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Stern 111

Roman | Georg-Büchner-Preis 2023. Preis der Leipziger Buchmesse 2020, Belletristik

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Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlässt das Ehepaar Bischoff sein altes Leben - die Wohnung, den Garten, seine Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die beiden Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangswohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, einem »Lebensgeheimnis«, von dem selbst ihr Sohn Carl nichts weiß. Carl wiederum, der den Auftrag verweigert, das elterliche Erbe zu übernehmen, flieht nach Berlin. Er lebt auf der Straße, bis er in den Kreis des »klugen Rudels« aufgenommen wird, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leerstehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Im U-Boot der Assel schlingert Carl durch das archaische Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen, »die einzige Frau, in die er je verliebt gewesen war«.

Ein Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse: Nach dem prämierten Bestseller Kruso führt Lutz Seiler die Geschichte in zwei großen Erzählbögen fort - in einem Roadtrip, der seine Bahn um den halben Erdball zieht, und in einem Berlin-Roman, der uns die ersten Tage einer neuen Welt vor Augen führt. Und ganz nebenbei wird die Geschichte einer Familie erzählt, die der Herbst 89 sprengt und die nun versuchen muss, neu zueinander zu finden.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
02. März 2020
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
528
Reihe
rbb Kultur
Autor/Autorin
Lutz Seiler
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
619 g
Größe (L/B/H)
215/134/40 mm
ISBN
9783518429259

Portrait

Lutz Seiler

Lutz Seiler (geboren 1963) wuchs in Ostthüringen auf. Sein Heimatdorf Culmitzsch wurde 1968 für den Uranbergbau geschleift. In Gera schloss er eine Lehre als Baufacharbeiter ab und arbeitete als Zimmermann und Maurer. Während seiner Armeezeit begann er sich für Literatur zu interessieren und selbst zu schreiben. Bis Anfang 1990 studierte er Geschichte und Germanistik an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale). 1990 ging Seiler nach Berlin, wo er einige Jahre als Kellner arbeitete. Längere Auslandsaufenthalte in Rom, Los Angeles und Paris. Seit 1997 leitet er das literarische Programm im Peter-Huchel-Haus bei Potsdam. Seiler lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau in Wilhelmshorst und Stockholm.

Von 1993 bis 1998 war Seiler Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift

moosbrand

. Er schrieb zunächst vor allem Gedichte (fünf Gedichtsammlungen sind erschienen) und Essays, später auch Erzählungen und Romane. Für die Erzählung

Turksib

wurde Seiler 2007 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Für sein Romandebüt

Kruso

erhielt er 2014 den Deutschen Buchpreis. Der Roman wurde in 25 Sprachen übersetzt, mehrfach für das Theater adaptiert und von der UFA verfilmt. Sein zweiter Roman

Stern 111

wurde 2020 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Im August 2021 erschien der Gedichtband

schrift für blinde riesen

. 2023 wird Lutz Seiler mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.

Pressestimmen

»Lutz Seiler erzählt von einer Stadt und einer Zeit, die schon auserzählt schien. Aber er schafft einen neuen Bann. « Jona Nietfeld, Der Tagesspiegel

» Stern 111 ist die atmosphärisch dichte Geschichte der unmittelbaren Nachwendezeit. « FOCUS

»Seiler erzählt in poetisch-präziser Sprache eine Freiheitsgeschichte. « Xaver von Cranach, DER SPIEGEL

»Was in [Seilers] Brennglas erscheint, ist eine Nahbetrachtung eines historischen Moments, in dem das Andere als Möglichkeit zum Greifen nahe schien und dann doch zerfiel. Der Kraft, die diese Verheißung freizusetzen vermag, gibt der Roman eine unverwechselbare Stimme. « Steffen Mau, der Freitag

»Lutz Seiler macht hier sichtbar, was jenseits der blickdichten Klischees vielleicht einmal möglich war. Und es wäre wohl noch heute möglich, wenn die Beseelung gesamtdeutsch nicht so gelitten hätte. Stern 111 ist ein Roman voll knallhart herzergreifender Psychologie, voll Szenen, in denen Menschen an einer Wirklichkeit rütteln, die sich gerade neue Gesetze gibt. « Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung

