Modern zu sein heißt, Prävention zu betreiben. Beginnend im Zeitalter der Aufklärung bis in die jüngste Vergangenheit lässt sich die gemeinsame Entstehungs- und Verflechtungsgeschichte von Prävention und Moderne nachweisen. Die vorliegende genealogisch angelegte Studie zeigt am Beispiel der Krankheitsvorbeugung in Deutschland (und darüber hinaus) auf, auf welchen Wegen unsere Kultur gelernt hat, potenzielle Gesundheitsschäden in der Zukunft als aktuelle Probleme zu behandeln. Dazu werden zunächst die zwei dominanten Kulturen der Vorbeugung im Zeitalter der Aufklärung untersucht. Während die Diätetik zur Ausbildung eines präventiven Selbstverhältnisses beizutragen versuchte, legte die Medicinalpolicey den Grundstein für die staatliche Gesundheitspolitik. Individuums- und bevölkerungsbezogene Präventionsformen standen sich zu dieser Zeit noch vergleichsweise unverbunden gegenüber. Die Analyse verdeutlicht anhand der Kategorien der Infektionskrankheit, der sozialen Pathologie und der Erbkrankheit, dass erst in den Jahren zwischen 1848 und 1945 langsam ein systematischer Zusammenhang zwischen Individual- und Kollektivgesundheit hergestellt wurde. Abschließend wird die rechtsstaatliche Neuausrichtung des biopolitischen Regierens nach dem Zweiten Weltkrieg diskutiert, in deren Folge die Einschränkung individueller Freiheitsrechte im Namen des kollektiven Gesundheitsschutzes zunehmend als problematisch empfunden wurde, allerdings ohne gänzlich darauf zu verzichten. In einer Verbindung von Quellen- mit Begriffsarbeit wird in der vorliegenden Arbeit ein charakteristisches Verlaufsmuster in der Geschichte moderner Krankheitsprävention rekonstruiert. Auf diese Weise ist die Arbeit zugleich ein Plädoyer dafür, die soziologische Theoriebildung wieder stärker an die historische Forschung anzubinden. Zudem werden die Probleme und Grenzen biopolitischen Regierens unter den Bedingungen funktionaler Differenzierung einsichtig. Die Arbeit wurde mit dem Erasmus Prize for the Liberal Arts and Sciences 2017 ausgezeichnet.