Dies ist keine, wie ich vorher angenommen habe, Liebesgeschichte, sondern ein Buch über jugendliche Besessenheit und Erkundung der Sexualität.Jeden Sommer laden Elios Eltern einen Fremden als Gast in ihr Haus an der italienischen Riviera ein. Eines Sommers, als Elio 17 Jahre alt ist, laden sie den 24-jährigen amerikanischen Studenten Oliver ein.Was ich gut fand:Das Ambiente und die Orte sind so anschaulich beschrieben, dass ich mir vorstellen könnte, den Sommer dort zu verbringen.Eins der Probleme, die ich persönlich mit dem Buch hatte war der Altersunterschied zwischen Elio und Oliver. Wenn der Altersunterschied größer ist, gibt es auch immer ein Machtungleichgewicht. Die ältere Person ist in der Regel gesellschaftlich etablierter und hat mehr Lebenserfahrung. Allein dadurch hat sie in einer Beziehung mit einer minderjährigen Person die Oberhand, die im Allgemeinen leichtgläubiger und naiver ist und sich daher leichter manipulieren und kontrollieren lässt.Das Hauptproblem, das ich mit dem Altersunterschied hatte, war, dass dies in dem Buch nicht wirklich angesprochen wurde. Ja, die 80er Jahre in Italien hatten damals andere Meinungen zu einem solchen Altersunterschied, aber Olivers tatsächliches Alter wurde nie wirklich zur Sprache gebracht (einmal sagte Oliver nur "Ich bin fast ein Jahrzehnt älter als du") und ich beurteile diesen Punkt mit den moralischen Ansichten von heute sowie von 2007 - denn das war die Zeit, als dieses Buch veröffentlicht wurde.Elio ist ein Teenager, der noch zur High School geht. Auch wenn der Autor Elio zwanghaft als intelligent und klug (oder "belesen") darstellen will, ist er immer noch ein Teenager, mit der Reife eines Teenagers, was man leicht erkennen kann, wenn man auf seine Gedanken achtet. Und es ist völlig in Ordnung für ihn, unreif zu sein. Er ist ein Teenager, der seine Sexualität erkunden will. Was aber nicht in Ordnung ist, sind Erwachsene, die versuchen, die Anziehungskraft eines älteren Mannes auf einen Teenager mit der Begründung zu verteidigen, der Junge sei frühreif und wäre dem Mann zuerst hinterhergerannt.Das nächste und wohl größte Problem, das ich mit dem Buch hatte, waren manche Aussagen, die der Autor - unnötigerweise - reingebracht hat.Beispiel 1:"The bruised and damaged peach, like a rape victim, lay on its side on my desk, shamed, loyal, aching, and confused, struggling not to spill what I'd left inside."Das waren die Gedanken, die der Autor Elio gegeben hat, nachdem dieser einen Pfirsisch "benutzt" hat. Ich verstehe nicht, wieso ausgerechnet das als Metapher verwendet werden musste. Es kommt so rüber, als mache man sich lustig über Vergewaltigungsopfer.Beispiel 2:"I wanted to kill him myself . . . If I didn't kill him, then I'd cripple him for life, so that he'd be with us in a wheelchair . . . If he were in a wheelchair, I would always know where he was, and he'd be easy to find. I would feel superior to him and become his master, now that he was crippled."Nicht ganz so schlimm wie das erste Zitat, hat mir dennoch ein sehr unangenehmes Gefühl gegeben. Ja, damit wird nochmal deutlich, wie besessen Elio mit Oliver ist, aber das waren ja schon echt heftige Gedanken, die mMn nicht zu ihm passten.Nachdem das erste Zitat mich schockiert vor mich hin starrend zurückgelassen hat, musste ich das Buch erst einmal zur Seite legen. Ich hatte mir allerlei Gedanken dazu gemacht, vor allem aber wieso der Autor sowas einbringen würde. Daraufhin habe ich ein wenig über den Autor recherchiert und bin - nicht positiv - fündig geworden. In Interviews hat er für mich sehr problematische Aussagen getätigt, wie z.B. dass er 12-jährige attraktiv findet, aber man natürlich nicht über die monströsen Gedanken, die man hegt, reden darf, weil es tabu ist. Seiner Meinung nach, ist es normal und natürlich, dass solche Gedanken entstehen. Und ich sehe das nicht so. Ich bin der absolut festen Überzeugung, dass nicht jeder Mann einfach 12-Jährige attraktiv findet?! Es ist ganz sicher nicht normal oder natürlich. Es ist eine Sache, wenn Minderjährige sich zu Älteren hingezogen fühlen; sie haben nun mal kein ausgereiftes Hirn und sind noch in der Erkundungs- und Entdeckungsphase ihrer Sexualität. Aber ein erwachsener (und vollausgereifter) Mann sollte sich ganz sicher nicht zu Minderjährigen hingezogen fühlen und schon gar nicht diese Gefühle ausleben und die Avancen des/der Minderjährigen erwidern. Kommt euch das ebenfalls bekannt vor? Ja, das ist mir auch zu ähnlich zu Elios und Olivers Situation und lässt einen doch hinterfragen, wieso der Autor immer über Teenager schreiben muss.Hier ein (von Spanisch ins Englische übersetzter) Auszug aus einem Interview:Interviewer: In relation to that, there is a story in 'Enigma Variations' about a 12-year-old boy discovering himself sexually through his desire for an older boy. Of course, nothing happens between them, but don't you worry that it can be misunderstood?Aciman: No, I don't care. The other day, talking with a friend, I told him "I see 12-year-old girls and I already find them attractive," and he told me, "Me too, but you can't talk about it." And I replied, "No, never." Because if you talk about it, you're almost guilty of it. I do not commit the act, but you have no idea of the scabrous and disgusting ideas that come to our minds. How is it possible that he thought of something like that? But it is what happens in our mind. One of the things I do in my prose is to allow the reader to feel that he can undo the taboos and realize that, if I can talk about the peach, it is because you have a peach in your life. You have also done something that crazy. And if you haven't done it, what kind of human being are you? We all explore in life."Ja, in Rezensionen bewertet man das eigentliche Buch und dessen Inhalt und nicht den Autor selbst. ABER dadurch, dass die Erkenntnisse, die ich abseits des Buchs über den Autor sammelte, eben so viel Einfluss auf meine Meinung zu dem Buch hatten und ich eben Parallelen erkennen konnte, fand ich es doch sehr wichtig dies zu erwähnen.Als Abschluss kann ich einfach nur sagen:Das war einfach kein Buch für mich. Wenn man all die positiven Rezensionen sieht, gibt es sicherlich eine Zielgruppe für dieses Buch, aber dazu gehöre ich nicht.