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Der Empfänger

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Ein deutscher Auswanderer in New York - im Spionagenetzwerk der deutschen Abwehr
Ulla Lenze legt einen wirkmächtigen Roman über die Deutschen in Amerika während des Zweiten Weltkriegs vor. Die Geschichte über das Leben des rheinländischen Auswanderers Josef Klein, der in New York ins Visier der Weltmächte gerät, leuchtet die Spionagetätigkeiten des Naziregimes in den USA aus und erzählt von politischer Verstrickung fernab der Heimat.

Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.

Stimmen zum Buch

»Ulla Lenze verknüpft meisterhaft Familiengeschichte und historischen Stoff, schreibt brillant, lakonisch, zugleich mitreißend über einen freundlichen Mann, der sich schuldig macht, weil er sich wegduckt. « WDR, Claudia Kuhland

»Wie keine andere Autorin und kein anderer Autor unserer Generation kann Ulla Lenze in klugen Szenen und wunderbaren Details von der inneren Verfasstheit weit entfernter Orte und ihrer Bewohner erzählen, von sozialen und zwischenmenschlichen Dynamiken und wie beides zusammenhängt. In 'Der Empfänger' wendet sie ihr Können erstmals auf einen historischen Stoff an und das Ergebnis ist beeindruckend. «
Inger-Maria Mahlke

»Wie schafft sie es bloß, über Figuren, die sich selbst verlieren, so zu schreiben, dass man beim Lesen Halt findet? «
Lucy Fricke

»Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive, pathosfreie Prosa. Echt und wahr und ehrlich. «
David Wagner

»Ich will (. . .) mal ein Buch nennen, von einer jungen Autorin, das mich erstaunt hat: 'Die endlose Stadt' von Ulla Lenze. Diesem Buch merke ich an, dass es Substanz hat. «
Uwe Timm zu »Die endlose Stadt«

Produktdetails

Erscheinungsdatum
18. Juni 2020
Sprache
deutsch
Auflage
2. Druckaufl., 2020
Seitenanzahl
304
Autor/Autorin
Ulla Lenze
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
437 g
Größe (L/B/H)
212/134/30 mm
Sonstiges
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN
9783608964639

Portrait

Ulla Lenze

Ulla Lenze, 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Musik und Philosophie in Köln. Für ihre Romane wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jürgen-Ponto-Preis für das beste Debüt 2003, dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Förderpreis und dem Ernst-Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb. 2016 erhielt Ulla Lenze für ihr Gesamtwerk den »Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft« und 2020 den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld. Ihr Roman »Der Empfänger« (2020) wurde in elf Sprachen übersetzt. Im Frühjahr 2023 hatte sie die renommierte Max-Kade-Gastprofessur am Dartmouth College (USA) inne. Ulla Lenze lebt in Buckow in der Nähe von Berlin.


Pressestimmen

»Die Elastizität von Ulla Lenzes Sprache sorgt dafür, dass der Roman Thriller und Seelenporträt zugleich sein kann. [ ] Das Gespenstische an Der Empfänger ist eine Aktualität, die aber niemals deutlich ausgestellt wird. [ ] Der Empfänger morst die Zeichen der Vergangenheit in die Gegenwart. Im Äther des Politischen bleibt alles für immer da. Von Josef Klein ist ein Bündel Briefe geblieben, die er seinem Bruder geschrieben hat. Und jetzt gibt es einen ganzen, hoch sensiblen Roman über einen Menschen, der nicht viele Gefühle kannte. Ausser einem: das lebenswichtige Gefühl des Verschwindenkönnens «Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 10. 07. 2020 Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung

»Lenze legt sich genauso wenig fest wie ihr Held. Sie erzählt, anstatt zu bewerten und zu moralisieren. So schafft sie den Raum, in dem ihre Figuren lebendig werden können und verwandelt dieses Stück ihrer Familiengeschichte in Literatur. «Jörg Magenau, Süddeutsche Zeitung, 26. 03. 2020 Jörg Magenau, Süddeutsche Zeitung

