Der philosophische Rau(s)chsalon verdankt sich einem biopolitischen Zufall, nämlich dem bayerischen Rauchverbot in Gaststätten. Denn er hatte zwei Vorläufer: Von 1989 bis 2000 organisierte ich eine wöchentliche Lesegruppe mit Freunden und Studenten, die zu Freunden wurden. Absatz für Absatz lasen wir Hegels Phänomenologie des Geistes in dreieinhalb Jahren. Vollständig lasen wir Husserls Ideen zu einer reinen Phänomenologie und die Philosophischen Untersuchungen Wittgensteins, zur Hälfte etwa die Grammatologie Derridas und Gilles Deleuze Differenz und Wiederholung etc. Als diese Lesegruppe nach gut zehn Jahren wöchentlicher Arbeit sie fand zumeist in meiner Wohnung statt; nur wenn ich in die Ferien fuhr, zwei Wochen im Jahr, fiel sie aus schließlich einschlief, transformierte sie sich in einen Stammtisch, der sich manchmal regelmäßig nach meiner Vorlesung im Münchner Literaturhaus traf, manchmal auch nur einmal im Monat.
Als Ende 2007 das bayerische Rauchverbot in Kraft trat, war ich nicht bereit, mir auf diese Weise das Rauchen verbieten zu lassen. Nicht nur dass ich seither Kneipen nur noch im Notfall aufsuche. Vielmehr beschloss ich, diesen Stammtisch von da an wieder in meine Wohnung einzuladen, wo man selbstverständlich in allen Räumen rauchen darf. Zudem erweiterte ich ihn gezielt durch philosophisch Interessierte aus meinem Umfeld. Und ich verlieh ihm etwas philosophischen Sinn, indem jedes Mal ein kleiner Vortrag gehalten werden sollte. Im Vordergrund stand aber schlicht der Smalltalk. Die Vorträge werden ausschließlich von den Teilnehmern gehalten. Zuschauer, also Touristen, sind eigentlich nicht zugelassen.
Hans- Martin Schönherr-Mann