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Sibiriens vergessene Klaviere

Auf der Suche nach der Geschichte, die sie erzählen

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26,00 €inkl. Mwst.
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"Eine außerordentliche Reise durch Musik, Exil und Landschaft." (Edmund de Waal) - Sophy Roberts' außergewöhnliche Spurensuche in die Vergangenheit und Gegenwart SibiriensSibirien, das ist unerbittliche Kälte und enorme Weite. Sibirien, dieses Gefängnis ohne Dach, ist aber ebenso von verblüffender Schönheit. Welch bedeutende Rolle ausgerechnet hier Klaviere als Symbol europäischer Kultur spielen, zeigt die Britin Sophy Roberts auf ihrer extravaganten Spurensuche. Dabei gelingt es ihr nicht nur, zahlreiche einst berühmte Instrumente zwischen dem Ural und der Insel Sachalin ausfindig zu machen, sondern auch ihre Geschichten zu rekonstruieren: von der Pianomanie der Zarenzeit bis zur Leidenschaft des Lotsen der Aeroflot, von der sowjetischen Manufaktur "Roter Oktober" bis zur jungen mongolischen Pianistin Odgorel, die in ihrer Jurte Bach spielt. Sophy Roberts' Erkundungen führen tief in das Herz der Geschichte und erzählen uns nicht weniger von der Gegenwart.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
21. September 2020
Sprache
deutsch
Auflage
6. Auflage
Seitenanzahl
400
Autor/Autorin
Sophy Roberts
Übersetzung
Brigitte Hilzensauer
Verlag/Hersteller
Originalsprache
englisch
Produktart
gebunden
Abbildungen
Mit zahlreichen Abbildungen
Gewicht
577 g
Größe (L/B/H)
218/146/35 mm
ISBN
9783552072053

Portrait

Sophy Roberts

Sophy Roberts studierte unter anderem in Oxford und an der Columbia University, New York, und arbeitete für Condé Nast Traveller, The Economist und Financial Times Weekend. Sie lebt in West Dorset (GB). Sibiriens vergessene Klaviere ist ihr erstes Buch.

Pressestimmen

"Den Titel muss man langsam lesen, mit Pausen und langem Atemholen zwischen den Wörtern. Nur so bekommt man ein Gespür für den paradoxen Reiz dieses hoch atmosphärischen Buches. [ ] Man kann sich herrlich verlieren in diesem Buch." Christian Wildhagen, NZZ, 16. 04. 21

"Eine Spurensuche mit kriminalistischem Gespür und eine exzentrische, abenteuerliche Reise." Sabine Berking, taz, 01. 03. 21

"Sophy Roberts Buch verwebt historische Exkurse mit Begehungen gottvergessener Orte und Figurenporträts von eindrucksvoller Kraft." Kerstin Holm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 02. 21

'Sibiriens vergessene Klaviere' ist eine atemberaubende Auseinandersetzung mit der Frage nach der eigenen Herkunft. Erich Klein, Ö1 Diagonal , 06. 02. 21

"Ein Buch, das einen immer mehr hineinzieht diese Verbindung zwischen diesen Klavieren, die kaputt sind und die man rekonstruieren kann, und den Menschen, die dort gelebt haben, deren Leben zu rekonstruieren, diese Mischung macht dieses Buch so faszinierend." Wolfgang Hagen, WDR3 Gutenbergs Welt, 02. 01. 21

"Zwar findet Sophy Roberts nicht jedes Klavier, nach dem sie sucht, ihr gelingt dafür ein packendes und vielschichtiges Porträt von Russland als Kulturnation - und ein Buch über die Kraft der Musik, bei dem sich tiefere Einsichten offenbaren." Tino Dallmann, MDR Kultur, 23. 12. 20

Ein wunderbares Buch und ganz verrückt! Elke Heidenreich, SRF 1 Literaturclub, 22. 12. 20

Roberts hat nicht nur ein fast detektivisches Buch über die russische Musik- und Klavierkultur Russlands geschrieben, sondern uns in eine Weltregion geführt, die noch immer sehr an der Peripherie unserer Aufmerksamkeit liegt. Ein außerordentlich kenntnisreiches und sehr bewegendes Buch nicht nur über Klaviere. Karl Schlögel, Süddeutsche Zeitung, 22. 12. 20

"Roberts gelingt es, Landschaftsgemälde und Reisereportage unterzubringen, Geschichtsstunde und Expeditionsbericht. Eine wunderbar extrvagante Spurensuche" Hendrik Heinze, BR Diwan, 27. 11. 20

"Eine Reise durch den wilden Osten, entlang klingender Lebensadern glänzend recherchiert." Christine Lemke-Matwey, Die Zeit, 19. 11. 20

"Ein höchst abwechslungsreiches, bisweilen vor Zitaten früherer Sibirien-Reisender überbordendes Buch, das vor allem eines ist: Erfrischend schräg!" Erich Klein, Ö1 Kontext, 13. 11. 20

Die wahrscheinlich schönste Sammlung von Überlebensgeschichten des Jahres. Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an eine in Worten eigentlich unfassbare Landschaft. Elmar Krekeler, Die Welt, 07. 11. 20

