Wenn es in einem Krimi um Kindesentführung geht, dann entsteht schon allein aus diesem Fakt erhebliche Spannung, weil, nicht nur, aber besonders all diejenigen, die selbst Kinder haben, sich um das Opfer sorgen und mit den Eltern fühlen. Wenn es dazu dem Autor gelingt, die Figuren facettenreich zu gestalten und auch die Ermittler mit Profil und interessantem Hintergrund zu versehen, sind alle Zutaten vorhanden.
So auch in diesem Roman, den ich zwar nicht Thriller nennen möchte, der mich aber doch von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte. Auch wenn die Auflösung ein wenig wie aus dem Hut gezaubert wirkt, mancher Faden lose hängen bleibt und einiges mühsam konstruiert wirkt.
Worum geht es: Philipp, einige Jahre jünger als seine Frau Lena, bemerkt eines Morgens, dass ihr Kind, die einjährige Emma, nicht in ihrem Bett liegt. Lena, von Beruf Lehrerin, ist gerade mit Freundinnen auf einer Kurzreise, aber ohnehin kümmert sich Philip, ein Musiker, um Kind und Haushalt.
Die hinzugerufene Polizei in Person der Kommissarin Svenja Paulus neigt recht schnell dazu, die Eltern oder wenigstens ein Elternteil in Verdacht zu haben. Als dann auch noch Details aus Philips Kindheit und Informationen über seine psychischen Störungen auftauchen, ist Svenja überzeugt, in ihm den Täter zu haben.
Doch auch Lena verhält sich verdächtig, entzieht sich der Beobachtung der Polizei, bekommt kryptische Drohungen. Derweil steigt die Sorge um das Kind, von dem allerdings die Ermittlerin schon fast glaubt, dass es nicht mehr lebt.
Sie selbst hat mit einer alten Beziehung zu kämpfen, ein Mann aus ihrer Vergangenheit ist wieder aufgetaucht und scheint sie zu bedrohen.
Erzählt wird das Ganze wechselweise aus den Perspektiven von Lena, Philipp und Svenja Paulsen. Dazwischen geschoben, was ich grundsätzlich gar nicht mag, auch Szenen aus der Sicht des Täters/der Täterin. Diese allerdings sind leider so ungeschickt, dass man schon beim ersten Mal, als eine solche Szene erscheint, das Geschlecht erfährt, was für die Spannung sehr kontraproduktiv ist.
Dafür gelingen dem Autor teils sehr geschickte und vor allem absolut in die Irre führende Cliffhanger, zumal gegen Ende. Hingegen sind manche Hinweise, manche Verdachtsmomente ein wenig arg dick aufgetragen, wird das Geheimnisvolle, insbesondere wenn es um Lenas Leben geht, etwas zu deutlich gezeichnet.
Das Ende kommt dann sehr plötzlich und steckt noch einmal voller Dramatik und Tempo. Manches bleibt jedoch unerklärt, manches wirkt nicht ganz schlüssig, anderes ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Dennoch macht der Krimi Spaß, liefert gute und solide Unterhaltung.
Und am Ende bleibt mindestens ein loser Faden hängen, der vermuten lässt, dass es noch einen Folgeband mit Svenja Paulsen geben dürfte.
Arne M. Boehler - Sonst stirbt sie
gmeiner, Februar 2025
Taschenbuch, 311 Seiten, 14,00 €