Bücher versandkostenfrei*100 Tage RückgaberechtAbholung in der Wunschfiliale
product
product
product
product
product
product
product
cover

Frühling der Revolution

Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt

(4 Bewertungen)15
480 Lesepunkte
Buch (gebunden)
Buch (gebunden)
48,00 €inkl. Mwst.
Zustellung: Fr, 05.07. - Mo, 08.07.
Sofort lieferbar
Versandkostenfrei
Empfehlen
Das neue, epochale Werk von Bestsellerautor Christopher Clark: Der beliebte Historiker erklärt uns wie kein anderer, wie wir wurden, wer wir heute sind, welche Werte wir vertreten, wofür wir kämpfen

In der Geschichte Europas gibt es keinen Moment, der aufregender, aber auch keinen, der beängstigender war als der Frühling des Jahres 1848. Scheinbar aus dem Nichts versammelten sich in unzähligen Städten von Palermo bis Paris und Venedig riesige Menschenmengen, manchmal in friedlicher, oft auch in gewalttätiger Absicht. Die politische Ordnung, die seit Napoleons Niederlage alles zusammengehalten hatte, brach in sich zusammen.

Christopher Clarks spektakuläres neues Buch erweckt mit Schwung, Esprit und neuen Erkenntnissen diese außergewöhnliche Epoche zum Leben. Überall brachen sich neue politische Ideen, Glaubenssätze und Erwartungen Bahn. Es ging um die Rolle der Frau in der Gesellschaft, das Ende der Sklaverei, das Recht auf Arbeit, nationale Unabhängigkeit und die jüdische Emanzipation. Dies waren plötzlich zentrale Lebensthemen für unendlich viele Menschen - und es wurde hart um sie gekämpft.

Die Ideen von 1848 verbreiteten sich um die ganze Welt und veränderten die Verhältnisse zum Bessern, zuweilen aber auch zum viel Schlechteren. Und aus den Trümmern erhob sich ein neues und ganz anderes Europa.

Ausstattung: mit 42 s/w-Abbildungen und 5 Karten

Produktdetails

Erscheinungsdatum
27. September 2023
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
1168
Autor/Autorin
Christopher Clark
Übersetzung
Norbert Juraschitz, Klaus-Dieter Schmidt, Andreas Wirthensohn
Verlag/Hersteller
Originaltitel
Originalsprache
englisch
Produktart
gebunden
Abbildungen
mit 42 s/w-Abbildungen und 5 Karten
Gewicht
1320 g
Größe (L/B/H)
233/165/58 mm
ISBN
9783421048295

Portrait

Christopher Clark

Christopher Clark, geboren 1960, lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine's College in Cambridge. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Preußens. Er ist Autor einer Biographie Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers. Für sein Buch »Preußen« erhielt er 2007 den renommierten Wolfson History Prize sowie 2010 als erster nicht-deutschsprachiger Historiker den Preis des Historischen Kollegs. Sein epochales Buch über den Ersten Weltkrieg, »Die Schlafwandler« (2013), führte wochenlang die deutsche Sachbuch-Bestseller-Liste an und war ein internationaler Bucherfolg. 2018 erschien von ihm der vielbeachtete Bestseller »Von Zeit und Macht« und 2020 folgte das von der Kritik gefeierte »Gefangene der Zeit«. Einem breiten Fernsehpublikum wurde Christopher Clark bekannt als Moderator der mehrteiligen ZDF-Doku-Reihen »Deutschland-Saga«, »Europa-Saga« und »Welten-Saga«. 2022 wurde ihm der Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten verliehen.

Pressestimmen

»Dieses Buch ist dick wie juristischer Kommentar, aber fesselnd wie ein Pageturner, anschaulich, stilistisch brillant, gelehrt, spannend, hintergründig und oft so lebendig geschrieben, als sei man mit Clark auf einer Kamerafahrt in die wilde Zeit des Völkerfrühlings.« Joachim Käppner, Süddeutsche Zeitung

»Die Polykrise des 19. Jahrhunderts findet in Clark ihren Meistererzähler.« Birgit Aschmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Clark schreibt so flüssig und gewitzt, dass man das Buch verschlingt. Seine Einsichten hält er immer wieder klar und deutlich fest.« Claudia Mäder, NZZ "Bücher am Sonntag"

»Die Lektüre lohnt sich ungemein: Clark erzählt die Revolution als internationales Schlüsselereignis des 19. Jahrhunderts.« David Baum, Stern