»Lutz Seilers Roman Stern 111 erzählt grandios vom chaotischen Aufbruch in Ost-Berlin nach dem Ende der DDR. « Cornelia Geißler, Frankfurter Rundschau

»Berührender als Lutz Seiler hat sehr lange niemand mehr von diesen nebligen, von anderen Dichtern zig mal in grellen Farben übertünchten Jahren erzählt. « Anja Maier, taz. die tageszeitung

»Lutz Seiler erreicht hier das Niveau eines Thomas Pynchon. . . . Das ist atmosphärenreiche, wirkliche Weltliteratur. Weltliteratur ist ja das, was mich die Welt mit anderen Augen wahrnehmen lässt, was mir ein Stück von der Welt zeigt, wie ich es bisher noch nicht gesehen habe. Und das kann Seiler in Stern 111 . « Denis Scheck, SWR2

»Lutz Seiler ist nun schon zum zweiten Mal etwas sehr Außergewöhnliches gelungen: nämlich in einem im besten Sinne massentauglichen Roman davon zu erzählen, wie man das poetische Dasein wirklich führt, eine so euphorische wie grausame Angelegenheit. « Jan Wiele, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»[Seiler legt] den Glutkern alles Politischen, dessen Doppelnatur frei: die Einheit von poetischer Schwärmerei und Revolutionsmystik. Darin ist Stern 111 große Literatur. « Ijoma Mangold, DIE ZEIT

»Präzise, poetisch, mitreißend. « stern

»Dies ist mehr als ein bloßer Zeitroman. Er verdichtet eine Epoche und zitiert auf höchst eigenständige Weise die großen Bewusstseinspanoramen der Moderne und der Ostmoderne. « Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Kultur

»Lutz Seiler ist mit Stern 111 wieder ein großer Roman gelungen, der auf berückende Weise von Aufbruch und Untergang erzählt, von sozialen Utopien und gesellschaftlicher Realität, von Demütigung und Stolz. Ein faszinierendes Geschichts- und Geschichtenbuch. « Katja Weise, NDR Kultur

»Dieser unverhoffte Nachwende-Roman aus dem teilweise verfallenen, längst noch nicht gentrifizierten Berlin überzeugt durch seine einmalige atmosphärische Dichte, durch sanfte Ironie und die Hinwendung zur Materie. « Bayerischer Rundfunk

»Ein großartiges, dicht erzähltes Stück deutscher Zeitgeschichte. « Alexander Wasner, SWR2

Besprechung vom 07.03.2020

Suche Höhle für poetisches Dasein

Ein Haus besetzen und vor Glück vom Dach springen: Lutz Seilers Roman "Stern 111" erzählt von deutscher Wende-Euphorie um 1989/90 und danach - so intensiv, dass man am liebsten dabei gewesen wäre.

Von Jan Wiele

Der magische Trick an Lutz Seilers Literatur? Sie kann das vermeintlich Banale in etwas ganz Besonderes, sogar Heiliges verwandeln. Eine scheinbar uninteressante Böschung am Bahndamm: "gelobtes Land", wenn ein Gedicht Seilers sie dazu erklärt. Eine Suppe aus Essensresten: eine "ewige Suppe", wenn der charismatische Anführer Kruso sie im gleichnamigen Roman kocht. Und ein Mittelklassewagen aus östlicher Ferne und Vergangenheit, der in unserem maßlosen SUV-Zeitalter wie ein Witz wirken muss: eine Wunderkiste, in die man nach Lektüre von Seilers neuem Roman sofort einsteigen möchte. "Es war ein schönes fließendes Fahren. Der Shiguli rollte praktisch von allein, und Carl konnte träumen. Er mochte das Geräusch der Radialreifen auf Pflasterstraßen, und also suchte er sich Pflasterstraßen - die nachtgraue Schönhauser Allee zum Beispiel, bergauf und bergab, das Summen und Brummen unter den Schädeldecken der Pflastersteine, so lange bis ihm warm war. Dazu das stumpfe Meeresrauschen des Gebläses, der Wind und die Wärme auf den Wangen. Der Shiguli lief wie auf Schienen, die er sich weise vorausschauend selbst auslegte."

