»Ein wunderschöner Dialog zwischen Mutter und Tochter. Aber ebenso eine Geschichte für alle Menschen - und ein Geschenk. Man sagt Danke und lächelt. «
LA REPUBBLICA
Das poetische Zeugnis der bedingungslosen Liebe einer Mutter zu ihrer Tochter
Daria ist die Tochter, deren Schicksal von Geburt an von einer verpassten Diagnose geprägt ist. Ada ist die Mutter, die an der Schwelle zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr feststellt, dass sie krank ist. Diese Entdeckung wird für sie zum Anlass, ihre Tochter direkt anzusprechen und ihr ihre Geschichte zu erzählen.
Alles geht durch die Körper von Ada und Daria: tägliche Nöte, Wut, Geheimnisse, aber auch unerwartete Freuden und Momente unendlicher Zärtlichkeit.
Ausgezeichnet mit dem wichtigsten Literaturpreis Italiens (Premio Strega)
300. 000 verkaufte Exemplare in Italien
"Die gigantische Geschichte einer Liebe, die niemals aufrechnet." La Stampa
Besprechung vom 12.12.2024
Ein Krieg, den sie sich gern erspart hätte
Postum erhielt Ada d'Adamo dafür den wichtigsten italienischen Literaturpreis: "Brief an mein Kind"
Eine literarische Gestaltung kann Schmerz packend vermitteln und Lust an der Unlust erzeugen: Das beste Beispiel ist die Tragödie. Umgekehrt gibt es Bücher des Leidens, deren literarischen Anspruch zu würdigen man sich schwertut: Missbrauchsbücher aus dem Bereich Autofiktion gehören dazu. Die derzeit sehr angesagte Vermengung von Fakt und Fiktion erschwert eine Bewertung: Man liest erschütternde Texte, fragt sich dann jedoch, ob man sie ebenso mitreißend gefunden hätte, wenn sie reine Erfindung wären. Die Frage ist kaum entscheidbar. Die Konsequenz: Der Realitätsbezug wird zum Maßstab, die literarische Qualität muss zurücktreten.
Die Publikumsreaktion darauf ist häufig die Flucht nach vorn. "Brief an mein Kind" von Ada d'Adamo ist so ein Fall: Man hat den - ja was eigentlich: Lebensbericht? Autofiktionalen Text? Briefroman? - mit Tränen und Lob überschüttet, schließlich bekam das Buch 2023 den Premio Strega, den wichtigsten Literaturpreis Italiens. Und zwar postum, eine Ehre, die zuvor nur Giuseppe Tomasi di Lampedusas Roman "Der Leopard" zuteil wurde, mit dem, so viel wenigstens ist sicher, "Brief an mein Kind" nicht mithalten kann. Was noch nichts heißt: "Il Gattopardo" ist nun einmal ein Meisterwerk.
Man kann die Flucht in Lobeshymnen gut nachvollziehen, denn d'Adamo hat in der Tat ein bewegendes Buch geschrieben, dem man nichts Böses wünscht. Die teils als datierte Briefe, teils nur als nummerierte Kapitel gehaltenen Abschnitte sind an ihre behinderte Tochter Daria gerichtet, die im November 2005 mit Holoprosenzephalie zur Welt gekommen ist, einer Hirnfehlbildung. Erzählt wird der Tochter in den Briefen nicht nur über ihre Kindheit und ihr Heranwachsen bis zum sechzehnten Geburtstag, sondern auch über die Brustkrebserkrankung der Mutter und deren jahrelange Behandlung bis kurz vor dem Tod des Verfasserin: D'Adamo ist im April 2023 verstorben. In dieser Passionsgeschichte wirkt das frühere Leben als Balletttänzerin und Sachbuchautorin vergleichsweise selten nach, am ehesten noch in Tanz-Erinnerungen. Die Autorin konzentriert sich auf die Frage, was es bedeutet, ein unselbständiges Kind großzuziehen und eine Krankheit zu durchleiden, zu bekämpfen, jahrelang: "Noch ein Krieg? Den hätte ich mir gern erspart."