»Christopher Clark ist ein Werk gelungen, das der Diskussion über Ursachen und Folgen des europäischen Völkerfrühlings neues Leben einhauchen könnte.« Oliver Zimmer, Neue Zürcher Zeitung

»Was Clarks Werk zu einem Ereignis macht, sind nicht nur die neuen Deutungsperspektiven, die es einnimmt. Sondern auch das breite Panoptikum der zahlreichen Ereignisse, Protagonisten und Interessengruppen, die der Autor zu einer glänzend geschriebenen Erzählung verwebt.« Alexander Grau, Cicero

Besprechung vom 14.10.2023

Die Angst war ein eigener Akteur

Reich an Quellen und Schauplätzen: Christopher Clark erzählt von den europäischen Erhebungen des Jahres 1848.

Von Birgit Aschmann

Von Birgit Aschmann

Als Jürgen Osterhammel im Jahr 2009 sein monumentales Werk zur Globalgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts vorlegte, widmete er den europäischen "Konvulsionen zur Jahrhundertmitte" nur wenige Seiten. Für eine Zäsur hielt er sie nicht. Das Werk des in Cambridge lehrenden australischen Historikers Christopher Clark ist eine fulminante Antwort darauf, denn die Revolutionen von 1848/49 gelten hier als Schlüsselereignis der europäischen Geschichte. Das Buch ist umso gewichtiger, als es in der Historiographie seit dem 150. Jahrestag 1998 eher still um diese Revolution geworden war. In seiner Überblicksdarstellung von 2010 hatte der Frankfurter Historiker Andreas Fahrmeir das Kapitel über die Revolution von 1848 sogar in der Überschrift mit einem bezeichnenden Fragezeichen versehen.

Clark möchte weg von einem freilich schon länger veralteten Blickwinkel, der die Ereignisse zum Fixpunkt nationaler Sonderwege machte. Zum einen weil es sich für ihn eben um die "einzig wahrhaft europäische Revolution der Geschichte" handelt, zum anderen weil die Fragen von heute nicht mehr von der Modernisierungstheorie des späten zwanzigsten Jahrhunderts geprägt sind. Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts kann Clark frappierende "Resonanzen" erkennen: So würden uns heute mit der sozialen Ungleichheit, Arbeit und sozialen Rechten dieselben Fragen beschäftigen; die Orientierungslosigkeit nach dem Ende der Hochmoderne ähnele der des Vormärz, und Ereignisse wie die Arabellion oder der Sturm auf das Kapitol von 2021 erinnerten an die Tumulte von 1848.

Um diese besser zu verstehen, nimmt Clark den Leser mit auf eine lange Reise, denn das Buch bietet mehr, als der Titel verspricht. Anstatt sich auf den "Frühling 1848" zu beschränken, setzt Clark in den 1830er-Jahren ein. Umfassend werden zunächst die sozioökonomisch prekären Lebensverhältnisse der Masse der Bevölkerung in Stadt und Land sowie Weberaufstände und Hungerrebellionen beschrieben, bevor die bewegenden Ideen und zentralen Ordnungsvorstellungen der Liberalen, Radikalen und Konservativen der Zeit vorgestellt und die politischen Konflikte seit der Pariser Juli-Revolution von 1830 nachgezeichnet werden.

Nach drei einführenden Kapiteln widmen sich die nächsten vier dem Frühjahr 1848, indem die Genese der Revolutionen auf den verschiedenen europäischen Schauplätzen, dann die Implementierung revolutionärer Regime, deren Errungenschaften und schließlich deren Ernüchterung ausführlich gewürdigt werden. Schließlich widmet sich Clark der Geschichte der Gegenrevolutionen seit dem Sommer 1848 beziehungsweise der sich zur selben Zeit parallel entwickelnden "zweiten Welle", bevor schließlich nach den Auswirkungen jenseits von Europa und nach 1849 gefragt wird. Am Ende besticht das Buch weniger durch bahnbrechend neue Erkenntnisse als vielmehr durch die Akzente, die Clark setzt. So liest man in anderen Revolutionsdarstellungen kaum etwas über die Sklavenbefreiung in den französischen Kolonien oder über das Schicksal versklavter Roma in den Donaufürstentümern.

