Kulturgeschichte en miniature. In einem Rutsch gelesen! Ein tolles kleines Buch!
Ursel Braun erzählt Exilgeschichten aus den Jahren 1940 bis 1945. Zum Lachen, zum Grausen und zum Weinen.
Die Verfolgten des Nazi-Regimes, die es bis hierher geschafft haben, finden sich nur langsam mit ihrem Exilort ab - trotz der Palmen im scheinbaren Paradies.
Alma Mahler-Werfel schreibt in ihr Tagebuch: "Die Natur ist hier leer und monoton. Die Natur machen ja die Menschen und die sind erst 200 Jahre hier und was sie da taten, ist das bissel Kultur der Indianer vernichten und Gasoline-Stationen und Beauty Studios errichten in Straßen, wo einem übel wird, auch nur schnell durchzufahren." Zur Strafe, dass er sie nach Kalifornien geschleppt hat, demütigt sie ihren Franz und schimpft weiter auf die Juden (nach dem Genuss der morgendlichen Flasche Champagner). Aber das Scheusal hält auch hier Hof, lebt von den Tantiemen Mahlers und den Honoraren Werfels. Man nimmt ihre Tiraden schweigend hin.
Nelly Mann lebt in ganz anderen Umständen. Sie und Heinrich haben kaum Geld und ihr macht der Alkohol schwer zu schaffen. Von dem Mann-Clan wegen ihrer Herkunft und ihres Auftretens verachtet, vereinsamt und verzweifelt sie in der neuen Umgebung und bringt sich 1944 um.
Salka Viertel ist schon da, bevor die ersten Nazigegner kommen. Sie versucht sich und ihre Söhne nach der Trennung von ihrem Mann allein durchzubringen, schreibt Drehbücher für MGM. Als sie genauso viel Geld verlangt wie ihre männlichen Kollegen, kündigt man ihr. Ihr Haus ist auch nach dem Rauswurf ein Treffpunkt für die Exilierten. Ihre Großzügigkeit ist weithin bekannt.
Helene Weigel bekommt keine Rollen. Sie kocht für den Brecht-Tross mitsamt den jeweiligen Geliebten ihres Mannes. Als sie merkt, dass ihr Telefon vom FBI überwacht wird, machen sie und Marta Feuchtwanger sich einen Spaß und lesen sich am Telefon polnische Kochbücher vor. Den Humor haben sie im Exil nicht verloren.
Marta Feuchtwanger sucht für sich und ihren Mann ein Haus, die Villa Aurora, und kümmert sich erfolgreich um alles Geschäftliche. Mit den Geliebten im Umkreis ihres Mannes hat sie sich ähnlich wie Helene Weigel abgefunden.
Katia Mann ist ebenso wie Marta die Haushofmeisterin des Gatten. Dass sie dabei selbst zuweilen untergeht, kann sie nicht immer verwinden. Über ihren 70. Geburtstag schreibt sie ihrem Sohn Klaus bitter: Dass Zauberer (den Tag) völlig vergaß (...) und mir überhaupt nicht gratulierte, war denn doch ein bisschen hässlich."
Faszinierende Portraits von sechs eindrucksvollen Persönlichkeiten. Sehr zu empfehlen!