Leon de Winter ist bekannt für seine thematische und stilistische Vielseitigkeit, die sich von Roman zu Roman stark unterscheiden kann. Dennoch besitzen seine Werke einen unverkennbaren Stil, der sich in der klaren Sprache, seinen oft ambivalenten Protagonisten und einer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Themen zeigt. Auch sein neuer Roman "Stadt der Hunde", der am 22. Januar im Diogenes Verlag erschienen ist, fügt sich in dieses Muster ein.
Im Zentrum der Geschichte steht Jaap Hollander, ein niederländischer Jude, der sich nicht ausschließlich mit seinem Herkunftsland, den Niederlanden, verbunden fühlt. Gleichermaßen zieht es ihn immer wieder nach Tel Aviv und insbesondere in die Wüste Negev, wo seine Tochter vor Jahren spurlos verschwand. Als ehemaliger Gehirnchirurg im Ruhestand wagt er eine erneute Reise an diesen Ort, um nach Hinweisen auf ihr Schicksal zu suchen. Doch diese Reise nimmt eine unerwartete Wendung: Ein Scheich bittet ihn, eine lebensrettende Gehirnoperation an seiner Tochter durchzuführen Jaap ist ihre letzte Hoffnung. Der Chirurg willigt ein, jedoch nicht aus idealistischen oder humanitären Gründen. Vielmehr reizt ihn die immense Bezahlung, die ihm weitere Mittel zur Suche nach seiner Tochter verschaffen könnte.
Mit dieser Ausgangslage entfaltet sich eine Geschichte voller Unwägbarkeiten und überraschender Wendungen. Die Operation selbst stellt ein riskantes Unterfangen dar, dessen Ausgang lange unklar bleibt. Doch auch darüber hinaus bleibt der Roman spannend: Ein Scheitern hätte weitreichende politische Konsequenzen, während selbst ein Erfolg nicht frei von Risiken ist.
Gleichzeitig ist "Stadt der Hunde" nicht nur ein politischer Thriller, sondern auch eine tiefgehende Charakterstudie. Seine Obsession, das Verschwinden seiner Tochter aufzuklären, hat Jaap an den Rand des Wahnsinns getrieben. Seine Skrupellosigkeit und seine Besessenheit verleihen ihm eine zwiespältige Natur. Als renommierter Chirurg war er einst weltweit angesehen, doch privat fiel er durch seine Affären und seinen Charme auf. De Winter zeichnet ihn als vielschichtige Figur, die sowohl fasziniert als auch irritiert.
Bemerkenswert ist, dass der Roman selbst dann noch mit unerwarteten Entwicklungen aufwartet, als die Operation längst abgeschlossen ist und die unmittelbaren Konsequenzen geklärt scheinen. Dies trägt dazu bei, dass der Leser nicht nur in die Handlung hineingezogen wird, sondern auch einen tiefen Einblick in die Psyche des Protagonisten erhält eine Qualität, die in dieser Intensität selten in der Literatur zu finden ist.
Insgesamt ist Stadt der Hunde zu den stärkeren Romanen des Autors zu zählen, der die Praktiken eines Gehirnchirurgen mit politischen Spannungen in Israel und menschlichen inneren Konflikten auf eine leichtfüßige Art kombiniert.