"Schaurige Nächte" ist eine Anthologie unheimlicher Geschichten im winterlichen Setting, an der acht unterschiedliche Autor*innen mitgearbeitet haben. Den Beginn macht Bridget Collins mit "Eine Studie in Schwarzweiß" (eins meiner Highlights des Bandes): Wie der Titel schon ankündigt, ist Schach ein wichtiges Motiv der Erzählung. Um diese Motivik spinnt sich eine unheimlich (im zweifachen Sinne des Wortes) atmosphärische Erzählung, die in einem alten, schneebedeckten Herrenhaus spielt, das nicht so verlassen ist, wie es zunächst den Anschein hat. Es folgt "Thwaites Mieter" von Imogen Hermes Gowar, eine Geistergeschichte, in der - ähnlich wie in "Eine Studie in Schwarzweiß" - Unheimliches in einem Haus vorgeht. Die dritte Geschichte "Die Aal-Sänger" von Natasha Pulley entführt die Lesenden in einen andersweltlichen Bereich: Die drei Protagonisten der Erzählung möchten an einem abgelegenen Ort die Weihnachtstage verbringen, doch Ort wie Bewohner wirken seltsam opak; das Nebulöse durchzieht die gesamte Handlung, wodurch die Erzählung ungemein originell ist. "Lily Wilt" von Jess Kidd handelt von einem Gedenk-Fotografen, der sich unsterblich in sein Motiv verliebt: eine aufgebahrte junge Frau. Von dieser Ausgangslage aus entspinnt sich eine ungewöhnliche Geschichte (wie ich sie bisher noch nie gelesen habe), die mit klassischen Horror-Motiven gewürzt ist. Auch Laura Purcells "Chillinghams Rollstuhl" hat mir sehr gut gefallen: Eine junge Frau ist nach einem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen, der ein Geheimnis in sich trägt. Die Geschichte wird spannend erzählt und besitzt am Ende einen schönen Twist. Ähnlich wie in "Die Aal-Sänger" spielt auch in der folgenden Erzählung "Das Hängen des Grüns" von Andrew Michael Hurley das Außerweltliche eine große Rolle. Der Ich-Erzähler, der sich in einer Kirche um Bedürftige kümmert, klärt hier das Schicksal eines seiner Schützlinge. Insbesondere durch die analytische Erzählweise weiß die Geschichte zu fesseln. Ein kleines Meisterstück ist auch die nächste Geschichte: "Gefangen" von Kiran Millwood Hargraves. Sie handelt von einer Frau im viktorianischen England, die nach der Entbindung ihr Zimmer nicht verlassen darf - doch sie und das Baby sind nicht alleine dort. Die Gedankenwelt der Frau wird sehr eindrücklich geschildert, die Atmosphäre ist latent bedrohlich und insbesondere der letzte Satz der Erzählung weist auf die Tragik des Erzählten hin. Zudem wird hier, wie die Autorin in einem kurzen Nachwort ausführt, ein gesellschaftlich relevantes Problem literarisch ausdifferenziert. Den Abschluss bildet "Ungeheuer" von Elizabeth Macneal, in der die Schattenseiten des Forscherdrangs beleuchtet werden. Es findet sich insgesamt eine Fülle abwechslungsreicher Geschichten in "Schaurige Nächte", die meist im viktorianischen England spielen und dadurch eine besondere Atmosphäre besitzen. Für mich überwiegen eindeutig die hochkarätigen Geschichten, sodass ich den Sammelband allen Liebhaber*innen von Schauergeschichten, die sich auch in der Weihnachts- und Winterzeit gruseln wollen, ans Herz legen kann.