Bellwidder Rückwelzer liebt den Wald. Gerne hört er den Vögeln zu, riecht an Blumen und sammelt Brombeeren. Eines Tages vernimmt er das Heulen von Wölfen. Bellwidder, seines Zeichens ein Schaf, bekommt große Angst, gefressen zu werden und traut sich fortan kaum mehr vor die Tür bis er beim Nähen einen Einfall hat: Er fertigt sich einen Wolfspelz an und begibt sich damit unter die Wölfe des Waldes. Doch schon bald stellt Bellwidder fest, dass nicht alles ist, wie es scheint.
Die Illustratorin Sid Sharp stammt aus Kanada und hat mit Der Wolfspelz ihr erstes Bilderbuch veröffentlicht. Dieses sticht durch seine Gestaltung unter anderen Kinderbüchern hervor, denn die Geschichte darin ist im Stil einer Graphic Novel verpackt. Kurze Sätze und viel wörtliche Rede in Sprechblasen machen den Text lebendig und regen Kinder zum eigenen Erlesen der Geschichte an. Sid Sharps Bilder zeichnen sich durch kräftige, oft dunkle Farben aus und wirken dadurch mitunter recht düster. Mit vielen Details gelingt es ihr jedoch, die schaurige Atmosphäre aufzulockern, sodass es ein Vergnügen ist, das Buch zu lesen und alle Darstellungen zu entdecken.
Auch inhaltlich hat die Geschichte einen großen Mehrwert zu bieten: Sie führt uns kindgerecht vor Augen, dass es unvernünftig ist, die eigene Persönlichkeit zu verbergen und sich seinen Mitmenschen gegenüber zu verstellen. Oft steckt, wie in Bellwidders Fall, Angst dahinter. Während das Schaf in Sorge davor ist, gefressen zu werden, ist es bei uns Menschen häufig die Angst vor Ablehnung, die zur Anpassung führt. Die Lösung scheint zunächst einfach: Man schneidert sich einen Anzug, der augenscheinlich Sicherheit bietet, am Ende aber doch nicht richtig passt. Das bedeutet in der Folge, sich ein Stück weit selbst aufzugeben und macht somit nicht dauerhaft glücklich. Bellwidder beispielsweise kann in seinem Wolfspelz weder die Vögel, die er so gerne mag, hören noch die duftenden Blumen riechen. Sein Lügenkonstrukt aufrechtzuerhalten, ist für das Tier in der Geschichte wie auch für uns Menschen zudem eine große Last zumal keine noch so gute Maskerade ewig währt. Der Wolfspelz zeigt uns, dass wahre Freundschaften nur dann entstehen können, wenn man sich seinen Mitmenschen gegenüber öffnet und ihnen vertraut.
Eine wichtige Botschaft, die in einer für mich neuen Art der Gestaltung vermittelt wird: Kein Wunder also, dass Der Wolfspelz im letzten Jahr für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war!