Nach mehr als 30 Jahren gibt die erfolgreiche Anwältin Eva Herbergen ihre Anwaltszulassung vorzeitig zurück, was ist vorgefallen? Warum zögert sie erst und überlässt diese wichtige und lebensverändernde Entscheidung dem Zufall? Ein spannender Einstieg, Rahmenhandlung für den Roman Dunkle Momente von Elisa Hoven.
Nun folgen neun ihrer spektakulärsten Fälle, nach und nach werden sie aufgerollt,, die Vorgeschichte, die Verhandlung, das Verhalten der Strafverteidigerin, der Ausgang des Gerichtsprozesses und als besonderes Bonbon noch wie die Geschichte für den Täter oder das Opfer weitergeht.
Die Autorin selbst ist Professorin für Strafrecht an der Uni Leipzig, Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof und Verfasserin mehrerer Bücher, also Kennerin des Systems.
Aber ganz ehrlich: Ich kann diesen Roman von Elisa Hoven kaum lesen - das ist ein Sammelsurium an Gräueltaten, die Elite der skurrilen und in der Öffentlichkeit häufig bekannten Fälle, die es auf die Titelseite der Zeitungen geschafft haben. Teilweise muss ich die Schilderung der Taten überfliegen, da die Bilder nicht im Kopf bleiben sollen. Es ist schon äußerst sensationell und auch Effekthascherei dabei, eine Sammlung der schrecklichsten und unvorstellbarsten Fälle der deutschen Justizgeschichte. Nichts für schwache Nerven, gerade weil wir auch wissen, dass die Schilderungen im Gegensatz zu grausamen Psychothrillern auf der Realität basieren.
Mein Fazit:
Der Roman ist auf alle Fälle interessant zu lesen, er ist sehr kurzweilig, unterhaltsam, häufig atemberaubend und sprachlich ansprechend. Allerdings habe ich mich immer wieder über das Verhalten der Anwältin gewundert bzw. teilweise auch geärgert. Wer handelt so unklug? Ist das für eine angesehene und erfolgreiche Juristin noch glaubhaft? Welchen Eindruck bekommen Laien von der Justiz? Recht und Gerechtigkeit scheinen nicht im Gleichgewicht zu sein.
Außerdem waren für mich die Fälle zu sensationell, eine Gräueltat folgt der nächsten, ein Fall ist schockierender als der letzte, es wird gemordet, vergewaltigt, getötet, geraubt, hintergangen, betrogen für True-Crime-Fans aber sicherlich ein intensiver Leckerbissen.
Den Roman werde ich an einen jungen Studenten verschenken, er studiert Jura im 4. Semester und erzählt immer ganz begeistert von diversen Fällen, die er wieder an der Uni diskutiert hat in seinem jugendlichen Eifer sind die Gedankenspiele und Reflexionen zu dem Verhalten der Juristin und den Entscheidungen des Gerichts sicherlich noch sehr anregend und faszinierend. Diesen Punkt möchte ich auch positiv herausstellen: Die Frage nach Recht und Gerechtigkeit steht im Zentrum und immer wieder kann man sich fragen, wie hätte man selbst in bestimmten Momenten reagiert, wie beurteilt man die Situation, welche Entscheidungen wären denkbar. Wie wird ein Mensch zum Täter? Wer ist Täter? Wer ist Opfer? Es geht um den dunklen Moment im Leben eines Menschen, und dieser ist immer einen genauen Blick und auch eine Geschichte wert.