"Eine große Reportage über Sibirien und seine wechselvolle Geschichte, eine Liebeserklärung an die Kraft der Musik und nicht zuletzt eine detektivische Suche nach alten Klavieren. Ein so vielseitiges wie fesselndes Buch, dessen verschlungenen Wegen man nur zu gern folgt. Sebastian Fasthuber, Falter, 21. 10. 20

"Ein faszinierendes, an Volten und Entdeckungen reiches Buch. Spannend geschrieben und von Brigitte Hilzensauer ebenso gut übersetzt." Michael Freund, Der Standard, 17. 10. 20

"Journalismus und Poesie." Peter Pisa, Kurier, 12. 10. 20

Das beste Sachbuch, das ich je gelesen habe. Brillant erzählt, in einer Sprache, in der sehr viel Herz ist, Seele; in der Roberts in einer überbereisten Welt einen ganz neuen Sound findet, um eine solche Reiseerfahrung zu beschreiben. Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 06. 10. 20

"Haut voll in die Tasten" Süddeutsche Zeitung, 29. 09. 20

"Eine Mischung aus Reisereportage und Liebeserklärung, verbunden mit Musikgeschichte." Michael Kuhlmann, MDR Kultur, 27. 09. 20

Reiseerfahrungen, Klaviersuchen, historische Ereignisse und persönliche Erinnerungen einiger Sibirier bilden ein wunderbar anschauliches Mosaik. Julia Rodeland, SWR2 Treffpunkt Klassik, 24. 09. 20

"Eine spannende Mixtur aus Geschichte und persönlichem Erleben. Ein Buch, das die Faszination der Autorin bei ihrer nie ermüdenden Spurensuche lebendig werden lässt, und ein Buch, das zeigt, wie eng Politik und Kultur in Sibirien zusammenhängen." Christoph Vratz, WDR3 Tonart, 21. 09. 20

Ein gefühlvolles Porträt von Land und Leuten, Geschichtensammlung und Reisereportage." Jutta Sommerbauer, Die Presse, 19. 09. 20

Besprechung vom 12.02.2021

Auf Flügeln seufzenden Gesanges
Sophy Roberts sucht "Sibiriens vergessene Klaviere" und findet imponierende Menschen in einem versehrten Land

Sibirien macht zwar den flächenmäßig größten Teil von Russland aus, dennoch ist es ein Land im Land, das vom europäischen Teil einerseits ausgebeutet und als "Gefängnis ohne Dach" genutzt wird, zugleich aber auch für Russlands historische Mission steht, die europäische Kultur bis zum Pazifik zu verbreiten. Mit den Siedlern und auch mit den Sträflingen kamen Bücher, Ideen sowie Musikinstrumente von diesseits des Urals ins nördliche Asien, wo das bloße Leben eine Herausforderung darstellt. Wenn die britische Reisejournalistin Sophy Roberts über Jahre durch Sibirien gefahren ist, um alte Klaviere zu finden, so betrieb sie damit eine Zivilisationsarchäologie eigener Art. Ihr Buch verwebt historische Exkurse mit Begehungen gottvergessener Orte und Figurenporträts von eindrucksvoller Kraft.

Geschichte und Gegenwart mit dichten Fäden verwebend, zeichnet die Autorin ein Bild von Russlands Klavierkultur. Nachdem europäische Klaviermusik am russischen Hof en vogue wurde, ließ die deutschstämmige Kaiserin Katharina die Große sich 1774 ein Zumpe-Tafelklavier aus England liefern - das moderne Instrument der Stunde, das dann während des Zweiten Weltkriegs einige Jahre evakuiert in Sibirien verbrachte. Der Sohn von Katharinas Gouverneur im sibirischen Tobolsk, Alexander Aljabjew, wurde Pianist und Komponist und schrieb seine berühmtesten Lieder in sibirischer Verbannung. Eine echte Pianomanie lösten später die Auftritte von Franz Liszt in den vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts aus, als auch Clara Schumann in Petersburg spielte und der schulbildende deutsche Pianist Adolf Henselt nach Russland übergesiedelt war.

Die bekannteste Klavierpionierin in Sibirien war die Fürstin Maria Wolkonskaja, die ihrem Mann, der an der Dekabristen-Verschwörung 1825 teilgenommen hatte, in die Verbannung folgte, wobei sie ihr Clavichord auf dem Schlitten mit sich führte. Im Irkutsker Wohnhaus der Wolkonskis, heute ein Museum, künden noch zwei altersschwache Klaviere von der heroischen Bildungsarbeit der Exilanten, die hier einst den ersten Konzertsaal errichteten.