Vor allem aber zeichnet sich das Buch durch zwei Schwerpunkte aus: Erstens ist Clark bestrebt, die Frauen dieser Zeit besonders sichtbar zu machen. Wo immer es möglich ist, greift er auf die Stimmen von Zeitzeuginnen zurück, hebt die Beteiligung von Frauen an Barrikadenkämpfen hervor oder problematisiert die patriarchalischen Denkmuster der Zeit. Zweitens akzentuiert er zu Recht die zentrale Bedeutung von Emotionen. Stimmungen zählen für ihn zur wichtigen mittleren Ebene der Politik, die das Scharnier zwischen den langfristig wirksamen Strukturen und den situativen Ereignissen bildet. Euphorie und Enttäuschung, Rachegelüste, Verbitterung und Wut gehören zu den Erklärungsfaktoren für den Verlauf der Revolution.

Keine Emotion aber ist derart präsent wie die Angst, der Clark den Charakter eines Akteurs zuschreibt. Revolutionäre und Gegenrevolutionäre sind von ihr geplagt, doch das "Ungleichgewicht der Angst" ist letztlich mit dem Ungleichgewicht von Macht gekoppelt: Das Nachlassen der Angst bei den Gegenrevolutionären gehört neben ihrer besseren Vernetzung zu den Faktoren, die das Scheitern der Revolutionen erklären können. Dass die Emotionen in den Zitaten der Zeitzeugen so unmittelbar erlebbar werden, gehört zu den Erfolgsrezepten von Clarks lebendigem und variantenreichen Erzählstil. Er tritt mit seinem Publikum in den Dialog, erzählt von Schulzeit und Studium, verrät die eigene Abstammung von Iren, die nach der Hungerkrise um die Jahrhundertmitte auswanderten, und von seinen Sympathien für die "Zeitung lesenden, Kaffee trinkenden, prozessorientierten Liberalen".

Vor allem aber lässt Clark die anderen, seine Zeitzeugen und nicht zuletzt Frauen, zu Wort kommen und zieht zur Untermalung seiner Darstellungen fiktionale Literatur, Lieder und Gedichte ebenso heran wie Gemälde, die er konzise interpretiert. Gruselig anschauliche Schilderungen von bestialischer Gewalt (mehrfach ist die Rede von spritzendem Gehirn) lassen den Leser erschauern. Die Breite der von Clark konsultierten Literatur und der zitierten Quellen ist beeindruckend. Sie ermöglicht ihm, jene Multiperspektivität einzufangen, die der Vielschichtigkeit des Ereignisses gerecht wird.

Allerdings hat die Ausführlichkeit, mit der diese vielen Stimmen auf so vielen verschiedenen Schauplätzen zu Wort kommen, ihren Preis: Der Umfang des Buches ist eine Herausforderung. Wer dem Autor aufmerksam an die unzähligen europäischen Orte folgt, an denen diese Revolutionen stattfinden, dem fehlt irgendwann die nötige Konzentration, um auch die lokalen Tiefenstrukturen zu verstehen. Beim unablässigen Springen von Palermo nach Paris, von Iserlohn zu den Ionischen Inseln oder von Wien zur Walachei wird dem Leser notgedrungen schwindelig. Zwar ist man dankbar über einzelne Gestalten wie Robert Blum, dessen Schicksal wie ein roter Faden durch das Buch hindurch verfolgt wird. Aber schon deshalb ist es unmöglich, sich einzelne Abschnitte für die Lektüre herauszugreifen, zumal die zuweilen nebulösen Kapitelüberschriften bei der Suche nach Themen nicht helfen.

Dabei ist das darstellerische Problem Programm. Ab März 1848 seien die parallel verlaufenen europäischen Krisenherde erzählerisch nicht mehr abbildbar: "Das Narrativ sprengt seine Ufer, der Historiker verzweifelt." Der Leser auch. Wenn er sich bis zum Ende vorgearbeitet hat, lässt ihn das Zitat von Brecht, wonach der Vorhang zu und alle Fragen offen blieben, doch etwas ratlos zurück. Der Schluss ist das kürzeste Kapitel von allen, was noch einmal zeigt, dass der Autor weniger durch große Theorien oder Interpretationen, sondern vielmehr durch plurale Erzählungen überzeugen will, die der "aberwitzigen Komplexität" seines Sujets am ehesten gerecht werden. Genau diese bildet eine Brücke in die Gegenwart. War doch das "Monsterereignis" von 1848 so etwas wie die Polykrise des neunzehnten Jahrhunderts. Sie findet in Clark ihren Meistererzähler.

Christopher Clark: "Frühling der Revolution". Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt.

Aus dem Englischen von

N.Juraschitz, K.-D. Schmidt und A. Wirthensohn.

