Bücher versandkostenfrei*100 Tage RückgaberechtAbholung in der Wunschfiliale
product
product
product
product
product
cover

Gekränkte Freiheit

Aspekte des libertären Autoritarismus | Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 | Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste (DLF Kultur/ZDF/DIE ZEIT)

(1 Bewertung)15
280 Lesepunkte
Buch (gebunden)
28,00 €inkl. Mwst.
Zustellung: Di, 17.09. - Do, 19.09.
Sofort lieferbar
Versandkostenfrei
Empfehlen

Ein wichtiger und hochaktueller Beitrag zur Debatte über den Zustand unserer Demokratie.

Corona-Kritiker mit Blumenketten, Künstlerinnen, die naturwissenschaftliche Erkenntnisse infrage stellen, Journalisten, die sich als Rebellen gegen angebliche Sprechverbote inszenieren: Der libertäre Autoritäre hat Einzug gehalten in den politischen Diskurs. Er sehnt sich nicht nach einer verklärten Vergangenheit oder der starken Hand des Staates, sondern streitet lautstark für individuelle Freiheiten. Etwa frei zu sein von Rücksichtnahme, von gesellschaftlichen Zwängen - und frei von gesellschaftlicher Solidarität.

Der libertäre Autoritarismus, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey, ist eine Folge der Freiheitsversprechen der Spätmoderne: Mündig soll er sein, der Einzelne, dazu noch authentisch und hochgradig eigenverantwortlich. Gleichzeitig erlebt er sich als zunehmend macht- und einflusslos gegenüber einer komplexer werdenden Welt. Das wird als Kränkung erfahren und äußert sich in Ressentiment und Demokratiefeindlichkeit.

Auf der Grundlage zahlreicher Fallstudien verleihen Amlinger und Nachtwey dieser Sozialfigur Kontur. Sie erläutern die sozialen Gründe, die zu einem Wandel des autoritären Charakters führten, wie ihn noch die Kritische Theorie sich dachte. Die Spätmoderne bringt einen Protesttypus hervor, dessen Ruf nach individueller Souveränität eine Bedrohung ist für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen: die Verleugnung einer geteilten Realität.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
10. Oktober 2022
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
480
Autor/Autorin
Carolin Amlinger, Oliver Nachtwey
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Abbildungen
1 Abb.
Gewicht
658 g
Größe (L/B/H)
223/147/34 mm
ISBN
9783518430712

Portrait

Carolin Amlinger

Carolin Amlinger, geboren 1984, ist Literatursoziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Basel.

Oliver Nachtwey, geboren 1975, ist Professor für Sozialstrukturanalyse am Fachbereich Soziologie der Universität Basel. Für sein Buch

Die Abstiegsgesellschaft

wurde er 2017 mit dem Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.

Pressestimmen

»Nachtwey und Amlinger sind nämlich alles andere Dogmatiker, eher aufrichtige Grübler, die ernsthaft verstehen wollen, was gerade eigentlich los ist. Und sie können schwungvoll schreiben, für eine sozialwissenschaftliche Studie dieses Anspruchs und Umfangs ist der Band beinahe ein Pageturner.« Jens-Christian Rabe, Süddeutsche Zeitung

»Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ist ein Neoklassiker der Sozialwissenschaften gelungen.« Ronald Pohl, derStandard

»Die Stärke des Buches liegt dort, wo die Autoren, gestützt auf ihre Interviews, diese neuen Charaktere des Autoritären nachzeichnen, ihrer Herkunft aus Milieus der spätmodernen Gesellschaft nachgehen und die beiden Haupttypen charakterisieren.« Herfried Münkler, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Theoretisch originell und empirisch gehaltvoll ...« Christian Marty, Neue Zürcher Zeitung

» Gekränkte Freiheit bietet weit mehr als ein bloß soziologisch fundiertes Psychogramm der von links nach rechts driftenden Querdenkerin; oder des gefallenen Intellektuellen , der den Schmerz des Verlusts von Diskursprivilegien durch den Kampf gegen Gendersternchen kompensiert. ... [Amlinger und Nachtwey] arbeiten minutiös heraus, wie der allgemeine gesellschaftliche Wandel gestern noch als fortschrittlich geltende Werte in autoritärer Weise aufladen kann.« Christoph David Piorkowski, Der Tagesspiegel

»Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey liefern in ihrem Buch Gekränkte Freiheit die bisher wohl gründlichste und triftigste Analyse der Querdenkerszene ab.« Jens Buchholz, Frankfurter Rundschau

»Die Originalität und große aktuelle Relevanz von Amlingers und Nachtweys Buch liegen nicht nur darin, dass sie die Logik und Dynamik eines neuen Protests greifbar werden lassen. Sie legen nuanciert und umsichtig dar, wie das, was sie als libertären Autoritarismus beschreiben, keine individuelle Pathologie und kein Syndrom bloß versprengter Einzelpersonen ist, sondern eine Diagnose der Gegenwart.« Novina Göhlsdorf, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

»Amlinger und Nachtwey haben eine Nase für Ambiguitäten und sehen das Antiautoritäre im Autoritären. An sich gute Machtskepsis eskaliert ins destruktive Dauerdagegensein.« Robert Misik, taz. die tageszeitung

»Erhellende Bücher wie Gekränkte Freiheit sind ein Beitrag im andauernden Gespräch einer aufgeklärten Gesellschaft mit sich selbst.« Arno Frank, DER SPIEGEL

»... wer für die eigene Freiheit streiten will, muss dieses Buch kennen ...« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

»Stimulierend an der Gekränkten Freiheit [ist], dass sie mit der Dialektik der Aufklärung wirklich ernst machen will.« Daniel Binswanger, Republik

Besprechung vom 22.11.2022

Was, eine Maske soll ich tragen?
Aus links geprägten Milieus zu den "Querdenkern": Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey beschreiben einen autoritären Typus der Gegenwart

Die Gesellschaften der Moderne haben eine ausgeprägte Neigung, ihre Geschichte mitsamt der zukünftigen Entwicklung als einen einsinnigen Prozess des Noch-mehr und des Noch-besser zu denken. Die Vorstellung, dass es Paradoxien und Kehrtwenden gerade infolge des Mehr und Besser gibt, liegt ihnen fern. Sie sperren sich geradezu gegen sie, denn ein genaueres Bedenken, zumal eines, das nicht nur die ökologischen Konsequenzen dieser Einsinnigkeit im Auge hat, hätte ein Innehalten zur Voraussetzung. Die Folgen dieser forcierten Einsinnigkeit, verstanden als Ideologie des unbedingten Fort- und Voranschreitens, hat die Autoren der Kritischen Theorie bereits in den 1930er- und 1940er Jahren stark beschäftigt und sie dazu gebracht, die Moderne und den Prozess der Modernisierung mit einer Reihe von Caveats zu umstellen. Sie selbst haben die Aufklärung, das Antriebsmoment der Moderne, mit Misstrauen betrachtet. Sie sei nicht nur eine Überwindung des Mythos, sondern könne auch ins Mythische umschlagen, selbst zum Mythos werden.

Für Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey ist das die Anleitung zum Verständnis einer Entwicklung, die in jüngster Zeit deutlich zu beobachten ist: der Hinwendung vieler, die dem alternativen oder auch linksliberalen Milieu entstammen, zu einer aggressiven Opposition gegen die Gesundheits- und Vorsorgepolitik des Staates in Zeiten der Pandemie und der Ablehnung praktischer Solidarität mit der vom russischen Angriffskrieg überzogenen Ukraine - kurzum einer Annäherung an Positionen, die üblicherweise eher der politischen Rechten als der Linken zugerechnet werden. Das wird von den Betreffenden aber nicht im Sinne einer politischen Kehrtwende verstanden, sondern in protzigem Beharren darauf kommuniziert, sie seien die letzten Verteidiger der individuellen Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Amlinger und Nachtwey nennen sie "libertäre Autoritäre".

