Inklusion beschreibt ein Grundrecht auf Teilhabe aller Menschen auch an historischer Bildung. Hierfür ist eine geschichtsdidaktische Theoriebildung notwendig, die jeden Menschen, unabhängig von seinen Fähigkeiten und seiner Herkunft, gleichermaßen erfassen kann. Anknüpfend an den phänomenologischen Ansatz der Disability Studies entwickelt die Autorin eine geschichtsdidaktische Theorie, die beim Menschen selbst und nicht beim Phänomen Geschichte ansetzt. Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel: Vernunft und Rationalität, die wir bisher im Bewusstsein verorten, werden auf den Leib als erste Koordinate jeglicher Hinwendung zur Welt bezogen. Begründet wird diese Vernunft des Leibes über das retentionale Bewusstsein, in dem auch die Geschichtlichkeit des Menschen als sedimentierte Geschichte enthalten ist. Als Umschlagstelle zwischen Natur und Kultur ist der Leib ein Ort ganz eigener Reflexivität, der jedem Menschen gleichermaßen eigen ist und seine Hinwendung zur Welt unhintergehbar rahmt. Eine so verstandene inklusive historische Bildung ermöglicht einen Zugang zur sedimentierten Geschichte im Leib. Dies beginnt in Form eines responsiven Verhaltens und erstreckt sich bis hin zu Thematisierungen elaborierter Geschichten, die mit den Menschen verbunden sind, die zusammen leben. Mit Hilfe einer elaborierten Geschichte können Menschen so über sich aufgeklärt werden, dass sie nicht nur Dialoge über Geschichten führen, sondern dialogische Geschichte erleben können.
Inhaltsverzeichnis
1. Worum es gehen wird
2. Worin liegen der Sinn und der Zweck des Geschichtsunterrichts heute?
2.1 Geschichtsbewusstsein jeder Mensch hat es
2.2 Die Orientierungsfunktion von Geschichte ein Blick zurück in die europäische Geschichte
2.3 Kultur als wertender Vergleichsbegriff
2.4 Kultur als Sinn
2.5 Das Gedächtnis der Gesellschaft, die Erinnerungskultur und das kollektive Gedächtnis
2.6 Die Geschichtskultur als die soziale Seite des Geschichtsbewusstseins
2.7 Im Fluchtpunkt zwischen Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur die historische Identität
3. Geschichtsunterricht für einige, nicht für alle
3.1 Geschichte und Dominanzkultur
3.2 Der Gedächtnisbezug der Geschichte Ethnozentrierung und Antigeschichte
3.3 Geschichte und der fähige Mensch Ausführungen zum historischen Prozess und zum historischen Lernen
4. Racism Abelism Sexism Homophobia
5. Der Mensch und seine Stellung zwischen Natur und Kultur
5.1 Mein Leib ein Ort eigener Vernunft
5.2 Mein Leib Ein Ort von Reflexivität eigener Art
6. Mein Leib und sein orientierter Raum
6.1 Die Entstehung des Raumes für mich
6.2 Raum und Geschichte
6.3 Mein Leib und die Begegnung mit Anderen
6.4 Mein Leib die Umschlagstelle zwischen Natur und Kultur
6.5 Der Leib im Kontext der Geschichtsdidaktik Geschichtsbewusstsein als Aspekt der leiblichen Reflexivität
7. Mein Leib und seine orientierte Zeit
7.1 Zeit entsteht im Leib über Bewegungen
7.2 Retentionen, Protentionen und sekundäre Wiedererinnerungen als Grundphänomene des inneren Zeitbewusstseins
7.3 Sinnbildung über Zeiterfahrung: Orientierung in der Zeit mit dem Ziel einer historischen Orientierung
7.4 Gegenwartserinnerungen als Grundphänomen für das Identitätsbewusstsein
7.5 Historische Identität und Subjektbildung in der aktuellen geschichtsdidaktischen Theoriebildung
7.6 Der Andere als mein alter ego die Sozialität des Leibes
8. Die Bedeutung der Sinne bei der Sinnbildung
8.1 Noch einmal: Die Vernunft des Leibes
8.2 Denken und Sprechen vom Leib her gesehen das primordiale Selbst
9. Historische Bildung vom Leib her gesehen
10. Geschichte im retentionalen Bewusstsein: Historische Bildung für Menschen mit Komplexen Behinderungen
10.1 Responsives Verhalten und auf den Widerhall von Geschichte im eigenen Leib hören
10.2 Wenn die historische Erfahrung nach innen gelegt wird
11. Geschichte im retentionalen Bewusstsein: Historische Bildung zur Vorbereitung Dialogischer Geschichte
11.1 Hier stehe ich! Ich kann nicht anders! Das Gewissen wird zur unhintergehbaren Instanz
11.2 Das Wissen um das, was Jan Hus geschehen war: Sedimentierte und elaborierte Geschichte
11.3 Elaborierte Geschichte: Subjektives in Ereignisfolgen erkennen
11.3.1 Darf einer das überhaupt? Plurale Meinungsbildung als Bezugspunkt einer elaborierten Geschichte
11.3.2 Der Islam braucht weder eine Renaissance noch eine Aufklärung, Europa hingegen mehr Selbstreflexivität
12. Dialogische Geschichte als Begegnungsgeschichte oder der unbedingte Wille, gut zusammen zu leben
12.1 Dialoge über Geschichte: Von der Notwendigkeit, mit eigener Stimme sprechen zu lernen
12.2 Dialogische Geschichte: Kannst du mir sagen, was ich will?
Literaturverzeichnis