Diese Kurzgeschichtensammlung enthält mehr Realität als Fiktion. Und das macht unendlich traurig
Ob auf Konzerten, dem Weg zur Arbeit, zu Hause oder im Internet: Noch immer sind es vor allem Frauen/weiblich gelesene Personen, die von sexualisierter Gewalt (sowohl physisch als auch psychisch) &/oder Stalking betroffen sind.
Darum ist dieses Buch auch keines, dass man mal eben zum Einschlafen liest, eben vor allem nicht als weibliche Person. Denn auch in meinem Umfeld stimmt die Theorie, dass jede Frau mindestens eine benennen kann, welche schon einmal Opfer eines Verbrechens aus den oben genannten Kategorien wurde. Passieren kann so etwas nahezu überall, selbst in den eigenen vier Wänden kann man sich nicht gänzlich schützen.
Autorin Ava Morgan greift diese Thematik in ihrem Buch Fährnis der Frau in 12 Kurzgeschichten auf. Die meisten davon beruhen in der Tat auf eigenen Erfahrungen oder solchen, die andere erlebt haben, sind also, so schlimm das ist, weit weg von Fiktion. Die einzelnen Erzählungen bringen jeweils zum Nachdenken, es kommen sofort Fragen im Kopf auf, etwa, ob diese Story bekannt vorkommt, ob & wenn ja, wie die Geschichte hätte anders laufen können, ob man eine oder sogar mehrere Personen kennt, der/denen das schon passiert ist. Oder gar mir selbst?
Leider glaube ich, dass es viel zu viele Frauen gibt, die sich in einer, wenn nicht gar in mehreren dieser Geschichten wiedererkennen können. Eben denjenigen wird hier ein Stück weit eine Stimme gegeben: Du bist nicht allein. Wir verstehen dich. Wir können deine Gefühle nachvollziehen. Wir waren da, wo du jetzt bist. Das relativiert die Problematik nicht, das nimmt auch nicht den Schmerz, die Scham, die Angst, aber es benennt den Schrecken, die Gewalt, die Straftaten. Jede Person, die bei dieser Thematik mit -aBer wAs WooOolLt iHR frAuen dEnn noCh, Ihr habT doCH scHon aLlEs!!11- oder gar -Stellt euch doch nicht so an, ihr steht doch drauf, angemacht zu werden!- sollte gezwungen werden, dieses Buch zu lesen. Okay, ich merke gerade, dass ich beim Verfassen dieser Rezension wirklich traurig & auch echt sauer werde, dass das alles überhaupt noch ein Thema ist. Ein Thema, welches noch viele Bücher, Gespräche & wohl auch Gesetze braucht, bis es vielleicht in Zukunft endlich, endlich keines mehr ist, über das man so ausführlich sprechen sollte, oder nein, sogar sprechen MUSS!
Ein letztes noch: Von der Länge & der gewählten Sprache her lassen sich die einzelnen Geschichten (bitte entschuldigt dieses unpassend wirkende Wort in der Rezension) trotz allem angenehm lesen. Zum Abschluss also noch ein positives Wort, denn irgendwie tut das doch auch immer gut.
In diesem Sinne: Danke Ava, für ein Buch, das den Finger zwar in eine Wunde legt, aber auch Mut macht, zeigt, dass man nicht allein ist & ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine gerechtere Welt sein kann.