Es hat einige Seiten gedauert, bis ich so richtig warm geworden bin mit "Notizen zu einer Hinrichtung", aber dann hat mich das Buch gepackt und nicht mehr losgelassen. Es geht um die Frauen im Leben des Serienmörders Ansel Packer, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird: Lavender, seine Mutter, bei seiner Geburt noch minderjährig, völlig isoliert mit ihrem gewalttätigen Partner unter ärmlichsten Umständen auf einer Farm lebend, die sich schließlich später - da ist schon ein zweites Baby auf der Welt - entscheidet, den Mann zu verlassen, das Jugendamt zu verständigen und aber auch selbst ihre Kinder zu verlassen, sodass Ansel in Heimen und bei Pflegefamilien aufwachsen muss. Saffy, Tochter einer Amerikanerin und eines unbekannten indischen Vaters, verliert mit 9 Jahren ihre geliebte Mutter durch einen Unfall und kommt ebenfalls zu einer Pflegestelle, wo sie Ansel kennen lernt und erste unheimliche Eindrücke von ihm sammelt. Später wird sie Polizistin werden und zu seiner Verhaftung beitragen. Und Jenny, Zwillingsschwester von Hazel, die mehrere Jahrzehnte als Ansels Partnerin an seiner Seite verbringt, bis sie sich schließlich trennt und ein neues Leben beginnen will. Diese Frauen und deren Perspektiven lernen wir näher kennen, aber es gibt noch viele weitere Frauen, deren Leben Ansel berührt hat: drei Mädchen, die von ihm ermordet wurden, und noch einige lebende Frauen, die auf die eine oder andere Weise mit seinem Schicksal verbunden sind. Schließlich gibt es auch noch - in sehr kurzen Kapiteln zwischendurch und in Du-Form geschrieben - Ansels eigene Perspektive aus der Todeszelle, in der die Stunden bis zu seiner Hinrichtung heruntergezählt werden. Das Buch definiert sich tatsächlich über diese vielfältigen Perspektiven und die machen es auch spannend. Dabei ist es ganz anders als ein herkömmlicher Thriller oder Krimi: wir wissen von Anfang an, wer der Mörder ist, und auch, dass er gefasst wurde und in der Todeszelle sitzt. Darum, das herauszufinden und mitzufiebern, geht es hier also nicht... wenngleich ich durchaus beim Lesen oft auch mitgefiebert habe, weil nicht unbedingt klar war, welche der Frauen in Ansels Leben den Kontakt zu ihm dauerhaft überleben würden. Besonders interessant habe ich aber all die ethischen Fragen gefunden, die das Buch durch die Erzählung stellt: wer, neben dem Mörder selbst, eine Mitschuld oder Mitverantwortung an seinem Schicksal trägt? Ob und wie etwas davon zu vermeiden gewesen wäre und an welcher Stelle in seinem Leben noch eingegriffen werden hätte können, wenn überhaupt? Ob die Todesstrafe gerechtfertigt ist und ob sie irgendwem auch nur irgendetwas bringt, oder nur zusätzliches, sinnloses Leid hinzufügt? Und noch so einige mehr.Es ist ein spannendes, kluges, nachdenklich machendes Buch, das ich sehr gerne gelesen hab und definitiv empfehlen kann.