Vorweg: es handelt sich bei "Mord im Böhmischen Prater" um den Teil einer Serie. Wer die persönliche Entwicklung des Ermittler-Duos verfolgen möchte, sollte daher die Bücher in der richtigen Reihenfolge lesen, da viele persönliche Details in diesem Buch diesen Handlungsstrang aus den vorigen Büchern vorweg nehmen. Falls man nur diesen Roman lesen möchte, so ist dieser auch ohne Kenntnis der Vorbände gut lessar.Beate Malys historischer Kriminalroman "Mord im Böhmischen Prater" entführt die LeserInnen in das Wien des Jahres 1925. Die ProtagonistInnen, die pensionierte Lateinlehrerin Ernestine Kirsch und der ehemalige Apotheker Anton Böck, genießen einen herbstlichen Tag im Böhmischen Prater, als ihre Hündin Minna unter einem Musikpavillon einen menschlichen Knochen entdeckt. Ernestines detektivischer Spürsinn ist geweckt, und sie beginnt, inmitten von SchaustellerInnen und BesucherInnen, Nachforschungen anzustellen.Maly versteht es meisterhaft, die Atmosphäre des Wiens der 1920er Jahre zum Leben zu erwecken. Die detaillierten Beschreibungen des Böhmischen Praters und der damaligen Gesellschaft lassen die Leserinnen und Leser tief in die Epoche eintauchen. Besonders hervorzuheben ist die authentische Darstellung der sozialen Verhältnisse, etwa der harten Arbeitsbedingungen der "Ziegelböhm" in den Ziegelfabriken oder der prekären Lage von Dienstmädchen, die oft schutzlos den Übergriffen ihrer Arbeitgeber ausgesetzt waren. Für mich ist es ganz besonders toll, da ich sowohl Kindheits-, wie auch Jugend- und Erwachsenenerinnerungen an den böhmischen Prater habe. Die Schausteller gibt es zwar nicht mehr, jedoch ist ein Fahrgeschäft aus dieser Zeit erhalten geblieben und auch urige Gastronomie, die sowohl böhmische wie auch ungarische Spezialitäten anbietet, gibt es teilweise auch heute noch, so dass mein Kopfkino sofort angesprungen ist.Die Charaktere sind liebevoll und facettenreich gestaltet. Ernestine beeindruckt durch ihren Scharfsinn und ihre Entschlossenheit, während Anton mit seiner Vorliebe für Mehlspeisen, insbesondere Powidltascherl, für humorvolle Momente sorgt. Ihre Beziehung zueinander und zu den Nebenfiguren, wie etwa Antons Enkelin Rosa, die sich als talentierte Nachwuchsdetektivin erweist, verleiht der Geschichte zusätzliche Tiefe. Der Kriminalfall selbst ist geschickt konstruiert und hält die Spannung bis zum Schluss aufrecht. Die Mischung aus historischen Fakten und fiktionalen Elementen ist ausgewogen und sorgt für ein stimmiges Gesamtbild. Allerdings könnten einige Leserinnen und Leser bemängeln, dass bestimmte Wendungen vorhersehbar sind und der Plot stellenweise etwas gemächlich voranschreitet.Die Autorin verwendet, zumindest damals gebräuchliche, Wienerische Ausdrücke, was ein noch tieferes Eintauchen in die Handlung ermöglicht, zumindest für jene, für die die Begriffe zur Alltagssprache gehören. Wem der Begriff "Powidl" nichts sagt, und wem das nicht "Powidl ist" (egal ist), der hat einen guten Grund, nach einem Rezept dafür zu suchen, denn "Pflaumenmus" ist nahe dran, aber geschmacklich schon anders.Fazit: Es ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe um Ernestine und Anton und macht Lust auf weitere Abenteuer des Duos.