Der Charme des Buches besteht darin, dass die Autoren einerseits die breite Spur der Kritischen Theorie verfolgen und dabei vor allem die "Studien zum autoritären Charakter" sowie Erich Fromms "Die Furcht vor der Freiheit" heranziehen und andererseits vor diesem Hintergrund die von ihnen geführten Interviews mit Leuten aus der "Querdenker"-Szene auswerten, um unterschiedliche Profile des "libertären Autoritarismus" zu entwerfen.

Zunächst aber geht es darum, diese libertären Autoritären gegen den Typus des autoritären Charakters abzusetzen, wie er von den Autoren der Kritischen Theorie beschrieben wurde: auf Führerpersonen fixiert und ausgesprochen autoritätshörig. Gerade das lässt sich bei den libertären Autoritären nicht beobachten. Sie zeichnen sich vor allem durch ihre Ablehnung von Autorität, zumal der des Staates, aus. Die Autorität, der sie anhängen, so die These der beiden Autoren, ist die einer verdinglichten Freiheit, die nur die eigenen Handlungsspielräume im Sinne hat und sich nicht dafür interessiert, inwieweit durch das eigene Tun die Freiheit anderer eingeschränkt wird.

Das Autoritäre dieser Libertären bestehe darin, dass sie sich und ihre Interessen zum unbedingten Maßstab machen. Das unterscheidet sie von den Autoritären des vorigen Jahrhunderts, die Führerfiguren verehrten und vor allem buckelten, was nach autoritärem Staat aussah, selbst wenn dieser Typus vermutlich zuletzt wieder öfter anzutreffen ist. Zwei Typen dominieren Amlinger und Nachtwey zufolge den libertären Autoritarismus: der "Rowdy"/"Rebell" und der "Spinner", der sich seine eigene Welt konstruiert und sie gegen die Realität setzt. Der "Rowdy" empfindet schon die geringste Verhaltensnormierung, etwa die Aufforderung zum Tragen einer Maske, als unzulässigen Eingriff in seine Freiheit. Für ihn beginnt und endet der Tag mit demonstrativen Akten des "Widerstands" gegen solche Forderungen, auf andere Rücksicht zu nehmen. Der "Spinner" dagegen ist damit beschäftigt, sich und anderen zu erklären, warum der Staat in Wahrheit dazu auffordert, sich impfen zu lassen, und weitet dabei das Netz der Verschwörungstheorien immer weiter aus. Er ist autoritär, weil er seine selbst zusammengesponnene Welt zur absoluten Autorität in Sachen Welterklärung macht.

Die Stärke des Buches liegt dort, wo die Autoren, gestützt auf ihre Interviews, diese neuen Charaktere des Autoritären nachzeichnen, ihrer Herkunft aus Milieus der spätmodernen Gesellschaften nachgehen und die beiden Haupttypen charakterisieren. Weniger überzeugend fällt dagegen ihr Versuch aus, die Entstehung dieses Sozialcharakters aus Verwerfungen spätkapitalistischer Gesellschaften herzuleiten: Wenn ein Freiheitsanspruch angemeldet wird, der so exzessiv ist, dass die Freiheit der anderen nicht mehr in Anschlag gebracht und schon der geringste Hinweis auf Sozialität als "Kränkung" empfunden wird, so ist das kein Spezifikum des Kapitalismus, sondern Begleiterscheinung jeder Form gesellschaftlichen Lebens. In einer ökologischen Gesellschaft werden solche "Kränkungen" noch häufiger anzutreffen sein, und sie werden vor allem auf Dauer angelegt sein. Was, folgt man Amlinger und Nachtwey, heißt: Die Zahl der libertären Autoritären wird weiter wachsen. Darauf sollte man sich politisch einstellen. HERFRIED MÜNKLER

Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey: "Gekränkte Freiheit". Aspekte des libertären Autoritarismus.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 480 S., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

Bewertungen

Durchschnitt
1 Bewertung
15
1 Bewertung von LovelyBooks
Übersicht
5 Sterne
1
4 Sterne
0
3 Sterne
0
2 Sterne
0
1 Stern
0

Zur Empfehlungsrangliste