist menschliches Verhalten immer ein Problem, für das es eine technische Lösung gibt.
Dass dieses "Mindset" aber keine krude Religion irgendeiner szientistischen Sekte ist, sondern weltweit der Kern der gegenwärtigen Fortschrittserzählung, kann man heute täglich in den Nachrichten lesen. Deshalb betont Rushkoff immer auch die Eingebundenheit und Komplizenschaft jedes "Nutzers" dieses Systems. "Niemand ist dafür verantwortlich, und keine noch so gute Sozialwissenschaft oder Geldpolitik kann korrigieren, was letztlich soziale und geistige Defizite sind. Wir haben vor digitalen Plattformen kapituliert, die die menschliche Individualität und Unterschiedlichkeit als das betrachten, was Technologen als "Rauschen" bezeichnen, das es zu korrigieren gilt, und nicht als "Signal", das es zu schätzen gilt", schreibt er im Nachwort zu einer aktualisierten Auflage von "Program or be programmed", in der er die dort aufgestellten "Ten Commands for a Digital Age" - ein Wortspiel mit dem englischen Begriff für Computerbefehle in Anlehnung an die Zehn Gebote ("Commandements") - um ein elftes Kommando für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz ergänzt. "Schätze das Menschliche" lautet es und erinnert daran, dass es auch andere Werte gibt als technische oder ökonomische.
Was ein wenig klingt wie romantische Maschinenstürmerei, mündet bei Rushkoff tatsächlich in den Appell "Zurück zur Natur", allerdings mit einem bemerkenswerten Twist. Er setzt dem linearen Fortschrittsstreben eine andere Waffe aus dem digitalen Arsenal entgegen: die Kybernetik. Rushkoff sieht in deren Prinzip der Kreisläufe und Feedbackschleifen nicht nur die Basis für jene Manipulationen und Verhaltenssteuerung, der man heute im Alltag überall ausgesetzt ist, sondern auch die "Wiederkehr der zyklischen Rhythmen der Natur". Er hofft, dass sich damit ein neues Paradigma durchsetzen könnte, eine Vorstellung von Zukunft, die nicht auf die Ausbeutung der Vergangenheit angewiesen ist, sondern auf das "regenerative Potential geschlossener Kreisläufe" setzt. "Tatsächlich lacht die Natur zuletzt, denn das Mindset könnte durchaus sein eigenes Gegenteil hervorbringen. Und das gerade rechtzeitig", schreibt Rushkoff. In riesigen vernetzten Systemen hätten selbst die kleinsten Akteure, hätten Hacker, Prankster, Protestierende die Macht, komplexe Reaktionen auszulösen, wie der berühmte Schmetterling, der einen Wirbelsturm auslöst. "Alles kommt zurück, wie das Karma."
Douglas Rushkoff: "Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind". Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. Suhrkamp, 281 Seiten, 22 Euro. Erscheint am 24. Februar.
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