»Ulla Lenze macht ihrem Protagonisten keinen Prozess, sondern lässt die Leser an seinem Ringen mit sich teilhaben. «Eva Behrendt, Die Zeit, 13. 03. 2020 Eva Behrendt, Die Zeit

»Eine furiose Mischung aus Familiengeschichte und Agententhriller, erzählt von einer deutschen Spionageorganisation, die von New York aus militärisches Geheimmaterial an die Nationalsozialisten in Berlin liefert. [ ] Ulla Lenze erzählt dicht und lakonisch, mancher ihrer Sätze strahlt poetisch. «Christian Schröder, Tagesspiegel, 22. 02. 2020 Christian Schröder, Tagesspiegel

»Ich war so begeistert von der Konstruktion des Romans, von dieser Collage aus Zeiten und Orten, dem perfekt orchestrierten Wechsel zwischen Vor- und Nachkrieg, New York, Neuss und Costa Rica, von der weiblichen Perspektive auf dieses durch und durch männliche Sujet von der spröden, klaren Sprache [ ]. So, dachte ich, genau so, müsste man schreiben. Die Quintessenz von Literatur. «Jan Brandt, Bücher Magazin, Oktober/November 2020 Jan Brandt, Buch Magazin

»Dieser sensible Spionageroman überrascht mit einer neuen Perspektive auf Zeitgeschichte. «Sabine Prasch, Frizz, August 2020 Sabine Prasch, FRIZZ

»Was sich wie ein Krimi liest, ist weit mehr als das: Der Empfänger` von Ulla Lenze ist ein historischer Roman über Verstrickung und Schuld und über Heimat und Identität. [ ] Ein politisches Buch über einen unpolitischen Menschen, das zeitlose Fragen stellt. «Patricia Broder, Blick, 18. Juli 2020 Patricia Broder, Blick

»Der Empfänger ist ein einfühlsamer Roman über das verhängnisvolle Mitläufertum. [ ] Ulla Lenze hat exakt den adäquaten Erzählton für diese Hauptfigur gefunden unaufgeregt, vornehm zurückhaltend ohne große künstlerische Volten. «Peter Mohr, Titel Kulturmagazin, 06. Juli 2020 Peter Mohr, Titel Kulturmagazin

»Vielleicht ist gerade dies das Einzigartige und Beeindruckende, vielleicht sogar Erschreckende an ihrem Buch: Josef Klein könnte jeder sein, jeder von uns. «Sigismund von Dobschütz, Saale Zeitung, 27. Juni 2020 Sigismund von Dobschütz, Saale Zeitung

»Auf drei Zeitebenen [ ] nähert sich Lenze mit großem Feingefühl und kurzen, lakonischen Sätzen einer verlorenen Seele in der Fremde und einem weithin vergessenen Kapitel deutscher Geschichte an. «Martin Halter, Stuttgarter Nachrichten, 05. Juni 2020 Martin Halter, Stuttgarter Nachrichten

»Der Empfänger ist einerseits historischer Roman, andererseits intelligentes Psychogramm eines Mannes, der wegen seiner kompletten Entwurzelung zum Opportunisten wird. Ohne Anklage und erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Gefühl und Auge für die kleinen Dinge. Eine tragische und komische Lektüre über Schuld, Verantwortung und Heimatlosigkeit. «Felix Krause, foyer, 15. 05. 2020 Felix Krause, foyer

»Der Autorin gelingt es, in einer unaufgeregt-poetisch gehaltenen Sprache eine abenteuerliche, historisch-fundierte Geschichte mit Elementen eines Kriminal-, Abenteuer-und Familienromans zu erzählen. Auf Wertungen und Kommentare verzichtet die personale Erzählinstanz, was insofern eine Stärke des Romans ist, als es dem Lesepublikum überlassen bleibt, über die Entwicklung des deutschen, eigentlich unpolitischen Auswanderers zum passiven Nazi-Kollaborateur zu urteilen. «Michael Fassel, Literaturkritik. de, 26. 04. 2020 Michael Fassel, Literaturkritik. de

