Nein, Jugendliche haben bei der Europawahl nicht überdurchschnittlich häufig die AfD gewählt. Aber sie haben ähnlich häufig wie die meisten anderem Altersgruppen gewählt (und das ist schlimm genug). Gründe gibt es dafür viele und es sind sicherlich nicht ausschließlich die sozialen Medien dafür verantwortlich. Es ist aber auch ein Fakt, dass Rechtspopulist*innen und Rechte besonders häufig auf TikTok und anderen Plattformen unterwegs sind. Oder rechte Podcasts wie "Hoss und Hopf" richten sich besonders an jungen Menschen.
"Am leichtesten aber verbreitet sich rechte Ideologie über die sozialen Medien. Oft ist sie dort gut getarnt. Nicht jeder, der rechtes Gedankengut verbreitet, macht das mit Absicht. Meist ist schwer zu erkennen, wer überhaupt zur Szene gehört."
Lisa Duhm hat deswegen vor schon drei Jahren ein Buch geschrieben, das heute noch so aktuell ist wie 2021 wenn nicht sogar noch aktueller. Es richtet sich an Jugendliche ab circa 12 Jahren und das ist häufig leider auch schon ein Alter, in dem sich junge Menschen häufig radikalisieren. Diese Radikalisierung geschieht oft schleichend, wie bei Influencerin Juli. Juli ist keine echte Person, damit hier nicht unnötig Reichweite generiert wird, aber Juli ist vielen echten, rechten Influencern nachempfunden. Nach Schminkvideos folgen erst einige, dann immer mehr Videos, die rechte Subtexte verbreiten. Erst recht, als sie mit Leo postet. Autorin Lisa Duhm zeigt in ihrem Buch sehr klar und nachvollziehbar, warum die Fans Juli wegen der emotionalen zu ihr in Schutz nehmen oder die rechten Narrative oftmals auch gar nicht erst erkennen. "Sie sind überall" bietet daher auch einen Abriss über solche Narrative wie antisemitische Verschwörungstheorien oder Ableismus. Und das Buch erklärt auch, wie die Algorithmus der Plattformen rechtsradikalen Content puschen. Duhm nutzt für all das eine klare, einfache und eingängige Sprache, so dass das Buch auch bei der Zielgruppe wie meinem 12jährigen Sohn sehr gut ankommt. Neben Juli als Projektionsfigur berichtet im Buch auch ein echter Aussteiger aus der rechten Szene. Das alles macht das Buch unglaublich lebendig, trotz des ernsten Themas. Und zum Abschluss gibt es noch einen kleinen Test, bei dem die Leser*innen gucken können, was sie alles als rechts erkennen und wie sie sich verhalten würden.
Zugegeben, das Buch bietet mit 112 Seiten nur einen ersten Einstieg ins Thema den aber sehr gekonnt und umfassend. Viel zum Thema Rechtsradikale im Internet bietet auch "Die rechte Mobilmachung Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen" von Patrick Stegemann und Sören Musyal.
Wichtiges Buch! Gerade weil es so ein brisantes Thema ist, sollten es Jugendliche lesen. Ich vergebe eine Leseempfehlung und 5 von 5 Sternen.