Wir sind in Berlin, Dezember 1989. Wer nicht in der DDR aufgewachsen ist, wird das beschriebene Automodell kaum kennen. Seinen poetischen Auftritt hat Seiler indes lange vorbereitet. Bereits in einem 2004 erschienen Essay mit dem Titel "Schwarze Abfahrt Gera-Ost" beschreibt der gebürtige Thüringer die Faszination fernwehgetriebener Ausflüge mit dem Vater "über die Felder an die Autobahn". Dort beim Beobachten dann "der lange utopische Wunsch nach einem eigenen Wagen, der Anfang der siebziger Jahre mit einem WAS 2101, der damals noch Shiguli hieß und später LADA, in Erfüllung ging. Ein solides Auto von der Wolga, kantig und schneeweiß."

Aus der Utopie ist Biographie geworden - und jetzt ein Roman. Darin ist die Sehnsuchts-Erinnerung ausgebaut zum Sonntagspicknick. Nun mit beiden Eltern, aber demselben Wunsch nach einem Shiguli, "die Radkappen verchromt und die Karosse schneeweiß wie die Birken an der Autobahn". Und noch etwas kommt dazu: "Hauptereignis waren die Wagen aus dem Westen", die der Vater am Motorengeräusch unterscheiden kann. Sein Sohn, der damals noch in einer Karre sitzt, hat auf den Knien ein Kofferradio namens "Stern 111", das dem Roman seinen Titel gibt. Noch eine Wunderkiste, die somit auch das Buch zu einer macht.

Der Sohn, gereift zum jungen Mann, heißt Carl und hat manches mit seinem Erfinder gemein. Mit dem Shiguli des Vaters fährt er im Wende-Spätherbst von Gera nach Berlin, um ein neues Leben anzufangen. Er wird in dem Wagen schlafen, ihn als Schwarztaxi benutzen und schließlich damit seine erste Westreise nach Paris antreten. Das Auto wird zum Symbol für Individualität, Selbstbestimmung und Freiheitsstreben. In der Wahrnehmung der Menschen, die Carl trifft, verbindet es sich mit seinem Fahrer, den sie bald "Shigulimann" nennen.

Das ist eines jener Worte mit Wallungswert (Gottfried Benn), wie sie Seilers Texte oft strukturieren. Der Shigulimann ist ein Eigenbrötler, aber in Berlin steht ihm die Erfahrung des Kollektivs bevor - und die Wallungsworte dazu lauten "kluges Rudel". Dieses lose Kollektiv freidenkerischer und künstlerisch veranlagter junger Menschen träumt davon, Hunderte Häuser zu besetzen - pardon, "bewohnbar zu machen", denn um diesen ideologischen Konflikt der Wendezeit dreht sich Seilers Roman maßgeblich. Das östliche Berlin um Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain wird hier zu einer Art Abenteuerspielplatz, und Carl, der als gelernter Maurer gut zu gebrauchen ist, mischt ordentlich mit. Ähnlich wie in "Kruso" die Aussteigergemeinschaft auf Hiddensee hat das kluge Rudel einen Anführer. Dieser heißt "Hoffi, der Hirte". Ein schrathafter Mann, der eine Ziege besitzt sowie die Weisheit, etwa: "Sabotage an den Brutstätten des Kapitals bei gleichzeitiger Umverteilung". Das heißt auf Deutsch: Man raubt Baumaterial und Werkzeug, um es zu verkaufen oder für eigene Projekte zu verwenden. Eines davon ist die "Assel": eine Underground-Kneipe für alle, in der sich bald Hausbesetzer aus Ost und West, Prostituierte und russische Soldaten tummeln. Carl wird dort Kellner - so wie auch Lutz Seiler im richtigen Leben es war.

