Michel de Montaigne - Philosophie in Zeiten des Krieges
Sich immer eine Hintertür offen halten, nie alles von sich preisgeben, die Dinge plötzlich von ganz anderer Seite betrachten: Volker Reinhardt erzählt das Leben des philosophischen Virtuosen Montaigne (1533-1592) konsequent in seinem historischen Kontext, der Zeit der Bürgerkriege in Frankreich. So erhält der Parlamentsrat, Romreisende, Bürgermeister von Bordeaux und Kammeredelmann scharfe Konturen, und wir können den Philosophen in seinem Schlossturm, der mit souveräner Distanz auf sich und die Welt blickt, besser verstehen.
Schloss Montaigne, auf dem Höhepunkt der Bürgerkriege: Es klopft. Ein Mann wurde überfallen und begehrt eilig Einlass. Nach und nach treffen seine Begleiter ein. Montaigne schöpft Verdacht: ein trickreicher Überfall! Doch er lässt alle gastfreundlich ein. Die Naivität des Schlossherrn erweicht schließlich den Anführer, der das Signal zum Abzug gibt. Der Krieg zwingt zu unkonventionellen Überlebensstrategien. Montaigne empfiehlt mit dieser Episode «Natürlichkeit» im Verhalten und zugleich kluge Verstellung. Das ist auch die Strategie seiner Essays: Ob er über Freundschaft und Ehe, gute Gespräche und Erziehung oder über seine Krankheiten, Spleens und Obsessionen schreibt, immer wirkt er ganz arglos und spielt doch mit seinen Lesern. Bisher wurde die Biographie Montaignes meist aus seinen verführerisch authentisch klingenden Schriften abgeleitet. Volker Reinhardt geht den umgekehrten Weg und macht von Montaignes Leben aus die Essays neu verständlich: als eine Überlebensphilosophie in Zeiten der Gewalt, die uns bis heute direkt anspricht.
"Präzise und überaus lesenswerte historische Kontextualisierung" Thomas Macho, Frankfurter Allgemeine Zeitung
- Ein neues Bild von Montaigne: Der Bürgermeister, Diplomat und Politiker in seiner Zeit
- Ein neues Verständnis der "Essays": Eine Überlebensphilosophie in Zeiten der Gewalt, die bis heute aktuell ist
- Fesselnd geschrieben von einem der führenden Kenner des 16. Jahrhunderts
- "Reinhardt lässt sich nicht um den Finger wickeln. Mit beeindruckendem Spürsinn entwirrt er das Knäuel aus List, gezielten Abschweifungen und Täuschungsmanövern in Montaignes Schriften." Marianna Lieder, DIE ZEIT
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Schreiben gegen die Gewalt
Erstes Kapitel
HERKUNFT UND JUGEND 1533 1548
Selbstbildnis als Aristokrat
Von Eyquem zu Montaigne
Experimentelle Erziehung
Auf dem Collège
Zweites Kapitel
KARRIEREHOFFNUNGEN, KARRIEREBRÜCHE 1549 1570
Landleben und natürliche Theologie
Jurist wider Willen
Freundschaft mit Etienne de la Boétie
Das Geschäft der Ehe
Der König und die Kannibalen
Der Austritt aus dem parlement
Abrechnung mit der Justiz
Drittes Kapitel
DER EDELMANN ALS SCHRIFTSTELLER 1571 1580
Schlossherr im Bürgerkrieg
Vier Widmungen, ein Ziel
Der Ritter mit der goldenen Kette
Vermittlungsarbeit zu Pferd und am Schreibtisch
Die Essais von 1580 I : Anleitung zum Zweifel
Die Essais von 1580 II : Anleitung zum Leben
Die Essais von 1580 III : Das Ich und die anderen
Die Essais von 1580 IV : Strategien des Überzeugens
Viertes Kapitel
DIE REISE NACH ROM 1580 1581
Das «Reisetagebuch» und seine Rätsel
Die Reise des Standesherrn
Der Todessprung
Römische Exkursionen I: Der Mörder, der Papst und der Exorzist
Römische Exkursionen II: Jüdische und christliche Riten
Die Zensur
Der Körper und seine Rechte
Fünftes Kapitel
BÜRGERMEISTER VON BORDEAUX UND EHRLICHER MAKLER 1581 1588
Die Mühen der Politik
Die Wiederwahl
Eine untertänige Mahnung, viel Routine und ein königlicher Besuch
Schreiben im Zeichen der Bedrohung
Im Elend
Auf gefahrvoller Mission
Die Essais von 1588 I: Entstehung und Umrisse
Die Essais von 1588 II: Wider den Wahn
Die Essais von 1588 III: Die Methode der Selbsterkenntnis
Die Essais von 1588 IV: Selbstbildnis als Biedermann
Sechstes Kapitel
RUHE UND RESIGNATION DIE LETZTEN JAHRE 1588 1592
Eine Tochter im Geiste und drei illustre Todesfälle
Briefe an Heinrich IV.
Stille Tage auf Schloss Montaigne
Anhang
Zeittafel
Anmerkungen
Literatur
Bildnachweis
Personenregister