Lee Miller (1907-1977) gilt als eine der besten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Begonnen hat ihre Karriere als Fotomodell. Zunächst als jenes ihres Vaters, dann für die Zeitschrift Vogue, zählt sie zu den Top-Fotomodellen ihrer Zeit. Aber das Modellleben genügte ihr nicht. Sie will diejenige sein, die die Fotos macht. "Ich möchte lieber Fotos machen, als ein Foto zu sein", hat Lee stolz erklärt. Und so zieht sie kurzerhand nach Paris, um bei Man Ray in die Lehre zu gehen. Doch ihre wahre Berufung hat sie als Kriegsreporterin gefunden als sie im Zweiten Weltkrieg mit den Alliierten nach Europa kommt. Ihre schwarz-weiß Fotos sind beeindruckend. Leider sind in dieser Biografie (ebook) keine Fotos aus dieser Zeit abgebildet. Wer mehr über die Jahre 1944/45 der Kriegsreporterin Lee Miller lesen (sehen) will, muss das Buch "Lee Miller - Krieg. Mit den Alliierten in Europa 1944-1945, Reportagen und Fotos" lesen. Als sie Ende April 1945 mit den Truppen in München ankommt, wird ihnen eine Wohnung am Prinzregentenplatz zugewiesen: Hitlers Wohnung. Dort entsteht das berühmte Fotos, das sie in Hitlers Badewanne zeigt. Wegbegleiter David Schermann, Kriegsfotograf wie sie, hat es unter ihrer Anleitung geschossen. Nichts ist dem Zufall überlassen, alles strategisch inszeniert. Hier wird sie, nach Wochen in Uniform, ohne sich ordentlich waschen zu können und mit Zigaretten, Alkohol und Benzedrin aufgeputscht, folgenden Satz sagen: "In seiner [Hitlers]Badewanne habe ich mir den Dreck von Auschwitz abgewaschen." (Lee Miller) Die Filmrollen, die Lee Miller in den befreiten Konzentrationslagern wie Auschwitz von den Leichenbergen und ausgemergelten Überlebenden macht, schickt sie mit der kurzen Notiz"Glaubt mir, es ist alles wahr!"an die Redaktion und spielt darauf an, dass die Alliierten schon längst darüber Bescheid wussten, bzw. Gerüchte verbreitet haben. Meine Meinung: Das ist nun mein drittes Buch über Lee Miller. Bei Biografien lese ich gerne mehrere Bücher von unterschiedlichen Autoren, um mir ein umfassendes Bild des/der Porträtierten zu machen. Wie schon in der Biografie von Gabriela Katz wird Lee Millers Zeit in Paris, wo sie zahlreiche bekannte Surrealisten u.a. Maler wie Picasso und Lyriker wie Paul Élouard oder André Breton kennenlernt, großen Raum eingeräumt. "Die Ausrottung des Schönen ist eine beliebte Waffe jeglicher wirksamen Propaganda." (S. 15) Die Surrealisten sind die ersten, deren Kunstwerke, egal ob Bilder oder Skulpturen als Entartete Kunst vernichtet und die Bücher von Juden und Regimegegner verboten und verb(r)annt werden. Um Lee Millers Zeit in Paris nachzuzeichnen, begibt sich die Autorin auf Spurensuche, was nicht immer einfach ist, weil die Gebäude oft bis zur Unkenntlichkeit modernisiert worden. Zu Beginn habe ich diesen Ansatz interessant gefunden, später haben mich die sehr persönlichen Eindrücke und Interpretationen von Serena Dandini doch gestört. Nicht immer erzählt Dandini Lee Millers Leben chronologisch, was auch irritierend ist. So wird über die prägenden und verstörenden Monate mit den alliierten Truppen erst nach ihrem Tod berichtet. Okay, Lee Miller selbst hat wenig über diese Zeit gesprochen, hat sich in sich selbst zurückgezogen. Gut herausgearbeitet ist die PTBS, für die es in diesen Jahren weder Namen noch Behandlung gegeben hat. Hat man auch nach dem Zweiten Weltkrieg schon für männliche Kriegsveteranen kein Verständnis für ihre Traumata und Depressionen, so gilt das noch viel mehr für Frauen. Sie werden mit Psychopharmaka, die man damals verniedlicht "Mothers little helpers" genannt hat, vollgepumpt, ohne dass man weiß, welche Auswirkungen der Medikamentencocktail (vor allem zusammen mit Alkohol) auf die Betroffene(n) hat. Erst nach ihrem Tod werden Tausende von Fotos von Lee Miller auf dem Dachboden ihres Landsitzes gefunden, die dann ihrem Sohn Aufschluss über das distanzierte Verhalten seiner Mutter geben. Leider fehlen bei dieser Biografie Fotos, was sich negativ auf die Bewertung auswirkt. Fazit:Als Ergänzung zur Autobiografie okay, aber sonst erfährt man hier nicht allzu viel Neues, daher nur 3 Sterne.