In dieser Umgebung, einem neuen Sozialismus nach dem Scheitern des DDR-Sozialismus, blüht Carl auf, er lernt Frauen und Männer kennen, alle auf die je eigene Weise verrückt, und er wird, was sein größter Wunsch war, zum Dichter, einem veröffentlichten. Es ist eine Zeit der ausgelebten Kreativität: Einer malt Kunst auf das Papier der Zementsäcke, einer formt sie aus Müll und ein anderer, Carl, aus Worten. Dann trifft dieser seine Jugendliebe wieder, Effi - und für einen Moment verwirklicht sich das Ideal einer Zweierbeziehung, in der beide Künstler sind, beide frei und doch zusammen.

Lutz Seiler gelingt es, die Ost-Berliner Umbruchszeit so faszinierend zu beschreiben, dass man gern dabei gewesen wäre - im vollen Bewusstsein, damit einer gewissen Ostalgie aufzusitzen, die der Roman einerseits zelebriert und andererseits anhand der von Westen kommenden Wende-Touristen auch karikiert. Er setzt der Berliner Szene von damals ein literarisches Denkmal, wie es noch keines gegeben hat - mit vielen Anspielungen auf historische Orte und Personen und unvergesslichen Episoden. An einem Nachmittag besetzt Carl drei Wohnungen in einem Rutsch, um Effi später drei Schlüssel zur Auswahl zu geben; die Ziege beginnt zu fliegen, und zwei Menschen, die es leider nicht können, springen verzweifelt vom Dach. Auch kritische Ironie kennt die Erzählung. So hat Kruso einen Gastauftritt als irrer Militarist, und als es darum geht, auch Stücke der Berliner Mauer zu Geld zu machen - "diskret, schön, geschliffen, der gute Beton gibt das her" -, bestätigt Maurer Carl: "B 500, beste Qualität."

Über diesen Witz wird nicht jeder lachen können. Wahrscheinlich auch nicht Carls Eltern, denen die andere Hälfte dieses Romans gehört. Sie haben den Bau der Mauer miterlebt und das, was folgte. Bereits zwei Tage nach ihrer Öffnung wollen sie auf und davon, und Carl muss sie über die ehemalige Grenze bringen, während er in Gera "die Stellung halten" soll, was ihm absurd erscheint: ",Unsere Eltern sollen es einmal besser haben.' Etwas stimmte nicht mit diesem Satz."

Die Ehepartner, Inge und Walter, werden zunächst ihr Glück allein suchen, um größere Aussicht darauf zu haben. Aber besser als früher geht es ihnen so schnell nicht. Sie sind Flüchtlinge und werden auch so behandelt - ob im zentralen Notaufnahmelager in Gießen oder auf Arbeitssuche zwischen Hamburg und Gelnhausen. Inge schöpft mehrfach Vertrauen, das enttäuscht wird - von Menschen mit Ressentiments oder auch durch die Härten der Marktwirtschaft. Und was Walter erlebt, als ihm nach kurzer Zeit als fahrender Programmier-Experte wieder gekündigt wird, ist ebenfalls unvergesslich. Im Wagen seines Chefs hatte er, aus altem Habitus, auf Dienstreisen Dinge gelagert, die man "vielleicht noch mal irgendwann gebrauchen konnte", darunter ein "gutes Brett", Schrauben, Draht. Als sein Chef die Sachen findet, schießen wilde Verdächtigungen ins Kraut: Der Computerfachmann aus Gera könnte nicht nur ein Spion, sondern gar ein Terrorist sein, der eine "schmutzige Bombe" zu bauen vorhatte.

Dieses Kapitel der deutschen Zeitgeschichte ist bislang noch viel zu wenig literarisiert worden, auch darin liegt ein großes Verdienst Seilers. Der "lange Weg nach Westen" vieler Ostdeutscher nach 1989 führt hier Walter, einen früheren Mitspieler des "Akkordeon- und Mandolinen-Orchesters der SDAG Wismut", zum Stern von Bill Haley nach Hollywood, wo er mit seinem Instrument Rock 'n' Roll spielen und in thüringischem Englisch dazu singen wird. Und dieser Weg zaubert seiner Frau Inge, die als Kind aus Böhmen flüchten musste und in Gera unglücklich war, schließlich ein kalifornisches Lächeln ins Gesicht, während ihr Sohn Nick Caves "Weeping Song" hört. Ein fast surreales Ende, das aber noch nicht den surrealen Gipfel dieses Romans darstellt. Es ist auch einer der Trauerarbeit.

