Dieses Debüt von Gianna Lange hat es in sich. Ein wunderbar aufgebauter, liebevoller Roman in einer poetischen Sprache, die einen von Anfang an fesselt und mitnimmt. Selten habe ich mich in den Zeilen derart wohl gefühlt. Da gibt es kein Holpern, kein Ruckeln, sondern einen sehr harmonischen Flow rund um die Geschichte von Rosa.
Rosas Familienleben ist nicht einfach. Sie hat mir ihrer Mutter Elise eine besondere Beziehung. Und Elise hat Schwierigkeiten mit ihrem Leben. Es gibt dunkle Momente, aber auch sehr Helle. Rosa erinnert sich an eine gemeinsame Reise, eine Art Road Trip, der die beiden über Berlin, Prag, Budapest bis nach Mostar und in die Herzegowina führte. Sie standen auf der Brücke und sahen den Wagemutigen zu, die hinunter in den Fluss sprangen. Sie beschlossen, es auch zu tun wenn sie das nächste Mal wieder in der Stadt wären.
und dann springen wir
S. 48: Wer ist Elise? Zutreffende Antworten an solchen Tagen: Glück und Leichtigkeit. Nudeln mit Tomatensoße, Vanilleeis im Gefrierfach. Worte, Taten, Lieder. Leben.
Doch dann stirbt Elise. Ihr geschwächter Körper kann dem Druck der Tuberkuloseerkrankung nicht mehr standhalten. Und Rosa steht alleine da, muss die Beerdigung organisieren, muss mit ihrer Trauer fertig werden. Und sie muss, ob sie will oder nicht, Kontakt zu ihrem Vater aufnehmen. Der ist eines Tages gegangen, hat die beiden verlassen und eine neue Familie gegründet. Der Kluft ist groß, besonders weil Rosa es so wollte.
Bis zur endgültigen Beisetzung nach der Einäscherung hat Rosa Zeit, weiß nicht viel mit sich anzufangen, und beschließt, den Trip von damals zu wiederholen. Alleine.
Sie trifft auf eine Bekannte Emma. Emma ist ganz besonders. Während Rosas Familie ein Trümmerhaufen ist, der vielleicht zum Teil wieder gekittet werden kann, ist Emma als Adoptivkind auf der Suche nach ihren Wurzeln. Emmas und Rosas Suche führt sie wieder nach Mostar. Und dort, ja was dort alles passiert, müsst ihr selber lesen. Schmerzliches und viel Herzliches, soviel kann ich noch verraten.
Parallelen zur Seele von Elise und der Stadt sind nicht von der Hand zu weisen, und in diesem Roman spielerisch miteinander verstrickt.
S.123: Für Elise war es Mostar gewesen. Das Ziel ihrer Flucht. Die Stadt hatte etwas Brutales, sie war vernarbt und hatte Brüche und Risse von all den Schlägen, die sie eingesteckt hatte. Dem setzte sie trotzig ihre überwältigende Schönheit entgegen.
Familie, Trauer, Suche nach sich selbst, nach dem Leben selbst das und so vieles mehr steckt in diesem Roman, der, wie ich schon erwähnte, mich sehr begeistert hat. Und er ist nebenbei eine versteckte Liebeserklärung an die Stadt Mostar und die Herzegowina. Man möchte sich sofort auf diesen Roadtrip begeben.
S.8: Ich hielt den Blick geradeaus gerichtet, wo sich die Nacht zwischen die Bäume schlich. Vielleicht sollten wir bleiben, Elise. Doch Elise war nicht mehr da.
Was für ein Debürtoman! Ganz große Leseempfehlung. Da kann man sich sehr auf hoffentlich noch viele Romane von Gianna Lange freuen.