Die Beschreibungen von Personen, Landschaft und Atmosphäre sind wieder sehr gelungen, aber recht düster und schwermütig.
Dörte Hansen ist Expertin für feinsinnige Beschreibungen des Alltags in Dörfern und abgelegenen Orten, fernab von Postkartenromantik. Das hat mir schon in "Altes Land" sehr gut gefallen, aber in diesem Buch musste ich mich trotz des relativ geringen Umfangs durchkämpfen. Die Beschreibungen der Personen, der Landschaft und der Atmosphäre sind wieder sehr gelungen, aber für meinen Geschmack ist es doch recht düster und melancholisch geraten. Der Humor, der in ihren anderen Werken immer wieder durchschimmert und alles erträglicher macht, fehlt hier fast völlig.Wir begleiten hauptsächlich die Familie Sander. Mutter Hanne hat das Haus früher an Pensionsgäste vermietet, aber vor den neumodischen, ungehobelten Touristen kapituliert. Vater Jens hat sich von den Menschen abgewandt, um Vögel zu beobachten. Tochter Eske arbeitet auf dem Festland in einem Pflegeheim und protestiert mit Metal und Tattoos gegen konservative Werte. Der älteste Sohn Ryckmer ist ein gescheiterter Seemann und Alkoholiker, der jüngste Sohn Henrik macht aus Treibgut Kunstwerke und verkauft sie an Touristen.Auf der Handlungsebene passiert fast nichts, stattdessen wird das trostlose Leben beschrieben. Es ist etwas schade, dass man nie die Perspektive eines Menschen einnimmt, dem es gut geht. Ab und zu wird versichert, dass früher auch nicht alles gut war und das Leben viel härter. Aber während man früher seinen Körper und seine Gesundheit aufs Spiel setzte, verkauft man heute seine Seele. Die Einheimischen werden wie Zirkustiere auf Festen für Touristen begafft, haben das echte Seemannsleben, von dem sie erzählen, nie kennengelernt, haben zwar mehr Geld zur Verfügung, sind aber nicht glücklich. Sogar der Inselpfarrer hat eine Sinnkrise.Ein bisschen mehr Hoffnung hätte ich mir schon gewünscht und auch mehr Handlung statt Stillstand. So ist es eine trostlose Zustandsbeschreibung. Auf jeden Fall ein schonungsloser Blick auf die Schattenseiten eines allzu beliebten Urlaubsortes, der zum Nachdenken über den Massentourismus anregt.