Die Frage nach dem Wesen der Rechtsdogmatik wird in der Rechtstheorie seit über hundert Jahren diskutiert. Regelmäßig wird dabei die Funktion der Rechtsdogmatik und ihr unaufgeklärtes Verhältnis zu Wissenschaftlichkeit, Rationalität und Rechtsprechung thematisiert, ohne zufriedenstellende Antworten hervorzubringen. Der Autor bietet mit der vorliegenden Arbeit einen Perspektivenwechsel. Er betrachtet die Rechtsdogmatik im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen nicht isoliert, sondern im Vergleich zur theologischen Dogmatik. So kann die Rechtsdogmatik als die spezifisch juristische Ausprägung der allgemeinen Denkform der Dogmatik verstanden werden, während die Dogmatik der Theologie die spezifisch theologische Variante dogmatischen Denkens zeigt. Dabei zergliedert der Autor die Denkform der Dogmatik in ihre einzelnen Elemente. Er analysiert die spezifisch mittlere Abstraktionshöhe der Dogmatik und ihr zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Gegenstand. Ferner deckt er die Regeln des dogmatischen Diskurses und die implizite, aber problematische Annahme eines determinierten und zugänglichen Textsinnes auf. Im Ergebnis erweist sich die Dogmatik als eine hybride Denkform, die zwischen den Polen normativ|deskriptiv, Theorie|Praxis und Dogma|Wissenschaft oszilliert und diese Unterscheidungen unterläuft. Entscheidend für die Dogmatik ist immer auch ihre Verwurzelung in der sozialen Praxis des Rechts und der Religion. Die Einbindung des dogmatischen Denkens in ihre jeweilige soziale Praxis ist die Ursache für die Unterschiede zwischen der Rechtsdogmatik und der theologischen Dogmatik.