Sprecher: Emma Braslavsky, Alexander Magerl Sound & Sounddesign: Alexander Magerl Das mehrfach ausgezeichnete und nominierte Debüt! 1969 explodiert in Erfurt die Domuhr und der junge Mathematiker Eduard Meißerl verliert sein Gedächtnis. Beide Ereignisse sind zugleich Anfang und Ende dieser tragikomischen Geschichte über eine Gruppe vertriebener Sudetendeutscher im realexistierenden Sozialismus, deren schwierig gewordene Lebensspuren im Wettkampf zwischen Erinnerungen und Zukunft verlaufen müssen. Eduard, der Mathematiker und Zeitpedant, verliebt sich in Anna, die Sängerin und Konsumleiterin. Während er jede freie Minute zwischen ihr und der Entwicklung seines Uhrwerkprojekts aufteilt, kämpft sein Kindheitsfreund Paul mit seiner Untergrundorganisation ANS um Wahrung der sudetendeutschen Identität. Im Viertel herrscht Uneinigkeit über den Sinn dieser Organisation, trotzdem mobilisiert Paul Anhänger in Ost und West für eine Kundgebung in Prag am Tag des Eishockeyspiels UdSSR gegen SSR, um ein Selbstbestimmungsrecht einzufordern, das als einziges Ergebnis des Prager Frühlings nun allen Minderheiten in der Tschechoslowakei durch die neue Verfassung garantiert werden sollte. Und Eduard soll dabei sein, wenn Paul in den internationalen Medien die SSSR (Tschecho-Slowako-Sudetendeutsche Sozialistische Republik) ausruft. Obwohl Eduard andere Pläne hat, trifft ihn die Härte der sozialistischen Diktatur mit voller Wucht. Braslavskys erster Roman erzählt von der Schwerkraft des Gedächtnisses. Er fragt zwischen den Zeilen nach dem Verhältnis von Geist und Mensch, von Erinnerung und Identität. Ein Stück deutsche Geschichte wird hier auf ebenso satirische wie sprachmächtige Weise vor dem Vergessen bewahrt. Ausgewählte Rezensionen Eine Geschichte, die für mich zu den anrührendsten und gleichzeitig intellektuell weiterführendsten in diesem Frühjahr der jungen deutschen Literatur zählt. Er ist ein formal sehr ambitionierter Roman , ein großes, auch gelungenes Formexperiment, das mich von der ersten Seite in den Bann geschlagen hat. (Denis Scheck, druckfrisch) Treffender kann man das Dilemma einer bis heute andauernden Schuld-Diskussion, in der das gegenseitige Aufrechnen der Opfer längst zum Ritual gehört, wohl kaum auf den Punkt bringen. (Gisa Funck, Frankfurter Allgemeine Zeitung) An der engen biografischen Bindung und an dem gleichzeitigen altersbedingten Abstand, den Braslavsky zu ihrem Gegenstand hat, mag es liegen, dass Aus dem Sinn kein bemühter Thesenroman ist, der sich im Diskurs deutscher Vergangenheitsbewältigung positionieren will. Das ist fast ein Wunder Dass Braslavsky das tun kann, liegt vor allem an ihrem erzählerischen Talent, mit dem sie ein phantastisch skurriles Ensemble von Figuren entwirft, die alle auf heillose und tragikomische Weise in das Netzwerk der deutschen Geschichte verstrickt sind. (Wiebke Porombka, taz) Lachen und Weinen liegen eng beieinander in diesen Geschichten von Sehnsucht und Verrat, Hoffnung und Enttäuschung, Liebe und Leid. Und erstaunlicherweise erhalten gerade die aus den Sudeten erinnerten Erlebnisse eine wunderbare erzählerische Leuchtkraft. Am stärksten ist Emma Braslavskys Erzählstil in der literarischen Überhöhung und der ironischen Brechung der erinnerten Zusammenhänge. (Lilo Plaschke, Thüringer Allgemeine) Der erstaunlichste Roman, der in letzter Zeit als Debüt veröffentlicht wurde. (Harald Loch, Hamburger Abendblatt) Es geht ihr (der Autorin) um die Rechte des Individuums, um die Möglichkeit, auch falsche Entscheidungen zu fällen. Um Entfaltung von Individualität auch im Gegensatz zur herrschenden Ideologie. Gutwillige, übereifrige, aber harmlose junge Leute werden von einer perfekt organisierten Maschinerie überrollt und zerstört. Ideologie und individuelle Interessen kollidieren. Ein Buch, das in mehrfacher Hinsicht nachdenklich macht.