DVA Verlag, München 2023. 1164S., Abb., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

Bewertungen

Durchschnitt
4 Bewertungen
15
2 Bewertungen von LovelyBooks
Übersicht
5 Sterne
1
4 Sterne
2
3 Sterne
0
2 Sterne
0
1 Stern
1

Zur Empfehlungsrangliste
Von Bellis-Perennis am 27.11.2023

1848 - das Jahr der Revolutionen

Autor Christopher Clark erzählt in einem Interview, dass ihn die Revolutionen des Jahres 1848, als er davon zum ersten Mal im Gymnasium gehört hat, schrecklich angeödet haben. Die Komplexität, die Vielfalt der Schauplätze und Personen, der Lärm der widersprüchlichen Meinungen und Forderungen wirkten abschreckend auf ihn, zumal die Aufstände als gescheitert galten. Daher ist es gleich doppelt verwunderlich, dass Christopher Clark ein Buch mit über 1.100 Seiten schreibt. Ich habe zuvor schon 1848 Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution (Alexandra Bleyer) und Die Flamme der Freiheit (Jörg Bong) gelesen und war daher auf Christopher Clarks neues Buch besonders gespannt. Wie bei ihm üblich, geht er extrem ins Detail, was manchen Leser vielleicht ein wenig erschrecken wird. Allerdings, wird das Thema vermutlich eher jene Leser ansprechen, die Solches lieben. In insgesamt zwölf Abschnitten inklusive Einleitung, Schluss und Anhang versucht Christopher Clark die komplexe Sachlage in Europa darzustellen. Dabei beginnt er bereits im Jahr 1830, in dem sich Vorboten der Revolutionen von 1848 abzeichnen. Die zwölf Abschnitte gliedern sich in: Einleitung Soziale Fragen Ordnungskonzepte Konfrontation Explosionen Regimewechsel Emanzipation Entropie Gegenrevolution Nach 1848 Schluss Anhang Im Anhang finden sich zusätzlich Karten, Anmerkungen und ein Personenregister. Meine Meinung: Wie wir es von Christopher Clark gewöhnt sind, ist sein umfangreiches Detailwissen, das er mit einer Ausführlichkeit seinen Lesern näherbringt, eine ziemliche Herausforderung. Ja manchmal verlieren sich Autor und Leser in zahlreichen Orten, an denen die Menschen Veränderungen herbeiführen wollen. Zumal Christopher Clark detailliert beschreibt, warum es zu den Ereignissen von 1848 kommt. Dazu nimmt er seine Leser in das Jahr 1830 mit, wo es in einigen Städten Frankreichs wie Lyon, Nantes oder Paris aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation zu Aufständen kommt. Das Kapitel 1 "Soziale Fragen" Unterkapitel "Die Politik der Beschreibung" beschäftigt sich ausführlich damit . Dabei verwendet Clark die Statistiken und Aufzeichnungen von Ange Guépin und Eugène Bonnamy, die die die Bevölkerung von Nantes in 8 Klassen einteilen und beschreiben. Die unterste (= 8.) und hat nur rund 300 Francs/Jahr zur Verfügung. Hier zitiert er aus A.Guépin/E. Bonnamy, Nantes aux XIXe siècle, Statistique topographique, industrielle et morale, faisante suite a l'historique de progrès de Nantes, Nantes 1835" S. 484 bzw. S. 488, wie sich Einkommen und Ausgaben einer (Weber)Familie innerhalb des Jahres 1830 zusammensetzen. Hier ist dann dem Übersetzer von Clarks Originalmanuskript ein echt böser Lapsus unterlaufen: Er beziffert die Ausgaben für STROM mit 15 Francs (von 300 Francs). Blöderweise gibt es elektrischen Strom erst ab 1880 in Frankreich. Solche Fehler verleiden mir das Lesen ziemlich, weil dann häufig Zweifel im Hintergrund aufkommen. Im englischen Original heißt es im Übrigen light, was von Talg- oder Öllicht bis Bienenwachskerzen alles heißen kann, was Licht spendet. Wieso übersieht das Lektorat so einen groben Fehler? Vermutlich weil in den letzten Jahren über aktuell hohe Energiekosten geklagt wird - ein typischer Fall von Priming. Nebenbei fehlt mir, bei Clarks sonst üblicher Detailverliebtheit, ein Kaufkraftvergleich zu heute. Der wäre hilfreich, um die Dimension des Elends besser einschätzen zu können, wenn nämlich rund 150 Francs ausschließlich für (trockenes) Brot und rund 104 Francs für Fixkosten (wie Miete etc.) aufgewendet werden muss, und nur 46 Francs für Gemüse und Fleisch (und nicht zu vergessen: Alkohol) zur Verfügung stehen. Außerdem wäre die Familiengröße zu berücksichtigen. Ja, Statistiken habe so ihren Pferdefuß. Sie können Fragen beantworten, offenlassen oder aber auch Neue aufwerfen. Das Kapitel Emanzipation hat mit der aktuellen Debatte rund um Gleichbehandlung und Gleichberechtigung der Frauen nichts zu tun. Hier geht es ausschließlich um Männer bzw. Berufsgruppen wie Bauern oder Juden. Allerdings würdigt der Autor der Anteil, den die Frauen während der Aufstände innehaben, durch Augenzeugenberichte sowie Lieder, Gedichte und Gemälde, auf denen Frauen, die Barrikaden errichten, zu sehen sind. Hier sind historische Quellen Mangelware, denn Geschichte wird vor allem von Männern dokumentiert. Zusammenfassend kann über Frühling der Revolution gesagt werden, dass sich die Ideen von 1848 über ganz Europa und einige Länder außerhalb davon verbreitet haben. Allerdings gab es keinen Dominoeffekt und nicht immer veränderten die Verhältnisse zum Besseren, manchmal gab es auch Rückschritte. Christopher Clark offenbart jenen Lesern, die das 1.168 Seiten starke Buch durchhalten, einen mehrdimensionalen Blick auf die komplexen Ereignisse. Leider ist diesmal das Lektorat bzw. die Übersetzung nicht mit der sonst üblichen Sorgfalt am Werk gewesen, weshalb ich einen Stern abziehen muss. Das Buch selbst ist in gediegener Ausstattung als Hardcover mit zwei Lesebändchen (die auch unbedingt notwendig sind) erschienen. Neben den zwölf Kapiteln finden sich zahlreiche Abbildungen und im Anhang zusätzlich Karten, Anmerkungen sowie ein Personenregister. Fazit: Christopher Clarks neues Buch erweckt mit einigen neuen Erkenntnissen und zahlreichen Details diese höchst komplexen Ereignisse von 1848/49 zum Leben. 4 Sterne
Von Manfred Orlick am 29.09.2023