»[Lenze] fängt die jeweiligen Atmosphären prägnant und erlebbar ein. Nicht nur aufgrund der immer noch aktuellen Thematik entpuppt sich Der Empfänger von Ulla Lenze als eine der wichtigsten Neuerscheinungen des literarischen Frühjahrs. «Gérard Otremba, Sounds and Books, 19. 04. 2020 Gérard Otremba, Sounds & Books

»Eine spannende Geschichtslektion über ein Kapitel, über das man immer noch viel zu wenig weiß. «Peter Zander, Berliner Morgenpost, 17. 04. 2020 Peter Zander, Berliner Morgenpost

»Ulla Lenzes Roman mit historischem Stoff bleibt nicht in der Vergangenheit stehen. Er holt sie uns ins Wohnzimmer. «Dora Schöls, Badische Zeitung. 04. 04. 2020 Dora Schöls, Badische Zeitung

»Ulla Lenzes Roman beleuchtet ein Kapitel des Nationalsozialismus und seiner Agenten in den USA, das in Deutschland bisher verblüffend wenig Thema war. [ ] Historisch ist ihr Roman interessant, und dass man beim Lesen weiß, dass er auf Tatsachen beruht, unterstützt die Spannung. [ ] Aber zu einem guten Roman macht ihn vor allem, wie Ulla Lenze erzählt. Nicht im Genre eines Agententhrillers, sondern als Buch der Erinnerung eines Mannes, der sich vor sich selbst versteckt«Katrin Bettina Müller, taz, 01. 04. 2020 Katrin Bettina Müller, taz - Die Tageszeitung

»Ulla Lenze hat einen wunderbar vielschichtigen Roman geschrieben. Sie schildert die Geschichte eines Menschen, der auf der Suche nach einem etwas besserem Leben zu einem Heimatlosen wurde: Wie oft er irgendwo ankam und so tun musste, als sei es sein Zuhause. Und ganz nebenbei lässt die Autorin das New York der Dreißigerjahre auferstehen, so lebendig, als würde man sich selbst durch die geschäftigen Menschenmassen schieben, die die breiten Gehwege bevölkern. Ganz große Leseempfehlung! «Uwe Kalkowski, Kaffeehaussitzer, 29. 03. 2020 Uwe Kalkowski, Kaffeehaussitzer

»Der Empfänger [ist ein] sehr sinnliches Buch, bei dem man das Gefühl hat, selbst durch die Straßen New Yorks Ende der 20er Jahre zu wandern. «Susanne Schramm, Kölnische Rundschau, 17. 03. 2020 Susanne Schramm, Kölnische Rundschau

»Wie sich aus einem Familienroman ein sehr dezent, ja lakonisch erscheinender psychologisch-aufklärerischer Thriller entwickeln lässt, kann man in Ulla Lenzes fünftem Roman Der Empfänger entdecken. «Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz, 14. 03. 2020 Gabriele Weingartner, Die Rheinpfalz

»Sie kann das halt, [. . .] sehr elegant, vielsagend, vielschichtig Situationen beschreiben, in der dann die ganze Komplexität eines Augenblicks zum Ausdruck kommt. [. . .] Ulla Lenze führt uns hinein in diese komplexe Situation, macht sie erzählend erfahrbar, nachvollziehbar. [. . .] Dieser historische Roman wirft auf die Art und Weise natürlich auch ganz aktuelle Fragen auf, zeigt uns Kontinuitäten, und das ist das Grandiose dieses Buches. [. . .] Das macht diese Lektüre bereichernd, erkenntnisreich, herausfordernd. «Thomas Böhm, RadioEins Literaturagenten, 12. 03. 2020 Thomas Böhm, radioeins

»Es ist ein fesselnder, klug konstruierter Unterhaltungsroman, der zwischen New York in den 30ern und dem zerbombten Nachkriegs-Neuss hin- und herwechselt. «Erik Heier, tip Berlin, 05. 03. 2020 Erik Heier, tip Berlin