Über Darias Situation macht sich Ada d'Adamo keine Illusionen: "Aber dieses körperliche Wachstum geht nicht mit einer geistigen Entwicklung einher und auch nicht mit dem Erwerb einer wie auch immer gearteten Selbständigkeit." Angesichts dessen verzweifelt sie jedoch nicht: "Jede neue Apparatur ist ein Eingeständnis von Unfähigkeit, sie betont durch ihr Vorhandensein alles, was du nicht schaffst oder nicht tun kannst, und wird dir für immer helfen müssen. Es ist jedes Mal ein Schlag. Den stecke ich ein und mache weiter." Dass die Institutionen ihr dabei kaum eine Hilfe sind, weiß d'Adamo seit Langem: Das "große Sichwegducken" begann direkt nach Darias Geburt. Gemeint ist auch die Familie: "Ein versehrtes Kind zu haben, heißt, allein zu sein. Unwiderruflich und ein für alle Mal allein. Es gibt kein Zurück."
Wie in Deutschland oder Frankreich wird Inklusion in Italien überall gefordert und fast nirgends gefördert. Am Tag der Einschulung, die Betreuungslehrerin an einer Inklusionsschule: "Nein, Signora, ich gebe Ihrer Tochter bestimmt nichts zu trinken, denn wenn sie sich am Wasser verschluckt, wandere ich ins Gefängnis." So beginnen Wege tief in die Hölle. D'Adamo nimmt den Gang auf sich, und auch wenn sie behauptet, sie sei "weder eine Hyänenmutter noch eine Mutter Courage", tendiert man dazu, in ihr Letztere zu sehen. Allerdings eine menschliche, sympathische Version: "Daher gibt es Tage, an denen ich lockerlasse und die Augen schließe, um nicht hinzusehen. Von Schuldgefühlen übermannt, fürchte ich in solchen Momenten jedes Mal, dir zu schaden, deine Rechte nicht energisch genug zu verteidigen. Aber hier geht es ums Überleben, mein Überleben. Zu akzeptieren, dass man es nicht immer schafft, auch das ist ein Teil des Weges. Ich atme tief durch und setze, zumindest diesmal, eine Runde aus."
Neben dem dominanten Leid gibt es Momente der Entspannung, ja des Glücks, etwa im Schwimmbad, wenn Darias "Körper langsam seine Steifheit" verliert: "Ich kann dir tausend Wasserküsse geben." Selbst aus der Reihe der Schmerzen kann Ada d'Adamo noch Trost ziehen. Die Geburt einer behinderten Tochter ist für sie das Gefühl, dass "etwas aufriss, was schon zerrissen war": eine Anspielung auf ihre Jugendliebe, Paolo, der mit einundzwanzig Jahren auf dem Meer verschollen ist. Die Krankheit ist ebenfalls nur eine Enthüllung: "Diese Verletzung, dieser Wirbelbruch, dieser Knoten in der Brust waren längst da. Dieser Tumor bin ich, er ist meine Identität. In ihm erkenne ich mich. Und lebe endlich." Da ist sie wieder, die sehr katholische Verwandlung des Leids.
Menschlich ist alles nachvollziehbar, erschütternd; Ada d'Adamo hatte wohl Ecken und Kanten, muss aber eine wunderbare Person gewesen sein. Literarisch ist "Brief an mein Kind" schwerer zu gewichten, eben weil man vom Erlebten nicht abstrahieren kann. Die im Buch genannten Gewährsleute geben einen zweideutigen Wink: Annie Ernaux oder Emmanuel Carrère sind ja ebenfalls Wackelkandidaten, deren Bücher das eigene oder fremde Leben auf eine Weise erforschen, die heute reizt - deren Bedeutung für die Zukunft jedoch völlig offen scheint. Sprachliche Kriterien klären die Frage ebenfalls nicht. "Mein Herz ist versteinert. Hart, kratzfest." Hier verwandelt d'Adamo nicht nur das Leid, sondern belebt auch ein sattsam bekanntes Bild neu - auf etwas zu gefällige Art. An anderen Stellen ist der Stil noch weicher, unsicherer. So bleibt einem nichts anderes übrig, als den Band so zu nehmen, wie Ada d'Adamo ihr Leben: Tag für Tag, Seite für Seite. NIKLAS BENDER
Ada d'Adamo: "Brief an mein Kind".
Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Eisele Verlag,
München 2024.
192 S., geb.
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