Nicht zuletzt literaturgeschichtlich funkelt "Stern 111": Während die Panoramadarstellung der Berliner Szene mit all ihren schlaglichtartig vorgestellten Figuren und auch die Lebensschau von Carls Eltern an Alfred Döblin erinnert, wandelt die Hauptfigur in der Spur eines anderen Großstadtromans: nämlich Rilkes "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", dem das Motto entnommen ist: "Ich bin achtundzwanzig, und es ist so gut wie nichts geschehen." Auch Carl ist zur Erzählzeit etwa in diesem Alter, und die grundstürzende Erschütterung des Malte durch Stadt, Menschen, Tod und Dichtung wird er, in verwandelter Form, nachempfinden. Am Anfang sucht Carl eine "Höhle für ein poetisches Dasein", am Ende weiß er, dass "der Kampf um ein poetisches Dasein nicht poetisch war". Nach berauschender Gewissheit von Gemeinschaft, die dann wieder verschwand, hat er "Vertrauen in die Verlassenheit" geschöpft, die Bedingung des Schreibens und für manche Menschen auch des Lebens ist.

Lutz Seiler ist nun schon zum zweiten Mal etwas sehr Außergewöhnliches gelungen: nämlich in einem im besten Sinne "massentauglichen" Roman davon zu erzählen, wie man das poetische Dasein wirklich führt, eine so euphorische wie grausame Angelegenheit. Und nebenbei hat er, auch wenn er wie die meisten Schriftsteller aus guten Gründen das Etikett nicht mag, einen maßgeblichen, wenn nicht den definitiven Wenderoman geschrieben.

Lutz Seiler: "Stern 111". Roman.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 528 S., geb

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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Hat mich nicht wirklich gepackt. Weder die Geschichte Carls noch die parallel erzählte Geschichte seiner Eltern.
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Zwei Tage nach dem Mauerfall verkündet das Ehepaar Bischoff ihrem Sohn Carl, dass sie weg gehen. Weg aus ihrem alten Leben, ihrer Heimat und drüben ein neues Leben anfangen wollen. Carl soll zurück bleiben und das Haus hüten und nach dem rechten schauen und sie wollen in Kontakt bleiben. Die Reise der Eltern führt sie durch Auffanglager und verschiedene Arbeite und sie wollen zu ihrem Geheimnis gelangen. Endlich, nach Jahrzehnten! Carl wiederum hat andere Pläne und die Liebe seines Lebens weiß nichts von seinen Gefühlen und vielleicht wird es ja was, oder doch nicht. Er schließt sich einer Gruppe an, die sich verschanzt, selbst befreit und ihren eigenen Weg gehen möchte und auch Carl will selbst laufen lernen, endlich, jetzt. Der Inhalt klingt gut und mit viel Ost Verwandschaft war es für mich auch sehr reizvoll. Lutz Seiler hatte mir in Kruso schon einiges abverlangt und leider, wurde es jetzt auch in Stern111 nicht viel anders. Was aufregend und spannend klingt vom Inhalt her, dass verliert leider viel Blut. Es tröpfelt so dahin und plätschert und ist leider deswegen zum großen Teil bedeutungslos. Die Figur der Mutter gefällt mir da noch am besten und es ist am spannendsten, wie sie im neuen Leben Fuß fassen möchte. Carl ist einfach lahm, sorry, aber ich wollte immer schreien zieh den Stock aus dem Arsch und werde endlich locker. Sprachlich ist das Buch zum Teil echt großartig und begeistert, aber dann reihen sich wieder Metaphern aneinander, die einfach nur Nerven und die Geschichte auch nicht interessanter macht. Literatur ist Gott sei Dank immer Geschmacksache, aber mein Geschmack ist Stern111 leider nicht und die große Überraschung bleibt für mich aus und der ewig lange Epilog ist ein Zeugnis für das Buch, einfach viel zu lang, für so wenig Leben im Buch.