Klaviere waren freilich extrem hinfällig, zumal im wilden Osten mit seinen Temperaturstürzen und der Lufttrockenheit im Winter. Immer wieder trifft die Autorin auf arg mitgenommene Instrumente, wie jenen in alle Einzelteile zerlegten Bechstein-Flügel in einer Werkstatt, den sie mit einem dem Tode nahen alten Trinker vergleicht, obwohl der Restaurator versichert, er werde ihn instand setzen. Das Los der Klaviere erinnert an das Leid und die Widerstandskraft von Menschen, speziell von Musikern im sibirischen GULag, wie der Pianistin Véronique Lautard-Schewtschenka (1899 bis 1982), die in der Haft auf einer geschnitzten Holztastatur "geübt" haben soll, oder des Komponisten Wsewolod Saderatzki (1891 bis 1953), der im fernöstlichen Magadan ohne Instrument einen Zyklus von vierundzwanzig Präludien und Fugen schuf.

Tatsächlich betrachtet Sophy Roberts Klaviere auch als lebendige Kulturträger, deren historisches Gepäck ihrer Stimme die individuelle Klangfarbe gibt. Die alten Instrumente erzählten von der Kolonisierung des Kontinents durch Russland, aber auch vom menschlichen Durchhaltevermögen, und der Glaube an den Trost durch Musik lebe auch in dumpfen Tönen zerbrochener Hämmer, schreibt sie. Darin bestärken sie sibirische Musiker. Wie der Klavierstimmer in Nowosibirsk, der seinem in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gebauten Grotrian-Steinweg-Klavier anhören will, wie viel es miterlebt habe. Oder die Tomsker Klavierlehrerin Olga Leonidowna, in deren Holzhaus ein Bechstein-Stutzflügel von 1896 steht, den im Zweiten Weltkrieg Evakuierte aus Leningrad mitgebracht hatten. Jeden Morgen küsst Olga das Instrument, dessen Klang Roberts an seufzenden Gesang erinnert.

Die Autorin verfolgte auch ein praktisches Ziel während ihrer Recherchen: Sie wollte für die mongolische Pianistin Odgerel Sampilnorov, deren burjatische Vorfahren während der dreißiger Jahre aus der Gegend um den Baikalsee fliehen mussten, ein passendes Instrument mit sibirischem Charakter finden. Sampilnorov, die Roberts bekennt, Johann Sebastian Bachs Musik mache das Drama von Tod und Auferstehung für sie lebendig, hatte schon in frühester Jugend ein immenses Gespür für Bach, weiß ihr Mentor, der deutsche Dokumentarfilmer Franz-Christoph Giercke, den der Klang ihres modernen Yamaha-Stutzflügels frustrierte. Also fahndet Roberts nach einem Klavier, dessen Stimme das intuitive Wissen dieser Künstlerin transportieren würde.

Ihr Buch skizziert einerseits die Geschichte von Russland als Musiknation, die indigene Kulturen verdrängte, überragende Komponisten hervorbrachte und durch vor allem aus Deutschland eingewanderte Klavierbauer wie Becker, Schröder, Diederichs im neunzehnten Jahrhundert eine hochwertige Instrumentenproduktion im eigenen Land aufbaute. Der Oktoberumsturz 1917 trieb Künstler wie Klavierbauer in die Emigration, führte aber auch dazu, dass im ganzen Land staatliche Musikschulen entstanden, die Talente für die Konservatorien heranzogen, und dass selbst in Sibirien Klaviere gebaut wurden. Der aus Irkutsk stammende Pianist Denis Mazujew lernte dort auf einem Instrument der Marke Tjumen.

Vor Ort bricht jedoch die Gewaltgeschichte über die Autorin herein, die sie aus einer Fülle von Quellen zum Sprechen bringt. In Jekaterinburg vergegenwärtigt sie den Mord an der letzten Zarenfamilie und fahndet nach dem Klavier, auf dem die Zarin bis vor ihrem Tod spielte. In Magadan erzählt sie von GULag-Greueln und sucht den Flügel, auf dem der hier inhaftierte Tenor Wadim Kosin bei seinen Auftritten vor Gefängnisaufsehern begleitet wurde. In der einst wohlhabenden Handelsstadt Kjachta an der mongolischen Grenze, wo während des Bürgerkriegs der weiße Warlord Baron von Ungern-Sternberg wütete, findet sie einen edlen Bechstein, der aber keinen Ton mehr hervorbringt.

Zugleich trifft sie immer wieder Menschen, die trotz großer Entbehrungen der Musik treu bleiben und aus ihr Kraft ziehen. Wie die sechsundachtzigjährige Nina in Chabarowsk, die, bitterarm aufgewachsen, auch dank ihres frühen Klavierspiels, sich eine brennende Forscherneugier für ihr Land bewahrte. Oder der ehemalige Flugnavigator Leonid Kaloschin, der in ein Altai-Dorf zog, um dort eine Gemeindebibliothek und einen Konzertsaal zu eröffnen. Oder die Klavierstimmerdynastie der Lomatschenkos in Nowosibirsk, deren erstes Familien-Instrument, das Grotrian-Steinweg-Pianino, auf einer weiteren sibirischen Reise in die Mongolei umzog, wo Odgerel Sampilnorov es wegen seines träumerischen Timbres auf den Namen "Cantabile" taufte.

KERSTIN HOLM

Sophy Roberts: "Sibiriens vergessene Klaviere".

Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2020. 398 S., Abb., geb.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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