»So ist Der Empfänger von Ulla Lenze ein Roman zur rechten Zeit. «Martin Oehlen, Frankfurter Rundschau, 02. 03. 2020 Martin Oehlen, Frankfurter Rundschau

»Der Empfänger [ ] erzählt gekonnt und sprachlich so präzise wie behutsam von Spionage und Verstrickung und davon, wie sich das Persönliche und das Politische ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr voneinander trennen lkassen, wenn der Auswanderer josef unbedarft zwischen die Fronten gerät. Von den Auswirkungen, die eine vermeintliche kleine und unbedachte Entscheidung haben kann, von einem, der so fehlbar wie menschlich ist. «Ines Daniels, Letteraturablog, 23. 02. 2020 Ines Daniels, Letteratura

Besprechung vom 26.08.2020

Amateurfunker im Rauschen des zwanzigsten Jahrhunderts
Morsesignale in die Gegenwart: Ulla Lenzes Roman "Der Empfänger" erinnert an ein vergessenes Kapitel deutsch-amerikanischer Geschichte

Ulla Lenzes "Empfänger" hat viele Deck- und Necknamen, dabei trägt er den Allerweltsnamen schlechthin: Er heißt Josef Klein, in Amerika auch "Joe", zuletzt, in Südamerika "José". Josef Klein war der Bruder von Lenzes Großvaters, aber der Name passt schon: Wo immer das Schicksal ihn hinwehte, war er der kleine Mann aus Neuss, gerade mal 1,63 Meter groß, eine Randfigur der großen Geschichte. Und mehr wollte der leidenschaftliche Amateurfunker auch eigentlich nicht sein: unsichtbare Stimme im Rauschen der Frequenzen, passiver Weltempfänger, nicht aktiver Sender.

1924 wanderte Josef nach Amerika aus. New York überwältigt und erschlägt ihn, aber er fasst nie richtig Fuß. Er bleibt der kleine Hobbyfunker, der Druckereigehilfe aus dem Dunstkreis der großdeutschen Gemeinde. 1939 wird er vorübergehend wichtig, und das bekommt ihm nicht gut: Josef baut, angeblich ahnungslos, ein mobiles Funkgerät für den berüchtigten Nazi-Spionagering, der mit Filmen wie "Confessions of a Nazi Spy" (1939) und "The House on 92nd Street" (1945) in die Hollywood-Mythologie einging. Mit fünf Jahren Gefängnis kommt er relativ glimpflich davon, auch weil er sich als Spion umdrehen ließ und sein Prozess vor dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten stattfand.

Nach seiner Haftentlassung - an diesem Punkt setzt Lenzes Geschichte ein - kehrt Josef vorübergehend nach Neuss zurück. Deutschland ist ihm fremd geworden, und die Zuhausegebliebenen mögen die heimkehrenden Emigranten nicht. Carl ist ein Wirtschaftswunderspießer, ordentlich, misstrauisch, unbelehrbar; die unerklärte Zuneigung zu seiner schönen, kühlen Frau macht Josef das Bleiben unmöglich. Er zieht weiter nach Argentinien, ins Zufluchtsland der untergetauchten Nazis, dabei will er auch jetzt nicht mit den alten Kameraden paktieren. So treibt er immer weiter ins Abseits, bis sich seine Spur 1953 im Dschungel Costa Ricas verliert. Sein großes Ziel, die Wiedereinbürgerung in die Vereinigten Staaten, wird Klein nie erreichen.

Er bewundert und liebt schwarze Jazzmusik, Hochhäuser, die Vielfalt der Immigranten, aber er ist zu schüchtern, um sich in den brodelnden Strudel des melting pot zu stürzen. Thoreaus "Walden" ist seine Bibel, New York seine Traumstadt, aber nachts denkt er heimlich an Deutschland. Die Massenaufmärsche der Nazi-Sympathisanten im Madison Square Garden 1939 erlebt er allerdings nur als skeptischer Zaungast. Ihre Führer, großmäulige kleine Hitlers wie Fritz Joubert Duquesne, Schmuederrich oder Fritz Kuhn, sind ihm nicht geheuer, aber als sie den Tüftler Klein bitten, ab und zu kryptische "geschäftliche" Nachrichten heim ins Reich zu morsen, stellt er keine Fragen. Anders seine Freundin, die selbstbewusste junge Lauren: Die resolute Patriotin wird Joe ans FBI verraten, weil er es selbst nicht schafft, Position zu beziehen.