Eine Neubewertung der 1848-Revolution

2023/24 jährt sich zum 175. Mal die Revolution 1848/49, die sowohl einen Meilenstein der deutschen Demokratiegeschichte markiert als auch die erste europaweite Bewegung für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit darstellte. Vor 175 Jahren trat in der Frankfurter Paulskirche das erste gesamtdeutsche Parlament zusammen. Der Versuch, auf parlamentarischem Weg Einheit und Freiheit zu schaffen, scheiterte 1849 zwar an den erstarkten alten Gewalten, aber das Werk der Paulskirche wirkte weiter bis in unser heutiges Grundgesetz. Häufig wird die 1848-Revolution von Historikern als eine gescheiterte Revolution angesehen. Dem widerspricht der bekannte britische Historiker Christopher Clark in seinem neuen Buch. Frühling der Revolution. Auf 800 Seiten (über 200 Seiten Anmerkungen) beleuchtet er umfassend und mit vielen Details die revolutionären Ereignisse von 18481849, wobei er auch bisher wenig beachtete Quellen heranzieht. Die europaweiten Geschehnisse werden in neun Hauptkapitel chronologisch präsentiert, dabei aber auch in thematische Abschnitte unterteilt. Überall in Europa entwickelten sich neue politische Ideen, Glaubenssätze und Erwartungen. Die politischen Umwälzungen und gesellschaftliche Veränderungen betrafen z.B. die Rolle der Frau in der Gesellschaft, das Ende der Sklaverei, das Recht auf Arbeit, die nationale Unabhängigkeit der europäischen Länder oder die jüdische Emanzipation. Clark schafft es dabei, die verschiedenen Handlungsstränge und Themen geschickt miteinander zu verknüpfen. Obwohl Revolutionen in verschiedenen Ländern schnell aufeinander folgten, war es nicht so, dass eine Revolution den Funken für die nächste auslöste. Vielmehr wurden alle Revolten durch eine Reihe gemeinsamer sozialer und politischer Bedingungen hervorgerufen, die sich über den gesamten Kontinent erstreckten. Das sogenannte Scheitern war die Tatsache, dass die Revolutionäre nicht in der Lage waren, eine ausreichend starke internationale Solidarität aufzubauen, die der Bedrohung durch die konterrevolutionäre Internationale standhalten konnte.