First: Ich finde es überraschend, dass es so wenige kritische Rezensionen und Meinungen gibt, die das Buch hinterfragen und den Inhalt bestenfalls aus einer fachlichen Perspektive näher analysieren. Ich wünsche es mir.
Der Titel des Buches hat meine Hoffnung auf packende, tiefgründige Einblicke in die Abgründe der menschlichen Psyche geweckt, doch leider wurde diese Erwartung enttäuscht. Statt spektakulärer, dramatischer Fälle erwartet die Leser eher eine Sammlung durchschnittlicher, alltäglicher Erlebnisse aus der Kinder- und Jugendpsychotherapie, was den reißerischen Titel fast schon unverschämt übertrieben erscheinen lässt.
Die oft unterschwelligen Annahmen über die Rolle des Therapeuten und die Methoden der Psychotherapie regen zwar zum Nachdenken an, erfordern aber definitiv eine kritische Auseinandersetzung.
Dennoch bietet Hans Hopf in seinem Werk eine interessante Perspektive auf seine psychotherapeutische Arbeit als analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut; lässt jedoch einige Fragen aufkommen.
Die Neutralitätsregel "Der Therapeut sollte wie eine weiße Leinwand bleiben, auf die ein Patient seine Vorstellungen projizieren kann" (S. 76) bleibt ein Leitmotiv, doch einige Beschreibungen werfen Fragen zu den ethischen Standards auf. Besonders irritierend war für mich persönlich die Verwendung erotisch aufgeladener Begriffe im Kontext der Patient-Therapeut-Beziehung.
"Natürlich wusste ich als Psychoanalytiker, dass es bereits bei kleinen Mädchen zu heftigen erotischen Gefühlen kommen kann. Eine derart sinnliche Spannung, eine solch flirrende Atmosphäre hatte ich jedoch bislang mit keinem Kind erlebt." (S. 30)
Oder war es nur unglücklich formuliert?
Auch wenn der Autor vermutlich die psychische Intensität des Moments beschreiben wollte, lässt die Wortwahl in Verbindung mit der geschilderten Atmosphäre der Patientin gegenüber dem Therapeuten Zweifel an der professionellen Distanz aufkommen. Dies könnte die Glaubwürdigkeit und therapeutische Integrität, die er vermitteln möchte, infrage stellen.
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Die hier im Buch von Hopf angewandte Psychoanalyse zeigt, wie stark Freuds Konzepte nachwirken und genau das sorgt bis heute für Diskussionen. Der häufige Vorwurf, Freud habe alles durch eine sexualisierte Brille betrachtet, trifft sicher in vielen Fällen zu. Doch unabhängig von dieser Kritik bleibt die historische Bedeutung der Psychoanalyse unbestreitbar: Sie legte den Grundstein für viele moderne Ansätze und hat die Psychotherapie nachhaltig geprägt.
Die moderne Psychologie bietet heute ein wesentlich nuancierteres Verständnis von familiären Einflüssen und der Entstehung psychischer Erkrankungen. Aus dieser Perspektive wirkt das Buch stellenweise zu einseitig und von einem dogmatischen Blick geprägt, der wenig Raum für alternative Deutungen lässt.
Wer sich auf die Lektüre einlässt, sollte die geschilderten Fälle und Ansichten daher mit einer kritischen Haltung betrachten und sie im Kontext moderner psychologischer Erkenntnisse hinterfragen.
"In der Psychotherapie eines Kindes sollen keine realen Wünsche befriedigt werden. Über Wünsche sollte gesprochen und fantasiert werden. Doch ein Kind mit solchen frühen Defiziten wie Gerhard sehnt sich nach intensiver Verschmelzung mit einem »nur guten Wesen«." (S. 47)