Vancouver, in der näheren Zukunft: In seiner neuen Heimat lebt der Ich-Erzähler gemeinsam mit seinem sterbenskranken Lebensgefährten - und versucht, diesen zu retten, indem er ihm seine Geschichten erzählt. Während der Tod im wahrsten Sinne des Wortes schon anwesend ist und auf eine neue Seele wartet, entpuppt sich der Hakawati , was Geschichtenerzähler bedeutet, als verletzlicher und verletzter Liebhaber, als Flüchtling, der die Heimat betrauert, als unverstandenes Kind unter der rigiden Herrschaft der psychisch kranken Mutter - und letztlich als moderne Scheherazade.
Die Wäscheleinen-Schaukel ist der bemerkenswerte Debütroman von Ahmad Danny Ramadan. Es ist ein Werk, das sowohl formal, als auch inhaltlich außerordentlich überraschend und farbenfroh ist. Da ist zunächst einmal die sehr ungewohnte, aber faszinierende Erzählperspektive. Über weite Strecken des Romans greift Ramadan auf das Du zurück, mit dem der Erzähler nicht nur seinen sterbenden Geliebten direkt anspricht, sondern auch eine unmittelbare Nähe zu den Leser:innen erzeugt. Was anfangs noch ein wenig sperrig wirkt, führt doch relativ schnell zu einer gewissen Sogwirkung.
Seine stärksten Momente hat der Roman in den zahlreichen Geschichten, die der Hakawati seinem Liebsten erzählt. Sie handeln von Trauer, Verlust, Gewalt, von der Kindheit und nahezu immer von der Liebe. Mal ist es die Liebe zu seiner Großmutter, mal zu seinen Freunden. Es ist die Auseinandersetzung mit seiner Homosexualität, mit seinen ersten, auch sexuellen Erfahrungen. Sehr häufig spielt aber die Liebe zu Syrien, zu Damaskus die größte Rolle. Seine Trauer über den Verlust der kriegszerstörten Heimat ist in fast jeder Zeile zu spüren, wobei Ramadan sie durch seine poetischen Worte wiederauferstehen lässt. Diese Farben und Gerüche, die Geräusche, die Eigenheiten der Damaszener: Ramadan schafft es ganz wunderbar, die Leser:innen in die Vergangenheit zu versetzen, auch wenn immer wieder Tod und Zerstörung die Idylle trüben.
Überhaupt ist es die Sprache, mit der es Ramadan eindrucksvoll gelingt, dieses Debüt zu etwas ganz Besonderem zu machen. Die Poesie, die Perspektivwechsel, manchmal mitten in den Erzählungen, sorgen immer wieder für überraschende Momente, die gleichermaßen berühren wie unterhalten.
Die eigentliche Rahmenhandlung der beiden gealterten Männer in Vancouver um das Jahr 2050 herum kann da mit den Geschichten aus der Kindheit und Vergangenheit nicht ganz mithalten. Zu häufig säuseln sich die Männer ein Ich liebe dich zu, das mit der Zeit ein wenig an Intensität verliert, weil es sich eben zu oft wiederholt. Die physische Anwesenheit des Todes halte ich jedoch für bereichernd, denn der Gevatter präsentiert sich als durchaus umgänglich und weiß selbst, die ein oder andere Geschichte zum Gelingen des Romans beizutragen.
Umso intensiver sind aber die Geschichten des Hakawati, die zudem im bewegenden Finale um eine wahrlich überraschende Pointe erweitert werden und die Beziehung der beiden Männer noch einmal ganz neu bewerten lässt.
Die Wäscheleinen-Schaukel ist ein wichtiger und beeindruckender Roman, der auch noch einmal deutlich macht, wie schwer es ein LGBTQ-Aktivist in der arabischen Welt hatte und wohl auch immer noch haben wird. Für sein Engagement und seine Offenheit gebührt Ramadan der allergrößte Respekt, sein Roman wird hoffentlich viele Leser:innen erreichen und könnte bei allem Schmerz auch denjenigen Kraft schenken, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.