Im Roman -Kindeswohl- von Ian McEwan lernen wir Fiona Maye kennen. Sie ist Richterin an einem der höchsten Gerichte in London und dabei auf Familienrecht spezialisiert. In ihrer bereits lange andauernden Karriere hat sie schon so manchen äußerst schwierigen Fall entschieden, der ihr bereits landesweite positive Bekanntheit einbrachte.
So hat es auch ihr aktueller Fall in sich: Dieser dreht sich um den Sohn eines Ehepaars, das den Zeugen Jehovas angehört. Der 17-jährige Adam ist an Leukämie erkrankt und benötigt dringend eine Bluttransfusion, die sein Leben retten könnte. Allerdings lehnen Zeugen Jehovas Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab.
So ist es nun an Fiona, den Fall zu einem möglichst fairen Ende zu bringen und immer zum Wohle des Kindes zu entscheiden. Dazu gehört auch, dass sie die Verhandlung unterbricht und ins Krankenhaus fährt, um sich den schwerkranken, aber äußert intelligenten Jungen einmal selbst anzusehen.
Doch auch in Fionas Privatleben ist alles andere als Ruhe angesagt:
So eröffnet ihr ihr Mann Jack, mit dem sie seit mehreren Jahrzehnten verheiratet ist, dass er gedenkt, eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Dame haben zu wollen. Fiona ist verständlicherweise schockiert und bedeutet Jack, das Haus zu verlassen, falls die Affäre schon begonnen habe.
Somit denkt Fiona auch über ihre Ehe und die damit zusammenhängende Kinderlosigkeit nach.
Wie sie diese beiden großen Themen ihrer aktuellen Lebenssituation meistert, davon erzählt diese Geschichte.
Der deutsche Titel -Kindeswohl- bezieht sich auf den Fall von Adam Henry, der an Leukämie erkrankt ist und dringend eine Bluttransfusion benötigt. Allerdings bekennt er sich zum Glauben der Zeugen Jehovas, die derartige Blutübertragungen rundheraus ablehnen. Richterin Fiona muss nun ein Urteil fällen, das am Ende zum Wohl des Kindes gereicht.
(Der Titel des englischen Originals -The children act- bezieht sich dabei auf Adams Einstellung und Handlung in dieser Sache und rückt somit ihn als Protagonisten mehr in den Fokus.)
Das Cover zeigt das Gemälde -Craig- der amerikanischen Malerin Elizabeth Peyton aus dem Jahre 1998. Dieses stellt einen jungen Mann mit ernstem Blick, blasser Haut und lilafarbenen Ringen unter den Augen dar.
Im Roman wird Adams Aussehen während seiner Krankheit ganz ähnlich beschrieben. Auch wenn das Gemälde nun nicht explizit ihn zeigt, stellt sich der Leser den Protagonisten doch ziemlich genau so vor.
Der Schreibstil in diesem Buch ist feinfühlig und extrem tiefgründig. Zwar hat der ganze Roman nur fünf Kapitel, diese sind aber überdurchschnittlich lang, mit häufig ebenso langen Sätzen. Man braucht eine Zeit, bis man sich -eingelesen- hat, gewöhnt sich dann aber schnell daran.
Die Geschichte entfaltet sich zunächst langsam, birgt aber viele tiefgründige Fälle, bei denen man sich als Leser auch fragt, wie man entscheiden würde.
Fionas Handeln während des Gerichtsprozesses und auch im Anschluss sind sehr gut nachzuvollziehen und man fiebert richtig mit ihr mit. Man wünscht sich, dass sie die -richtige- Entscheidung trifft, und überlegt dabei nochmal, was -richtig- in diesem Fall eigentlich bedeutet.
Und auch Adams Charakter ist gut und nachvollziehbar dargestellt. Man kann die beiden Hauptfiguren in ihrem Handeln und Tun verstehen und erfährt auch, wie es zu ihren Einstellungen kommt.
Eigene Meinung:
-Kindeswohl- ist ein Roman, der viele große Themen behandelt und sich nicht dafür eignet, ihn -mal eben nebenbei- zu lesen. Die Geschichte und Thematik hallen noch eine ganze Weile nach.
Gerade deswegen hat mir die Story so gut gefallen, behandelt sie doch mehr als nur den angesprochenen Rechtsfall, sondern geht noch weiter. Wir erfahren, wie es Fiona nach ihrem Urteil ergeht, wie ihr Leben weiter verläuft und werden in Kenntnis gesetzt, was aus ihrer Ehe mit Jack wird. Das Buch ist keine ganz einfache Kost, trotzdem aber eine echte Leseempfehlung.
Da ich in rechtlichen Themen nicht besonders bewandert bin, konnte ich hier noch eine Menge lernen, sodass man sowohl die Kläger- als auch die Verteidigungsseite versteht. Glücklicherweise kommen die rechtlichen Themen nicht im entsprechenden Deutsch daher, sondern werden so geschildert, dass sie auch jemand Branchenfremdes leicht verstehen kann.
Dies ist bereits mein zweites Buch, das ich von Ian McEwan gelesen habe. (Sein Roman -Abbitte- behandelt ein ähnlich schweres Thema und auch der Schreibstil ähnelt dem vorliegenden Roman. Und genau wie -Abbitte- hat mir auch diese Geschichte super gefallen.)
Wie bereits erwähnt, ist das Buch nicht ganz einfach zu lesen, aber trotzdem umso interessanter. Daher spreche ich eine absolute Leseempfehlung aus und würde am liebsten viereinhalb Sterne vergeben. Da das aber nicht geht, bekommt der Roman vier Sterne von mir.
(Hinweis: Der Roman ist auch unter dem Titel -The childern act- verfilmt worden. Diesen habe ich mir bisher noch nicht angesehen, werde es aber schnellstmöglich nachholen.)