Man braucht kein besonders feines Ohr, um die Signale zu hören, die "Der Empfänger" in die Gegenwart sendet. Josef Klein ist der exemplarische Mitläufer, ein heimatloser, entwurzelter Nerd, hin- und hergerissen zwischen den globalen Synkopen des Jazz und dem deutschen Dumpfsinn von Blasmusik, Sauerkraut und Bier im "Alt-Heidelberg", zwischen trotziger Heimattreue und dem Wunsch nach Ausbruch und Verwandlung. Ulla Lenze hat in ihrem Werk immer wieder Wunder und Glück der Globalisierung beschrieben, aber auch deren Kosten und Opfer nie unterschlagen. Reisen und Schreiben, Fremdheit erfahren und literarisch reflektieren, waren für sie seit jeher eins. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr war sie unterwegs, erst als Rucksacktouristin in Indien, später dann auch als Stadtschreiberin in Damaskus, Writer in Residence in Istanbul und Goethe-Stipendiatin in Mumbai. In bislang vier Romanen erzählte sie von den Krisen und interkulturellen Konflikte, die westliche Besucher abseits touristischer Routen und Routinen erleben.

In "Der kleine Rest des Todes" hatte sie sich mit dem Tod ihres Vaters auseinander, jetzt hat Lenze den Familien- und Globalisierungsroman an einen historischen Stoff anzudocken versucht. Auf drei Zeitebenen - 1939, 1949, 1953 -, mit großem Einfühlungsvermögen und kurzen lakonischen Sätzen, nähert sie sich einer verlorenen Seele in der Fremde und einem weithin vergessenen Kapitel deutscher Geschichte an. Aber die Hauptfigur bleibt zu blass und passiv, um die Geschichte zu beleben: Josef Klein ist ein Mann fast ohne Eigenschaften, ein naiver Tagträumer ohne Leidenschaften und Meinungen. Lenze insistiert in einer Vorbemerkung, dass er ihre literarische Erfindung sei, auch wenn der Roman auf der Lebensgeschichte und den Briefen ihres Großonkels beruhe. Aber der Hobbyfunker, der wie aus Versehen Nazispion wird, bleibt trotz weltumspannender Funk- und Morseverbindungen eine Figur von begrenzter historisch-literarischer Reichweite und Wellenlänge.

MARTIN HALTER

Ulla Lenze: "Der Empfänger". Roman.

Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2020. 302 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Unaufgeregt erzählte Geschichte, die etwas Zeit zur Entfaltung braucht - dann wird sie aber richtig spannend!
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Sanft und leise erzählte Geschichte - vielleicht etwas gar zu sanft. Die Geschichte - ein Deutscher, der vor und während des 2. Weltkriegs in New York weilt und langsam von der deutschen Spionage benutzt wird - ist durchaus lesenswert; es gibt drei zeitliche ineinander verschachtelte Zeitebenen, die nicht alle gleich spannend zu lesen sind, doch aber alle zur Geschichte dazugehören. Am meisten interessiert den Leser wohl die Zeitebene des 2. Weltkriegs, auf welcher die Geschichte von Josef Klein erzählt wird, einem deutschen Amateurradiofunker in New York, der aufgrund seiner Fähigkeiten nach und nach von der deutschen Spionageabteilung für ihre Zwecke eingespannt wird.Das Buch ist sprachlich stark, der Erzählstil ist still, leise und unaufgeregt. Letzteres fand ich etwas schade, denn die Geschichte erhält so den Beigeschmack einer Beiläufigkeit, was ihr, finde ich, dann stellenweise nicht gerecht wird. Trotzdem ein gutes Buch, das eine unbekannte Episode der Weltkriegsgeschichte beleuchtet.